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Jeremias Gotthelf Spinne - GIGERs.COM

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Die schwarze <strong>Spinne</strong><br />

Arme und sagte: „Sei du das Witzigste und gib das Exempel!“ Aber<br />

mit aller Kraft, und die war nicht klein, sperrte sich die Gotte und<br />

rief: „Nicht um tausend Pfund sitze ich mehr da oben! Es gramselt<br />

mir den Rücken auf und nieder, als führe man mir mit Nesseln daran<br />

herum. Und sässe ich dort vor dem Bystal, so fühlte ich die schreck-<br />

liche <strong>Spinne</strong> sonder Unterlass im Nacken.“ „Daran bist du schuld,<br />

Grossvater,“ sagte die Grossmutter, „warum bringst du solche Dinge<br />

aufs Tapet! So etwas trägt heutzutag nichts mehr ab und kann dem<br />

ganzen Hause schaden. Und wenn einst die Kinder aus der Schule<br />

kommen und weinen und klagen, die andern Kinder hielten ihnen<br />

vor, ihre Grossmutter sei eine Hexe gewesen und ins Bystal ge-<br />

bannt, so hast du es dann.“<br />

„Sei ruhig, Grossmutter!“ sagte der Grossvater, „man hat heutzutag<br />

alles bald wieder vergessen und behält nichts mehr lange im Ge-<br />

dächtnis wie ehedem. Man hat die Sache von mir haben wollen, und<br />

es ist besser, die Leute vernehmen punktum die Wahrheit, als dass<br />

sie selbst etwas ersinnen; die Wahrheit bringt unserem Hause keine<br />

Unehre. Aber kommt und sitzet! Seht, vor den Zapfen will ich<br />

selbsten sitzen. Bin ich doch schon viel tausend Tage da gesessen<br />

ohne Furcht und ohne Zagen und darum auch ohne Gefährde. Nur<br />

wenn böse Gedanken in mir aufstiegen, die dem Teufel zur Handha-<br />

be werden konnten, so war es mir, als schnurre es hinter mir, wie<br />

eine Katze schnurret, wenn man sich mit ihr anlässt, ihr den Balg<br />

streicht, ihr behaglich wird, und mir fuhr es den Rücken auf seltsam<br />

und absonderlich. Sonst aber hält sie sich mäusestill da innen, und<br />

solange man hier aussen Gott nicht vergisst, muss sie warten da in-<br />

nen.“<br />

Da fassten die Gäste Mut und setzten sich, aber ganz nahe zum<br />

Grossvater rückte niemand. Jetzt endlich konnte der Kindbettimann<br />

vorlegen, legte ein mächtiges Stück Braten seiner Nachbarin auf den<br />

Teller, diese schnitt ein Stückchen ab und legte den Rest auf des<br />

Nachbars Teller, ihn mit dem Daumen von der Gabel streifend. So<br />

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