Jeremias Gotthelf Spinne - GIGERs.COM
Jeremias Gotthelf Spinne - GIGERs.COM
Jeremias Gotthelf Spinne - GIGERs.COM
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Die schwarze <strong>Spinne</strong><br />
räte, manch Geldstück rufte im Kasten, ihr Vieh war das schönste zu<br />
Berg und Tal, und ihre Töchter waren berühmt landauf, landab und<br />
ihre Söhne gerne gesehen überall. Und dieser Ruhm welkte nicht<br />
über Nacht wie dem Jonas seine Schattenstaude, sondern er dauerte<br />
von Geschlecht zu Geschlecht; denn in der gleichen Gottesfurcht<br />
und Ehrbarkeit wie die Väter lebten auch die Söhne von Geschlecht<br />
zu Geschlecht. Aber wie gerade in den Birnbaum, der am flüssigsten<br />
genähret wird, am stärksten treibt, der Wurm sich bohrt, ihn um-<br />
frisst, welken lässt und tötet, so geschieht es, dass, wo Gottes Se-<br />
genstrom am reichsten über die Menschen fliesst, der Wurm in den<br />
Segen kömmt, die Menschen bläht und blind macht, dass sie ob dem<br />
Segen Gott vergessen, ob dem Reichtum den, der ihn gegeben hat,<br />
dass sie werden wie die Israeliten, die, wenn Gott ihnen geholfen,<br />
ob goldenen Kälbern ihn vergassen.<br />
So wurden, nachdem viele Geschlechter dahingegangen, Hochmut<br />
und Hoffart heimisch im Tale, fremde Weiber brachten und mehrten<br />
beides. Die Kleider wurden hoffärtiger, Kleinode sah man glänzen,<br />
ja, selbst an die heiligen Zeichen wagte die Hoffart sich, und statt<br />
dass ihre Herzen während dem Beten inbrünstig bei Gott gewesen<br />
wären, hingen ihre Augen hoffärtig an den goldenen Kugeln ihres<br />
Rosenkranzes. So ward ihr Gottesdienst Pracht und Hoffart, ihre<br />
Herzen aber hart gegen Gott und Menschen. Um Gottes Gebote be-<br />
kümmerte man sich nicht, seines Dienstes, seiner Diener spottete<br />
man; denn, wo viel Hoffart ist oder viel Geld, da kömmt gerne der<br />
Wahn, dass man seine Gelüsten für Weisheit hält und diese Weisheit<br />
höher als Gottes Weisheit. Wie sie früher von den Rittern geplagt<br />
worden waren, so wurden sie jetzt hart gegen das Gesinde und<br />
plagten dieses, und, je weniger sie selbst arbeiteten, um so mehr<br />
muteten sie diesem zu, und, je mehr sie Arbeit von Knechten und<br />
Mägden forderten, um so mehr behandelten sie dieselben wie un-<br />
vernünftiges Vieh, und dass diese auch Seelen hätten, die zu wah-<br />
ren seien, dachten sie nicht. Wo viel Geld oder viel Hoffart ist, da<br />
fängt das Bauen an, einer schöner als der andere, und, wie früher<br />
75