Jeremias Gotthelf Spinne - GIGERs.COM
Jeremias Gotthelf Spinne - GIGERs.COM
Jeremias Gotthelf Spinne - GIGERs.COM
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Die schwarze <strong>Spinne</strong><br />
sonst allenthalben war; denn immer grösser war der Sterbet, immer<br />
wilder die Wut der Überlebenden.<br />
Mitten in diesen Schrecken sollte ein wildes Weib ein Kind gebären.<br />
Da kam den Leuten die alte Angst, ungetauft möchte die <strong>Spinne</strong> das<br />
Kindlein holen, das Pfand ihrer alten Pacht. Das Weib gebärdete sich<br />
wie unsinnig, hatte kein Gottvertrauen, desto mehr Hass und Rache<br />
im Herzen.<br />
Man wusste, wie die Alten gegen den Grünen sich geschützt vor Zei-<br />
ten, wenn ein Kind geboren werden sollte, wie der Priester der<br />
Schild war, den sie zwischen sich und den ewigen Feind gestellt.<br />
Man wollte auch nach dem Priester senden, aber wer sollte der Bote<br />
sein? Die unbegrabenen Toten, welche die <strong>Spinne</strong> bei den Leichen-<br />
zügen erfasst, sperrten die Wege, und würde wohl ein Bote über die<br />
wilden Höhen der <strong>Spinne</strong>, die alles zu wissen schien, entgehen kön-<br />
nen, wenn er den Priester holen wollte? Es zagten alle. Da dachte<br />
endlich der Mann des Weibes: wenn die <strong>Spinne</strong> ihn haben wolle, so<br />
könne sie ihn daheim fassen wie auf dem Wege; wenn ihm der Tod<br />
bestimmt sei, so entrinne er ihm hier nicht und dort nicht.<br />
Er machte sich auf den Weg, aber Stunde um Stunde rann vorüber,<br />
kein Bote kam wieder. Wut und Jammer wurde immer entsetzlicher,<br />
die Geburt rückte immer näher. Da riss das Weib in der Wut der<br />
Verzweiflung vom Lager sich auf, stürzte hin nach Christens Haus,<br />
dem tausendfach Verwünschten, der betend bei seinen Kindern<br />
sass, des Kampfes mit der <strong>Spinne</strong> gewärtig. Weither schon tönte ihr<br />
Geschrei, ihre Verwünschungen donnerten an Christens Türe, lange<br />
ehe sie dieselbe aufriss und den Donner in die Stube ihm brachte.<br />
Als sie hereinstürzte so schrecklichen Angesichtes, da fuhr er auf, er<br />
wusste erst nicht, war es Christine in ihrer ursprünglichen Gestalt.<br />
Aber unter der Türe hemmte der Schmerz ihren Lauf, an den Tür-<br />
pfosten wand sie sich, die Flut ihrer Verwünschungen ausgiessend<br />
über den armen Christen. Er sollte der Bote sein, wenn er nicht ver-<br />
flucht sein wolle mit Kind und Kindeskindern in Zeit und Ewigkeit.<br />
85