ACZ 1/2009 (16 MB) - André Citroën-Club
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Kaum zu glauben, dass beide damals in der unteren<br />
Mittelklasse konkurrierten: GS und Käfer<br />
gegen Fiat 128, Simca 1100, Renault 6, B-Kadett<br />
sowie Hundeknochen-Escort – sie alle buhlten<br />
um die Gunst der Massen. Dabei machte den<br />
GS nur der Motor klein. Gerade mal einen Liter<br />
Volumen kratzte das Aggregat zusammen. Wie<br />
alle <strong>Citroën</strong> war der Wagen ungewöhnlich und<br />
entsprach damit den Erwartungen der Kundschaft<br />
– mit Einspeichenlenkrad, Lupentacho, Handbremsgriff<br />
im Armaturenbrett und längs in der<br />
Mittelkonsole eingebautem Radio.<br />
Mit der windschlüpfigen Karosserie, die den<br />
Wagen mindestens eine Klasse größer erscheinen<br />
ließ, und der nach wie vor wegweisenden<br />
Hydropneumatik à la Déesse, die der GS in die<br />
Mittelklasse trug.<br />
Weitere Tendenzen zum Mainstream waren<br />
ebenfalls erkennbar: Das Bremspedal ließ sich<br />
für hydropneumatische Anfänger trotz nur einem<br />
Zentimeter Pedalweg eindeutig besser dosieren<br />
als der berüchtigte DS-Knopf, zudem hat der GS<br />
eine gewöhnliche Mittelschaltung – mit der die<br />
Gänge jedoch nicht immer ganz kratzfrei einzulegen<br />
waren. Beides waren Zugeständnisse an<br />
den konventionellen Käufergeschmack. Darüber<br />
hinaus trug unter anderem der Vierzylinder-Boxermotor<br />
des GS unverkennbar Panhard-Gene<br />
in sich. All diese Attribute machten aus dem Wagen<br />
die „kleine Göttin“ – so wird er in der GS-<br />
Szene nach wie vor genannt.<br />
Die Luft-Masche mit der Federung (eigentlich<br />
ein Stickstoffpolster) hatte der GS seinen Mitbewerbern<br />
natürlich voraus. Und das ging so: Eine<br />
Straße im Herbst, der Morgennebel hat sich gerade<br />
aufgelöst. Ein <strong>Citroën</strong> GS gleitet sanft über<br />
die mittelprächtig ausgebaute Straße. Plötzlich<br />
poltert es fürchterlich: Blechkanister von der Ladefläche<br />
eines Lasters fallen dem blauen GS im<br />
TV-Werbespot der Siebziger direkt vor die Reifen.<br />
Natürlich kommt der Wagen dank seiner 4<br />
fremdkraftunterstützten Scheibenbremsen souverän<br />
zum Stehen. Augenblicklich setzt der GS-<br />
Fahrer die Hydropneumatik in Gang, hebt das<br />
Auto elegant an und schwebt sicher über die<br />
Metallkästen. Der unbeschwerten Weiterfahrt<br />
steht nichts mehr im Wege, wissend lächelnd.<br />
Der Abstand zur Fahrbahn lässt sich mit einem<br />
zwischen den Vordersitzen befindlichen Hebel in<br />
drei Stufen einstellen: für normale Straßenverhältnisse<br />
in der untersten, in unwegsamerem<br />
Geläuf in der mittleren und zum Radwechsel in<br />
der obersten Stellung. Das Niveau wird dank der<br />
Hydropneumatik unabhängig vom<br />
Beladungszustand beibehalten. Mit dem neuen<br />
Mittelklasse-<strong>Citroën</strong> kann man sanft und<br />
ermüdungsfrei über schlechteste Straßen gleiten,<br />
zur Not auch mit nur 3 Rädern, wie die Franzosen<br />
bei diversen Gelegenheiten gerne demonstrieren.<br />
Auf offener Strecke fühlt sich der GS<br />
ohnehin am wohlsten und erreicht dank seiner<br />
aerodynamisch günstigen<br />
Karosserieform erstaunlicheFahrleistungen.<br />
Robert Opron – der<br />
auch den SM und den<br />
CX zeichnete und<br />
seinerzeit dem legendären<br />
DS-Designers<br />
Flaminio Bertoni nachgefolgt<br />
war – hatte sie gestaltet.<br />
Lediglich auf<br />
Kopfsteinpflaster gab es karosserieseitig die volle<br />
Dröhnung. Dies war einer der wenigen Kritikpunkte<br />
am GS. Ebenso wie das zwar geräumige,<br />
aber trotz Schrägheck nur durch eine kleine<br />
Kofferraumklappe zugängliche Gepäckabteil.<br />
Dafür war die Ladekante immerhin konkurrenzlos<br />
niedrig.<br />
Der GS ist ein Kind der Siebziger. Und er ist<br />
Franzose. 1970 hatten sich die Beatles gerade<br />
getrennt, Apollo 13 meldete Houston ein Problem,<br />
und in deutschen Kinos spielte Pennäler Peper<br />
(Hansi Kraus) dem Schuldirektor Taft (Theo<br />
Lingen) so manchen Streich. Damals galten langhaarige<br />
Blumenkinder als asoziale Subjekte, heute<br />
sind es gierige Turbokapitalisten in Nadelstreifen<br />
– so ändern sich die Zeiten. Der GS stammt<br />
noch aus einer Zeit, als Frankreich für die meisten<br />
Deutschen ein exotisches Land war. Für das<br />
man beim Grenzübertritt tatsächlich noch Papiere<br />
vorzeigen musste. In dem die Gauloise noch<br />
ungefiltert war und noch richtig südländisch Auto<br />
gefahren wurde. Und wo das gewisse Laisserfaire<br />
herrschte, dass gerade diesseits des Rheins<br />
immer so charmant wirkt. Bemerkbar macht sich<br />
dies unter anderem in einem etwas legeren<br />
Qualitätsverständnis bei der Verarbeitung so<br />
manchen GS-Exemplars: Sorgfältig ist, wenn’s<br />
nicht gleich abfällt…<br />
Für die „Grande Série“ war es höchste Zeit: Die<br />
Lücke im Pkw-Programm<br />
von <strong>Citroën</strong>, die<br />
er ausfüllen sollte, war<br />
so riesig und bestand<br />
schon derart lange,<br />
dass sie schon beinahe<br />
als von Gott in Frankreich<br />
gegeben hingenommen<br />
wurde. Auf<br />
der einen Seite gab es<br />
die 2-Zylinder vom<br />
Schlage 2 CV/Dyane/<br />
AMI, auf der anderen<br />
Seite die „Göttin“ DS<br />
und – ebenso ganz neu – der SM mit Maserati-<br />
V6. Dazu kam der Versuchsträger M 35, der just<br />
zu jener Zeit an ein ausgesuchtes Testpublikum<br />
handverlesen wurde. Die in ihm getestete<br />
Wankeltechnik begegnete uns später noch im GS<br />
Birotor<br />
Viele bewährte Ideen aus der DS steckten in<br />
der neuen Großserien-Mittelklasse. Das temperamentvolle<br />
Triebwerk allerdings ging, wie bereits<br />
angedeutet, mehr auf Panhard & Levassor zurück,<br />
einer der ältesten Autofabriken Frankreichs.<br />
<strong>Citroën</strong> hatte Panhard 1965 endgültig übernommen<br />
und die Produktion der Baureihe 24 zwei<br />
Jahre später auslaufen lassen (siehe OLDTIMER<br />
MARKT 2/2002). Nach dem Krieg erfolgreich mit<br />
leistungsfähigen Zweizylinder-Boxern, eingebaut<br />
in feinen kleinen Fronttrieblern, verblasste der<br />
Ruhm des <strong>Citroën</strong>-Konkurrenten aus der Pariser<br />
Avenue d’Ivry immer mehr. Bevor der anvisierte<br />
Panhard-Mittelklassewagen mit Vierzylinder-Boxer<br />
fertig entwickelt werden konnte, trat der neue<br />
Hausherr vom Quai de Javel auf den Plan:<br />
<strong>Citroën</strong> strich das eigene „Projekt F“, noch zu<br />
Lebzeiten Bertonis begonnen, und ging, versehen<br />
mit Panhard-Elementen, das neue „Projekt<br />
G“ an, aus dem dann der GS wurde.<br />
Es hatte die Einliter-Basisversion in ihrer Heimat<br />
exakt 55,5 PS. Bei uns waren aber nur 54<br />
Pferde in den Papieren ausgewiesen – somit<br />
blieb der GS hierzulande noch in der<br />
Versicherungsklasse bis 55PS. Der hoch-<br />
drehende Einliter-Boxer – der bei kühler Witterung<br />
bisweilen ausgesprochen unwillig seine Arbeit<br />
aufnahm - erschien vielen Kunden allerdings<br />
als zu unelastisch für das rund 900 kg schwere<br />
Auto. Die ebenfalls 54 PS des VW <strong>16</strong>00 zogen<br />
vergleichsweise dampfmaschinenartig an…<br />
Ganz so unsportlich kann der kleine <strong>Citroën</strong>-<br />
Aggregat aber nicht gewesen sein: Für die viel<br />
leichteren MEP-X-27-Monoposti, die bei unseren<br />
gallischen Nachbarn in einer Rennserie namens<br />
„Formule Bleue“ die Rundkurse unsicher machten,<br />
waren sie anscheinend goldrichtig. Auch diese<br />
kleinen Flitzer gingen teilweise noch auf<br />
Panhard-Erbgut zurück. Nuccio Bertone, die italienische<br />
Design-Ikone, versuchte sich ebenfalls<br />
an einer sportlichen Variante des GS – wenn auch<br />
ganz anderen Zuschnitts – und zeigte 1972 auf<br />
den Autosalons dieser Welt das Schaustück<br />
„Camargue“, ein flaches Coupé, dessen Formgebung<br />
zeittypisch in extremer Keilschrift geschrieben<br />
worden war…<br />
Trotzdem: Dem 1015er-Motor wurde ab 1972<br />
der durchzugskräftigere 1220 zur Seite gestellt.<br />
Bald übernahm der kräftigere und auch zuverlässigere<br />
größere Boxer die Führungsrolle, während<br />
die kleinere Maschine etwa bei uns kaum<br />
noch eine Rolle spielte. Allerdings kam sie noch<br />
im Ami Super zu neuen Ehren.<br />
1977 bekam dann auch der Einliter im GS eine<br />
Kelle mehr eingeschenkt und hatte fortan 1130<br />
ccm. Die Modellvielfalt wuchs gleichfalls stetig.<br />
Kombi („Break“) und Lieferwagenversion („Service“)<br />
waren bereits 1971 nachgereicht worden.<br />
1974 dann der erste Höhepunkt: Neben die normalen<br />
Versionen mit Namen wie Confort oder<br />
Spécial sowie dem besser ausgestatteten <strong>Club</strong><br />
trat der luxuriöse Pallas. Und der neue GSX sowie<br />
der leistungsstärkere GSX 2 zielten auf junge,<br />
sportliche Kunden, vor allem in Farben wie<br />
quittengelb und schockorange.<br />
Dass die vielgerühmte Hydropneumatik aus<br />
dem GS keineswegs eine weichgespülte Luft-<br />
Schaukel machte, sondern auch doppelt so viel<br />
Pferdestärken vertrug zeigte sich 1973: In jenem<br />
Jahr präsentierte <strong>Citroën</strong> den 107 PS starken GS<br />
Birotor mit quer eingebauten Wankelmaschine.<br />
Allerdings war der Kreiskolben - GS nur mit Halbautomatik<br />
(„C-Matic“) zu haben. Statt der üblichen<br />
GS-Instrumentierung kamen beim Birotor konventionelle<br />
Armaturen zum Einsatz, wie sie auch<br />
die rechtsgelenkten Exportversionen der normalen<br />
GS für Großbritannien trugen. Auch die X-<br />
Versionen hatten Rundinstrumente, in der zweiten<br />
Serie ab Modelljahr 1977 waren dann alle<br />
GS mit runden Anzeigen ausgerüstet.<br />
Mit der durstigen Kombination aus Kreiskolbenmotor<br />
und automatischer Kupplung rauschte die<br />
Firma dann mitten in die erste Ölkrise. Die Verantwortlichen<br />
in Paris zogen Anfang 1975<br />
schließlich die Notbremse und beerdigten das<br />
Wankel-Projekt – ganze 847 Birotor waren gebaut<br />
worden (siehe auch OLDTIMER MARKT 2/<br />
2003). Das teure Comotor-Projekt, mit dem man<br />
gemeinsam mit NSU Wankelmotoren herstellen<br />
wollte, war damit begraben. Auch das unerquickliche<br />
Zusammengehen mit Maserati wurde<br />
beendet, der SM eingestellt. Durch die fruchtlosen<br />
Projekte „F“ und M 35 bereits angeschlagen,<br />
ging’s der Firma jetzt an die Substanz. Doch bevor<br />
das Aus für <strong>Citroën</strong> kam, tat sich Großaktionär<br />
Michelin mit Peugeot zusammen, der PSA-<br />
Konzern entstand.<br />
<strong>André</strong> <strong>Citroën</strong> <strong>Club</strong>, Mainz, Ausgabe 1/<strong>2009</strong> Allen ACCM ein erfolgreiches Jahr - unter’m Doppelwinkel und persönlich !