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Protestforschung am Limit

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machen werden.“ Als das Publikum „Lügenpresse“-Parolen einstimmte, unterband Bachmanndiese durch „Neeein, Ruhe! Heute nicht!“ Die Demonstrierenden waren dabei genug diszipliniert,um die bislang auf den Pegida-Spaziergängen regelmäßig skandierte Unzufriedenheit über dieMedien schnell einzustellen (<strong>am</strong> 5. Januar 2015 beispielsweise gehörte der Slogan„Lügenpresse“ zu dem <strong>am</strong> häufigsten beobachteten).Das Publikum erschien von Beginn der Auftaktveranstaltung an so, als wolle es zu Sprechchörenanimiert werden. Die Stimmung war konzentriert und die Demonstrierenden hörten denAnsprachen ruhig und gebannt zu. Dabei sind es vor allem bestimmte Themen und Schlagworte,die vom Publikum bereitwillig aufgegriffen werden. Dazu gehören kritische Verweise auf Politikund Medien (die Reaktionen umfassen hier Buh-Rufe, Pfeifen und Pfui-Rufe), im konkreten aufPolitikerInnen, die sich öffentlich kritisch zur Pegida geäußert haben. Im Mittelpunkt der Kritiksowohl bei RednerInnen als auch Demonstrierenden standen insbesondere CDU-PolitikerInnenwie die Dresdener Oberbürgermeisterin Helma Orosz, der sächsische MinisterpräsidentStanislaw Tillich und die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Hier war Unmut vor allem über die <strong>am</strong>10. Januar durch Orosz und Tillich in Dresden organisierte Demonstration für Weltoffenheit undToleranz zu beobachten. Weitere zentrale Themen waren: die Weihnachts- undNeujahrsansprachen, das Eintreten für die Meinungsfreiheit, das Warnen vor der Einführung derScharia, Roland Kaisers Auftritt auf der Demonstration gegen die Pegida, das Einfordern derdirekten Demokratie, das Lob an Polizei und OrdnerInnen, die Forderung nach einer „Pflicht zurIntegration“ sowie die Abschiebung von „Isl<strong>am</strong>isten und religiösen Fanatiker jeder Couleur“, dieKritik an „der Kriegstreiberei, u.a. gegen Russland“ sowie die „irrwitzige Kontrolle aus Brüssel“(Bachmann). Hier sind auch die auf der Abschlusskundgebung von Frank Ingo Friedemannformulierten Vorwürfe gegen gewaltbereite (links-)„terroristische“ Gruppierungen zu nennen,die angeblich von „Dresden – Nazifrei“, dem DGB und linken Kräften organisiert sein sollen. Ammeisten Widerhall lösen lobende Worte über die Demonstrierenden seitens der RednerInnensowie der Verweis auf die stetig wachsende Zahl der Demonstrierenden aus, die trotz desschlechten Wetters und der Kritik in den Medien (sowie des angeblichen Drucks vonöffentlichen Stellen und ArbeitgeberInnen) jeden Montag zu der Demonstration kommen. Öfterfällt der Slogan „Dresden zeigt, wie‘s geht!“, auf den die Demonstrierenden mit dem Skandierender Parole „Wir sind das Volk“ reagieren; im regelmäßigen, lautstarken und gemeinschaftlichenArtikulieren dieses Satzes kommt das Gemeinschaftsgefühl unter den Demonstrierendenbesonders stark zum Ausdruck. Auch in größerem Abstand zur Bühne, wo die RednerInnen nichtmehr gut zu verstehen sind, wird diese Parole aufgegriffen und angestimmt. Gemäßigt fällt dieZustimmung dagegen dann aus, wenn die RednerInnen sich darum bemühen, besonderspolitisch korrekt zu wirken (was ebenso einen Unterschied zur Beobachtung vom 5. Januar 2015ausmacht), wenn also Kathrin Oertel klarzustellen versucht, die „Pegida ist weder isl<strong>am</strong>feindlich,noch ausländerfeindlich oder gar rassistisch.“ Illustrativ ist hier vor allem der AufrufBachmanns, „integrationswillige und sogar herzliche Muslime“ zu Veranstaltungen der Pegidaeinzuladen. In solchen Situation warten die RednerInnen auf eine Reaktion, die dann entwedersehr verhalten oder gar kritisch ausfällt – Bachmanns Aufforderung wird in den Gesprächenzwischen den Demonstrierenden eindeutig zurückgewiesen, eine laute und/ oder kollektiveReaktion bleibt jedoch aus.Während des „Spaziergangs“ befolgten die Demonstrierenden grundsätzlich die Bitte derOrganisatorInnen, sich ruhig zu verhalten. Eine Ausnahme bildete hier die Reaktion auf denVersuch der Gegendemonstrierenden, den „Spaziergang“ zu blockieren. Die Polizei hattezunächst Probleme, die Demonstration und Gegendemonstration zu separieren und reagiertehektisch – mehrere Gruppen von PolizistInnen in Vollmontur waren hier im Einsatz. Kurz schien43

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