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Protestforschung am Limit

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konnten sich JournalistInnen frei bewegen. Im Verlauf der Auftaktveranstaltung wurden dieseauch zunehmend ignoriert, weshalb sich die Distanz zu verringern schien. Auf dem„Spaziergang“ waren gelegentlich kritische Kommentare wie „Lügenpresse“ zu hören, aber auchscherzhafte Reaktion wie „Darf ich jemanden grüßen?“. Nach dem Zus<strong>am</strong>mentreffen mit denGegendemonstrierenden verschärfte sich das Verhältnis zur Presse. Die Demonstrierendenreagierten wieder gereizter. So wurden gegenüber PressevertreterInnen Vorwürfe formuliert,wie „Steht Nazi bei mir auf der Stirn?“.Das negative Verhältnis bestätigten auch die angesprochenen MedienvertreterInnen. Einitalienisches Fernsehte<strong>am</strong> berichtete von den Störungen mit den Lichtern und von denOrdnerInnen, die sie bei der Arbeit fotografierten, aber auch von der geringen Bereitschaft fürInterviews. JournalistInnen, die schon mehrmals Pegida-Demonstrationen begleitet haben,‚trösteten‘ ihre KollegInnen d<strong>am</strong>it, dass die Einstellung der Demonstrierenden in den Wochendavor aggressiver gewesen sein soll. Dies bestätigt auch der Eindruck, der <strong>am</strong> 5. Januar 2015gemacht wurde, als auf der Auftaktveranstaltung Kathrin Oertel in ihrer Rede dieDemonstrierenden immer wieder zum Anstimmen von „Lügenpresse“ oder „Lügenpresse, haltdie Fresse“-Sprechchören animierte. Die Pegida-OrganisatorInnen schienen d<strong>am</strong>it nach denAttentaten auf das Satiremagazin Charlie Hebdo (dieser 12. „Spaziergang“ war als Trauermarschdeklariert) und aufgrund des immensen Medieninteresses daran interessiert zu sein, keinenallzu aggressiven Eindruck zu hinterlassen. Dies konnte allerdings nicht über die große Distanzzu Medien hinwegtäuschen. Ausdruck des Misstrauens ist beispielsweise auch ein Plakat, dasnach der Rückkehr vom „Spaziergang“ im Eingangsbereich zum Veranstaltungsort ausgerolltwar: Es war die Überschrift „Lügenpresse“ zu sehen sowie der RTL Reporter, der sich <strong>am</strong> 15.Dezember 2014 ‚undercover‘ unter die Demonstrierenden mischte und für ein Interview mitdem vom NDR produzierten ARD-Magazin „Panor<strong>am</strong>a“ als Demonstrant ausgab. Verbalisiertwurde der Vorwurf an die Presse in der kritischen Abschlussrede Herrn Friedemanns.Wahrnehmung der Demonstrierenden durch das ForscherInnente<strong>am</strong>Die Methode der teilnehmenden Beobachtung ermöglicht das S<strong>am</strong>meln empirischen Materialsauch dann, wenn sich etwa Demonstrierende als wenig kooperativ erweisen. Gleichzeitig gibtman sich spätestens durch das Notieren der Geschehnisse (häufig auf einem Klemmbrett) alsexterne/r BeobachterIn zu erkennen. Deshalb berichteten auch Te<strong>am</strong>mitglieder, die derstrukturierten Demonstrationsbeobachtung zugewiesen wurden, von ihren Interaktionen mitden Demonstrierenden. Dabei hat etwa ein Drittel angegeben, von den Pegida-AnhängerInnenignoriert oder kritisch beäugt worden zu sein. Ein weiteres Drittel berichtete von negativenErfahrungen. Man sei abfälligen Kommentaren ausgesetzt gewesen (wie etwa „Lügenpresse“)und teilweise verbal beleidigt worden. Auch liegt ein Bericht vor, demzufolge ein Te<strong>am</strong> währenddes Notierens weggeschubst wurde. Eine Person gab an, den Block wegen Einschüchterungenweggepackt zu haben. Häufig half es, die Position zu wechseln, um ungestört seine Tätigkeitwiederaufnehmen zu können.Die Diversität der Demonstrierenden erklärt, wieso das letzte Drittel von positiven und garhumorvollen Reaktionen berichtete. Die Art der Interaktion zwischen Beobachtenden undPegida-AnhängerInnen hing wesentlich davon ab, mit wem man in Kontakt trat. MancheDemonstrierende (insbesondere die mittleren Alters) zeigten sogar ein Interesse an derUntersuchung, was sich an konkreten Nachfragen oder den Versuchen, die Notizen zu lesen,offenbarte. Gespräche wurden vor allem von VertreterInnen diverser Organisationen gesucht –47

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