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Protestforschung am Limit

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Die thematische Verteilung fiel dabei mit Abstand zugunsten politikkritischer sowiefremdenfeindlicher Äußerungen aus. Insbesondere in der Kategorie „Diversität/ Asyl/Isl<strong>am</strong>(ismus)“ häuft sich pauschal abwertendes und rassistisches Gedankengut. Aussagen wie„Isl<strong>am</strong> = Karzinom“ oder „Hass, Gewalt, Koran“ fallen wohl unter § 130 StGB (Volksverhetzung).In dieses Bild passt auch die vom Widerstandskämpfer Josef Wirmer entworfene Kreuzflagge,die auf der Demonstration mehrfach gesichtet wurde. Unabhängig vom Verweis der Pegida-OrganisatorInnen auf die Herkunft dieses Symbols aus dem Widerstand des 20. Juli 1944 wirdsie heute unter anderem von der rechtsextremen, isl<strong>am</strong>ophoben German Defense Leagueverwendet. Deutschlandflaggen (teilweise mit Aufschriften oder Symbolen wie dem Adler)waren in der großen Überzahl (weit über 100), gefolgt von Fahnen unterschiedlicherBundesländer (wie 10 Sachsens, 5 Thüringens, 3 Bayerns etc.) und Staaten (wie je 3 Frankreichsund Tschechiens, 1 Russlands, 1 Schwedens oder 1 Israels).Die über Plakat, Banner oder Flaggen visualisierten Postulate, Äußerungen oder Kritikpunktesind d<strong>am</strong>it ebenso vielfältig, wie die Demonstrierenden selbst. Neben der Forderung nach derAbschaffung der GEZ, um ‚Staatspropaganda‘ zu beenden, der einfachen Frage „Quo vadis?Wohin gehst du Deutschland?“ finden sich nicht wenige fremdenfeindliche undrechtspopulistische, teilweise – wenn auch selten – rechtsextreme Äußerungen bzw. Symbolewie die bereits erwähnte Kreuzflagge Wirmers, die heute in der rechten Szene ein bekanntesSymbol ist. Auffällig ist dabei die im Vergleich zu früheren Demonstrationen geringere Anzahlder letztgenannten ‚Widerstandsflagge‘, die <strong>am</strong> 5. Januar etwa von einerDemonstrierendengruppe mit Fackeln vielfach getragen wurde. Dabei liegt der Verdacht derEigenzensur nahe, den der Bericht einer Beobachtungsgruppe stützt. Zwei Helferinnen sind kurzvor der Abschlussveranstaltung mit Männern mittleren Alters in Kontakt gekommen, denen vonden OrganisatorInnen der Pegida-Demonstration untersagt wurde, ihren Banner derWissensmanufaktur auszurollen. Obwohl also die OrganisatorInnen darum bemüht waren, dasvisualisierte Meinungsspektrum der DemonstrantInnen zu kontrollieren, haben sich auch solcheÄußerungen gezeigt, die wohl dem ‚Kern‘ der Pegida-Bewegung zuzurechnen sind, der wenigerbereit ist mit Vertretern der Medien oder Wissenschaft zu sprechen. Trotz der Versuche also, imVergleich zu früheren Demonstrationen politisch korrekt zu wirken, finden sich eindeutigeHinweise auf rechtsextreme Demonstrierende und das Zurschaustellen „gruppenbezogenerMenschenfeindlichkeit“.Das Auftreten und die Interaktion mit den MedienDie ohnehin öffentlichkeitswirks<strong>am</strong>en Pegida-Demonstrationen haben sich <strong>am</strong> 12. „Spaziergang“eines besonders hohen medialen Interesses erfreut. Dabei ist das Verhältnis zwischenDemonstrierenden und JournalistInnen augenfällig angespannt. Viele K<strong>am</strong>erate<strong>am</strong>s stehenzunächst abseits. Die Demonstrierenden versuchen unabhängig davon den K<strong>am</strong>eras aus demWeg zu gehen. Wenn dennoch eine Annäherung erfolgt, war zu beobachten, dass dieK<strong>am</strong>eralinsen mit Fahnen oder Flugblättern verdeckt wurden. Regelmäßig versuchtenDemonstrierende auch, die K<strong>am</strong>eras mit Handyl<strong>am</strong>pen oder Fahrradlichtern zu blenden bzw. zustören. Zu beobachten war außerdem, dass OrdnerInnen K<strong>am</strong>erate<strong>am</strong>s während ihrer Arbeitfotografierten, was wie eine Art Kontrolle oder Drohung wirkte.Illustrativ für das distanzierte Verhältnis ist das Beispiel eines Te<strong>am</strong>s des ZDF, welches sicheinen stationären Platz eingerichtet hatte, um den die Demonstrierenden einen großen Bogenmachten; OrdnerInnen halfen dabei, diesen ‚Sicherheitsabstand‘ aufrechtzuerhalten. Dennoch46

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