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Biber Newcomer Dezember 2019

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DER TEUFEL

TRÄGT WEISS

Sexistische Witze, unerwünschte Berührungen,

Aufforderung zum Geschlechtsverkehr: Das

Image der Ärzte in Österreich ist längst nicht

so sauber wie ihr weißer Kittel. Zwei Opfer

brechen das Schweigen.

Von Florentina Glüxam, Fotos: Christoph Liebentritt

Eine Hand hält das Lenkrad fest,

die andere Sandras Oberschenkel.

Dr. Huber * lächelt,

so wie er es immer tut, wenn

er seine Mitarbeiterin gegen ihren Willen

berührt. Sandra * rückt ein kleines Stück

Richtung Fenster, in der Hoffnung, ihrer

misslichen Lage zu entfliehen. Vergeblich.

Seine Hand bleibt, wo sie ist. Nach

der kurzen Autofahrt, die sich für Sandra

wie eine Ewigkeit anfühlte, betreten

beide zusammen die Wohnung eines

Patienten. Als hätte das erniedrigende

Machtspiel von eben nicht stattgefunden.

Rund 60% der Studien anfänger-

*innen an der Medizinischen Universität

Wien letztes Jahr waren Frauen. Viele

von ihnen könnten in Situationen wie

Sandra geraten und am Arbeitsplatz

ihren männlichen Vorgesetzten ausgelifert

sein. Diagnose: sexuelle Belästigung.

„SEXY STIEFEL UND

SCHULMÄDCHENOUTFIT“

Sandra ist heute Anfang vierzig und

Allgemeinchirurgin in einem kleinen

Wiener Spital. Mehr möchte sie nicht

verraten. Zu groß ist die Angst vor der

Reaktion des mittlerweile pensionierten

Arztes. Die Annäherungen und anzüglichen

Bemerkungen schildert sie so

ausführlich, als hätten sie erst gestern

stattgefunden. Dabei startete sie 2003

Es hat drei oder vier

Wochen gedauert, da

hat er mir das erste

Mal erklärt, dass wir

doch miteinander

schlafen können.

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ihre verpflichtende Lehrpraxis in der Ein-

Mann-Ordination des Allgemeinmediziners,

in diesem Text Dr. Huber genannt.

„Es hat drei oder vier Wochen gedauert,

da hat er mir das erste Mal erklärt,

dass wir doch miteinander schlafen

können“, erinnert sie sich. Es blieb nicht

„nur“ bei verbalen Übergriffen. Sechs

Monate lang lebte die Chirurgin mit

der Angst und Ungewissheit, was der

nächste Arbeitstag bringen würde. Der

damals 50-jährige Dr. Huber erklärte ihr

unverblümt beim Bewerbungsgespräch,

warum er lieber Frauen anstelle: „Zwei

männliche Ärzte würden möglicherweise

einschüchternd auf Patientinnen

wirken.“ Allerdings war das nicht der

wahre Grund.

Sprüche zu Sandras Aussehen

standen während der Arbeitszeit an

der Tagesordnung. Als sie an einem

kalten Tag Winterstiefel trug, bezeichnete

Dr. Huber sie als „sexy Stiefel“ und

Macht, Manipulation und Einschüchterung

standen bei Dr. Huber an der Tagesordnung

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