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DER TEUFEL
TRÄGT WEISS
Sexistische Witze, unerwünschte Berührungen,
Aufforderung zum Geschlechtsverkehr: Das
Image der Ärzte in Österreich ist längst nicht
so sauber wie ihr weißer Kittel. Zwei Opfer
brechen das Schweigen.
Von Florentina Glüxam, Fotos: Christoph Liebentritt
Eine Hand hält das Lenkrad fest,
die andere Sandras Oberschenkel.
Dr. Huber * lächelt,
so wie er es immer tut, wenn
er seine Mitarbeiterin gegen ihren Willen
berührt. Sandra * rückt ein kleines Stück
Richtung Fenster, in der Hoffnung, ihrer
misslichen Lage zu entfliehen. Vergeblich.
Seine Hand bleibt, wo sie ist. Nach
der kurzen Autofahrt, die sich für Sandra
wie eine Ewigkeit anfühlte, betreten
beide zusammen die Wohnung eines
Patienten. Als hätte das erniedrigende
Machtspiel von eben nicht stattgefunden.
Rund 60% der Studien anfänger-
*innen an der Medizinischen Universität
Wien letztes Jahr waren Frauen. Viele
von ihnen könnten in Situationen wie
Sandra geraten und am Arbeitsplatz
ihren männlichen Vorgesetzten ausgelifert
sein. Diagnose: sexuelle Belästigung.
„SEXY STIEFEL UND
SCHULMÄDCHENOUTFIT“
Sandra ist heute Anfang vierzig und
Allgemeinchirurgin in einem kleinen
Wiener Spital. Mehr möchte sie nicht
verraten. Zu groß ist die Angst vor der
Reaktion des mittlerweile pensionierten
Arztes. Die Annäherungen und anzüglichen
Bemerkungen schildert sie so
ausführlich, als hätten sie erst gestern
stattgefunden. Dabei startete sie 2003
„
Es hat drei oder vier
Wochen gedauert, da
hat er mir das erste
Mal erklärt, dass wir
doch miteinander
schlafen können.
“
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ihre verpflichtende Lehrpraxis in der Ein-
Mann-Ordination des Allgemeinmediziners,
in diesem Text Dr. Huber genannt.
„Es hat drei oder vier Wochen gedauert,
da hat er mir das erste Mal erklärt,
dass wir doch miteinander schlafen
können“, erinnert sie sich. Es blieb nicht
„nur“ bei verbalen Übergriffen. Sechs
Monate lang lebte die Chirurgin mit
der Angst und Ungewissheit, was der
nächste Arbeitstag bringen würde. Der
damals 50-jährige Dr. Huber erklärte ihr
unverblümt beim Bewerbungsgespräch,
warum er lieber Frauen anstelle: „Zwei
männliche Ärzte würden möglicherweise
einschüchternd auf Patientinnen
wirken.“ Allerdings war das nicht der
wahre Grund.
Sprüche zu Sandras Aussehen
standen während der Arbeitszeit an
der Tagesordnung. Als sie an einem
kalten Tag Winterstiefel trug, bezeichnete
Dr. Huber sie als „sexy Stiefel“ und
Macht, Manipulation und Einschüchterung
standen bei Dr. Huber an der Tagesordnung
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