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„Sie spenden,
wir senden!“
„Die Leiden des jungen Todors“
Von Todor Ovtcharov
Techno Lenin
Diesen Monat werden es 30 Jahre
seit dem Fall der Berliner Mauer. Ich
spreche darüber mit Jana aus der
slowakischen Stadt Kosice. Jana
ist 53, im November 1989 war sie 23. Wie viele
anderen auf der falschen Seite des Eisernen
Vorhangs hat sie geglaubt, dass sie für immer in
der sozialistischen Tschechoslowakei leben wird.
Heute gibt es die Tschechoslowakei gar nicht
mehr und Jana arbeitet als Altenpflegerin in Wien.
Damals, im Jahr 1989, war sie eine junge Sekretärin
bei der Polizei in Kosice, sie war sozusagen
im Vorhof der Macht. Heute fühlt sie sich wie
eine Dienerin des Kapitalismus. „Wenn man kurz
vergessen kann, dass wir alle hinter dieser Mauer
eingesperrt waren, haben wir eigentlich ganz gut
gelebt! Niemand hatte nichts und trotzdem haben
wir es irgendwie geschafft ohne Neid zwischen
uns. Und das Beste war, dass niemand arbeiten
musste und wir trotzdem Gehälter bekamen!
Eine wunderschöne Zeit!“ Jana beschreibt auch
ihr heutiges Leben: „Ich habe keine Freunde, ich
lache nie. Ich arbeite und arbeite weiter. Ich kann
aber nicht mehr zurück nach Kosice, das ist schon
lange nicht mehr meine Heimat. Ich bin überall
eine Ausländerin, sowohl hier, als auch dort.“ Ich
lade sie zu einer Technodemo ein, doch sie kann
nicht kommen, da sie arbeiten muss.
Ich gehe zur Technodemo mit meinem Freund
Walter aus Graz. Als die Mauer fiel, war Walter
gerade mal so wie ich drei Jahre alt. Diese Demo
ist eine riesige Technoparade, die durch Wien
zieht. Jede halbe Stunde erscheint im führenden
LKW der Technokolonne ein tätowierter und
überall gepiercter junger Mann, der die Raver zur
Revolution anstiftet. Man soll gegen die gesamte
Gesellschaftsordnung aufstehen: gegen die
aufsteigenden Mieten, die wir uns als Normalsterbliche
nicht mehr leisten können, gegen die
inhumane Politik der geschlossenen Grenzen,
gegen die Hetze auf Minderheiten, gegen soziale
Kälte. Die Gesellschaft sei „verfault“. Eine Revolution
muss her. Und genau vor dreißig Jahren zerfiel
ein Regime, das durch Revolution an die Macht
gekommen war. Ein Regime, das auch von Freiheit
und Gleichheit gesprochen hat. Nach seiner feurigen
Rede fordert der Techno Lenin die Demoteilnehmer
zum Tanzen auf. Das ist viel leichter als
eine Revolution. Köpfe und Bierdosen schaukeln
im Takt. Auf den Gehsteigen stehen hunderte von
Polizisten, doch diese Protestierenden sind nicht
gewaltbereit. Sie werden keine Autos anzünden
und keine Schaufenster zerschmettern. Um 22
Uhr endet die Demo, alle werden die U-Bahn
nehmen und nach Hause fahren. Dann werden sie
ruhig in ihren überteuerten Wohnungen einschlafen.
Sie werden all das sein, wogegen sie sind.
Das erinnert mich an einem Freund, der sich
ein Haus in Bulgarien gekauft hatte. Er hat sehr
linke Überzeugungen. Er kaufte ein altes und
runtergekommenes Haus und heuerte Arbeiter an
um es zu renovieren. Er war aber nicht zufrieden
mit den Konditionen unter welchen die Arbeiter
angestellt waren und forderte sie zum Streik auf.
Bis ihm einfiel, dass er ihr Arbeitgeber ist. Es war
aber schon zu spät. ●
19.–24.12.
Villach
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„Wo jeder
Wunsch-Hit
hilft!“
90 / MIT SCHARF /