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HOCH
SENSIBEL
Ist Hochsensibilität ein Instagram-Trend, ein ernsthaftes
neurologisches Phänomen oder einfach nur
Ausrede für irrationales Verhalten? Drei junge Frauen
erzählen darüber, wie es sich anfühlt, mehr zu fühlen.
Von Jelena Colic, Fotos: Maximilian Salzer
Hochsensible fühlen mehr
als andere Menschen.
Superkraft oder Bürde?
Als ich vor der Venus von Botticelli in Florenz
gestanden bin, habe ich geweint, weil das
Gemälde so schön ist“, erzählt mir Sophie. Beim
Musik-Eignungstest für die Pädagogische Hochschule
hatte die 25-jährige Pädagogin und Fotografin ein
Blackout beim Klaviervorspielen, obwohl sie gut vorbereitet
war. Eine dort anwesende Professorin hat ihr vorgeschlagen,
sich in Hochsensibilität einzulesen – und Sophie fand endlich
eine Erklärung für ihre „Besonderheit.“ Auf ihrem Instagram
Account „ssein“ spricht sie offen darüber und will ihren über
Followern Mut machen, Hochsensibilität als Superkraft anzusehen.
Sophies Instagram-Feed besteht nicht nur aus ästhetischen
Bildern, sie geht in ihren Captions und Stories auch
offen damit um, wenn es ihr nicht gut geht. Es geht nicht
darum, die heile Instagramwelt aufrechtzuerhalten. Sondern
darum, offen zu der Verletzlichkeit zu stehen und es in einer
Art digitalem Tagebuch festzuhalten. So erzählt sie auf dem
Kanal offen darüber, dass sie als Lehrerin der Gedanke vor
dem bevorstehenden Elternabend in Panik versetzt, oder
welche Alltagssituationen sie überfordern.
Gleichzeitig teilt sie mit ihren Followern auch
fröhliche Tanz-Videos, wenn ihre Laune ein
Hoch erlebt.
Bloggerin, Autorin und Aktivistin dariadaria
tut es ihr gleich. In zahlreichen Instagramstories
erzählt sie vom Leben als Hochsensible.
Dariadaria spricht darüber, wie schwierig es
ist, als HSP (hochsensible Person) gleichzeitig
politisch engagiert und Aktivistin zu sein.
Sie ist oft mit Situationen konfrontiert, die
Unbehagen in ihr auslösen, wie vor einem
großen Publikum sprechen oder mit Menschen
zu interagieren, die weniger empathisch
sind als sie selbst. In ihren Stories erklärt sie
aber auch wissenschaftlich Hochsensibilität
und erklärt, dass erhöhte Stresshormonwerte
üblich bei HSP sind und HSP öfter an Migräne
US Forscherin und Psychologin
Elaine Aron ist Pionierin
auf dem Gebiet der
Erforschung von Hochsensibilität.
1995 erforscht sie
die „sensory processing
sensitivity“ und prägt mit
ihrem Buch „The Highly
Sensitive Person (HSP) –
How to Thrive When the
World Overwhelms you“
maßgeblich das Verständnis
von Hochsensibilität.
Aron geht davon aus, dass
15-20% der Bevölkerung
hochsensibel sind.
oder chronischer Müdigkeit leiden, als nicht hochsensible
Personen. Mit ihren informativen Stories leistet sie Aufklärungsarbeit
und möchte den Begriff Hochsensibilität entstigmatisieren.
Tatsächlich: Immer mehr Instagrammer „outen“ sich als
Hochsensibel – psychische Gesundheit wird in den letzten
Jahren zunehmend wichtiger. Psychische Erkrankungen werden
in den Alltag integriert und weniger als Krankheit oder
Abnormalität betrachtet als noch vor einer Dekade. Aber wo
ist die Grenze zwischen #selflove, #selfcare und einer ernsthaften
neurologischen Diagnose?
SUPERKRAFT ODER BÜRDE?
„Hochsensibilität ist keine Krankheit, sondern ein Wesensmerkmal.
Deshalb braucht es keine Diagnose. Hochsensible
können durch Selbstfürsorge und Selbstführung lernen,
mit der hohen Sensibilität umzugehen“, erklärt Iris Lasta,
psychologische Beraterin und Coach. In ihrer Praxis erklärt
Lasta Hochsensiblen in geschütztem Rahmen, dass sie in
Ordnung sind, so wie sie sind und stärkt
somit ihr Selbstbewusstsein. Leugner der
Hochsensibilität glauben immer noch, dass
Hochsensibilität nur ein übersteigertes Maß
an Emotionalität bedeutet und keine Berechtigung
hat. Mehrere Studien von der amerikanischen
Psychologin und Pionierin auf dem
Gebiet der Hochsensibilität Elaine Aron durch
funktionale MRT beweisen aber, dass jene
Areale im Gehirn, die für Empathie, Wahrnehmungsfähigkeit
und Handlungsplanung
verantwortlich sind, bei Hochsensiblen eine
höhere Aktivität anzeigen, als bei nicht Hochsensiblen.
Was laut dieser Erklärung eigentlich
Hochsensible zu „fähigeren“ Menschen
machen sollte, als Nicht-Hochsensible. Aber
von außen wird es oft anders betrachtet.
Wie negativ konnotiert das Wort sensi-
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