PERFORMANCE - Der perfekte Wind Kitesurfen ist ein Vabanquespiel mit dem Wind. Bei dem die Spieler immer und alles auf Grün setzen. Nur allzu oft kommt Blau. Wie man persönlich Einfluss auf diese Farbwahl nehmen kann, verrät uns der DWD Grün ist die Hoffnung: Wenn der Bildschirm in diesen Farben erstrahlt ist Vollgas angesagt. Dann ballert es an der gesamten Nordseeküste 52 KITEBOARDING 9 | 2010
Text_Sabine Schmidt rhöhter Puls, Kribbeln im Bauch, Unruhe - diese Symptome kennt jeder Windsportler beim Blick ins Grüne. Denn diese Farbe bedeutet bei Windfi nder, Muchoviento und Co. Wind. Und Wind bedeutet Lust. Das emotionale Gegenteil ist blau. Blau heißt Flaute, und Flaute ist Frust. Wenn die Leidenschaft derart vom Wind abhängig ist, dann greift dessen Vorhersage regelmäßig und tief ins Gefühlsleben ein. Bestimmt Urlaube und Wochenenden, stundenlange Autofahrten, Vorfreude und Laune, ja mitunter sogar Beziehungen. Hinter Windstärke und -richtung wiederum stecken alles andere als Launen der Natur, sondern knallharte Regeln. Deren genaue Kenntnis und Einschätzung kann erheblich helfen, Frust zu vermeiden, wie Windexpertin Sabine Schmidt vom DWD weiß. Deshalb lädt sie uns auf den folgenden Seiten zu einem Kurzstudium in Sachen Wind ein. Bitte einschreiben - aus Blau mach Grün! Wind ist ein Massestrom. Eine Bewegung also, die stetig auf der Suche nach dem Ausgleich zwischen hohem und tiefem Luftdruck ist. Ursache für das Bestehen unterschiedlichen Luftdrucks und zugleich aller wetterwirksamen Systeme auf unserem Planeten ist die Sonne. Sie sorgt mit ihrer Strahlung dafür, dass sich die Luft der Erde erwärmt. Durch die Neigung der Erde zur Sonne und ihre Rotation um die eigene Achse erwärmt sich die Luft jedoch nicht überall gleichermaßen. Am Äquator etwa steht die Sonne fast senkrecht und kann nahezu ungehindert auf die Erde einstrahlen. So erwärmt sich die Luft sehr schnell, dehnt sich aus, wird leichter und steigt auf. Der Druck auf die umliegenden Luftschichten nimmt ab, der Luftdruck fällt. „Gestatten: Wind“ Kältere Luft hat hingegen eine größere Dichte als warme Luft. Sie ist schwerer und sinkt ab. Der Druck auf die umliegenden Schichten nimmt zu, der Luftdruck steigt. Durch die unterschiedliche Erwärmung der Erde durch die Sonne entstehen also Gebiete mit unterschiedlich hohem Luftdruck. Es entwickelt sich ein Druckgefälle vom hohen zum tiefen Luftdruck, der sogenannte Druckgradient. Er ist der Motor für die Entstehung von Luftstrom zwischen einem Gebiet mit hohem Druck und einem Gebiet mit niedrigem Druck. Dabei geht es immer vom hohen in Richtung des tiefen Luftdrucks. Je größer der Unterschied zwischen den Luftdrücken ist, umso heftiger strömen die Luftmassen in das Gebiet mit dem niedrigeren Luftdruck und umso stärker ist die Luftbewegung – das ist der Wind! Neben dem Druckgradient wirken aber noch andere Kräfte auf den Wind, zum Beispiel die sogenannte Corioliskraft. Sie entsteht durch die Rotation der Erde um ihre eigene Achse. Am Äquator dreht sich die Erde schneller als an den Polen. Bewegt sich also ein Luftpaket auf seinem Weg vom hohen zum niedrigen Luftdruck, aus seiner Ursprungsregion heraus, behält es seine Geschwindigkeit bei. Die Drehgeschwindigkeit der Erde hingegen ändert sich. Ein Luftpaket das sich von Norden nach Süden bewegt, ist also langsamer als die Erde unter ihm und wird scheinbar nach Westen abgelenkt (siehe Bild 2 – Linksdrehung von Zyklonen auf der Nordhalbkugel). Bewegt es sich von Süden nach Norden verhält es sich umgekehrt. Das Luftpaket ist schneller als die Drehgeschwindigkeit der Erde und wird scheinbar nach Osten abgelenkt. Somit sorgt die Corioliskraft auf der Nordhalbkugel für eine Ablenkung des Windes nach rechts und auf der Südhalbkugel nach links. Zudem bewirkt sie, dass sich die Luft um die Druckgebiete herum bewegt und nicht dem Verlauf des Druckgradienten folgend in das jeweilige Zentrum hinein strömt. Hochdruckgebiete (Antizyklone) bewegen sich in unseren Breitengraden also im Uhrzeigersinn, Tiefdruckgebiete (Zyklone) entgegen dem Uhrzeigersinn. Würden nur die Druckgradientkraft und die Corioliskraft auf den Wind wirken, käme es nie zu einem Druckausgleich. Der Wind würde nicht aufhören zu wehen. Wir könnten jeden Freitagnachmittag mit der Gewissheit ans Meer fahren, bis Sonntagabend etliche Stunden auf dem Wasser zu haben. Ein Traum für Kitesurfer, gäbe es da nicht die Reibungskraft. Sie sorgt dafür, dass der Wind in den bodennahen Schichten durch die unterschiedliche Beschaffenheit der Erdoberfl äche abgebremst wird. Durch diese Reibung wird die Corioliskraft ausgebremst. Der Wind kann also in das Zentrum des Tiefdruckgebietes einströmen und den Druckausgleich herstellen. Wind entsteht aus mehreren Kräften: Die Druckgradientkraft wirkt zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten und ruft den Druckausgleich hervor. Die Corioliskraft lenkt die Luftströmung ab. Die Reibungskraft drosselt den Wind in den erdbodennahen Luftschichten, bremst die Corioliskraft und verursacht so den eigentlichen Druckausgleich. Linksdrehung von Zyklonen auf der Nordhalbkugel (vereinfacht) 1. 2. 3. 4. T Druckgradientkraft Coriolis-Kraft Wind T Doch was bedeutet das für die Praxis? Wie kann man den Wind in den Wetterkarten fi nden, wie das Kartenmaterial selbst interpretieren und eine eigene Windvorhersage für das Wochenende zusammenstellen? Das ist für Kiter die wichtigste Frage. Orte gleichen Luftdrucks werden in den Wetterkarten mit Linien verbunden. Diese Linien werden in der Meteorologie als Isobaren bezeichnet. Dargestellt werden sie in Abständen von fünf Hektopascal (hPa), der Maßeinheit des Luftdrucks. Je näher die Isobaren aneinander liegen, desto größer ist das Gefälle und desto stärker weht der Wind. Liegen die Isobaren um den Kern eines Tiefdruckgebietes, also sehr eng beieinander, kann man - mit dem T T insgesamt Linksdrehung (gegen den Uhrzeigersinn) 53