Korruptionsstrafrecht Innenrevisoren - Justizakademie Nordrhein ...
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<strong>Justizakademie</strong> NRW<br />
Skript zum Vortrag<br />
„<strong>Korruptionsstrafrecht</strong><br />
für Innenrevisor/Innen in der Justizverwaltung“<br />
am 09.10.2006<br />
Ltd. Oberstaatsanwalt Ralph Klom, Arnsberg<br />
Mit unserer Erde geht es abwärts. Bestechung und Korruption<br />
breiten sich aus. Die Kinder folgen ihren Eltern nicht<br />
mehr. Der Untergang der Welt steht offensichtlich bevor!<br />
Inschrift aus Mesopotamien, ca. 1700 vor Christus
<strong>Korruptionsstrafrecht</strong><br />
Referent und Copyright: Ltd. Oberstaatsanwalt Ralph Klom, Münster<br />
<strong>Korruptionsstrafrecht</strong>_fuer_<strong>Innenrevisoren</strong>.doc<br />
Seite 2<br />
Inhalt und Aufbau des Referats<br />
1 Korruption als kriminologisches Phänomen<br />
(z. B. Motive des Korruptionsbekämpfungsgesetzes von 1997)<br />
2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
(z. B. Amtsträgerbegriff, Unrechtsvereinbarung, Rechtswidrigkeit der<br />
Diensthandlung)<br />
3 Vorteilsannahme und –gewährung<br />
(z. B. Belohnung rechtmäßiger Dienstausübung, Genehmigung durch<br />
die Behörde, Sozialadäquanz, Drittmittelforschung, Sponsoring)<br />
4 Strafrechtliche Sanktionsformen<br />
(z. B. Strafen, Bußgelder, Vermögensabschöpfung, Nebenfolgen)<br />
5 Außerstrafrechtliche Sanktionierung<br />
(z. B. Disziplinarrecht, Arbeitsrecht, Steuerrecht)<br />
6 Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren<br />
(z. B. Anfangsverdacht, Verhaftung, Telefonüberwachung, Einsatz sonstiger<br />
technischer Mittel, Amtshilfe)<br />
Anhang Straftaten im Amt<br />
(z. B.: Verfolgung Unschuldiger, Falschbeurkundung im Amt, Verletzung<br />
des Dienstgeheimnisses, Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen,<br />
Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat)
<strong>Korruptionsstrafrecht</strong><br />
Referent und Copyright: Ltd. Oberstaatsanwalt Ralph Klom, Münster<br />
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Seite 3<br />
1 Korruption als kriminologisches Phänomen<br />
1.1. Begriffsbestimmung (SEITE 1)<br />
Wer auf der Schule Latein hatte, erinnert sich vielleicht noch an<br />
corrumpo, rupi, ruptus: zusammenbrechen, beschädigen,<br />
verletzen, verderben, verunstalten,<br />
fälschen, verführen, bestechen, verleiten.<br />
Wenn Ihnen Ihr Computer schon einmal über Datenkorruption berichtet<br />
hat, dann war der Zusammenbruch, das Verderben der Daten<br />
gemeint. Bei uns geht es heute um Verführung, Bestechung und<br />
Verleitung, die – wenn sie nicht ausreichend bekämpft wird – ihrerseits<br />
zum Zusammenbruch und Verderben eines ganzen Staatswesens<br />
führen kann.<br />
Den Begriff „Korruption“ wird man im Strafgesetzbuch vergebens<br />
suchen. Er ist war lange Zeit bis vor wenigen Jahren kein gesetzestechnischer<br />
Begriff, sondern er beschrieb und beschreibt ein kriminologisches<br />
Phänomen, das eine Fülle von unterschiedlichen Gesetzestatbeständen<br />
aus dem materiellen und prozessualen Strafrecht – aber auch<br />
aus anderen Rechtsgebieten - betrifft.<br />
Korruption bezeichnet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Strafverfolger<br />
Straftaten, bei denen Amtsinhaber ihre Position und die ihnen<br />
übertragenen Befugnisse dazu ausnutzen, sich oder Dritten materielle<br />
oder immaterielle Vorteile zu verschaffen.<br />
Der Begriff des Amtsinhabers in diesem Sinne geht weit über öffentlich<br />
Bedienstete (Amtsträger) hinaus. Korruption gibt es auch – und vermutlich<br />
vor allem – in der Wirtschaft und beschreibt in erster Linie das<br />
Schmieren des Mitarbeiters eines Unternehmens, damit er gegen die<br />
Interessen der eigenen Firma das Unternehmen des Vorteilsgebers bevorzuge.<br />
Wir verwenden den Begriff „Amtsträger“ im Folgenden mit der Beschränkung<br />
auf den öffentlichen Dienst.
<strong>Korruptionsstrafrecht</strong><br />
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Seite 4<br />
1 Korruption als kriminologisches Phänomen<br />
1.1. Begriffsbestimmung (Seite 2)<br />
Schutzgut der den öffentlichen Dienst betreffenden<br />
Korruptionsdelikte ist in erster Linie das<br />
Vertrauen des Bürgers in die Lauterkeit und<br />
Unbestechlichkeit der öffentlichen Verwaltung.<br />
Klassische Korruptionsdelikte (im öffentlichen Dienst) sind die Beste-<br />
chungstatbestände der §§ 332 und 334 StGB, mit denen das Gesetz das<br />
Schmieren eines Amtsträgers zur Belohnung oder Herbeiführung<br />
pflichtwidriger Diensthandlungen mit Strafe bedroht.<br />
Doch auch das Schmieren eines Amtsträgers für rechtmäßige Dienstausübung<br />
erfüllt in der Person des Vorteilsgebers und des Vorteilsempfängers einen<br />
Straftatbestand (§§ 331, 333 StGB), weil allein hierdurch das Vertrauen des<br />
Bürgers in die Lauterkeit und Unbestechlichkeit der öffentlichen Verwaltung<br />
beeinträchtigt wird.<br />
Schutzgut der die Privatwirtschaft schützenden Straftatbestände<br />
ist in erster Linie das<br />
Funktionieren eines freien und lauteren<br />
Wettbewerbs.<br />
Die entsprechenden Straftatbestände finden Sie in den §§ 298 StGB<br />
(Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen)<br />
und 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen<br />
Verkehr). Sie sind nicht Gegenstand dieses Referates.
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1 Korruption als kriminologisches Phänomen<br />
1.1. Begriffsbestimmung (Seite 3)<br />
Das Dilemma der Strafverfolger liegt in dem abstrakten<br />
Charakter der vorgenannten Schutzgüter begründet. Wo<br />
bleibt der konkret Geschädigte, der ein Interesse daran ha-<br />
ben könnte, sein Wissen in den Dienst der Strafverfolgung<br />
zu stellen?<br />
Korruption ist daher meistens ein Kontrolldelikt, dass nur<br />
dann strafrechtlich geahndet werden kann, wenn Be-<br />
triebsabläufe einer gezielten – internen oder externen -<br />
Kontrolle unterworfen werden, um korruptionsrelevante<br />
Sachverhalte aufzudecken. Erst wenn so der Einstieg ge-<br />
schafft wird, kann nach dem sog. Dominoeffekt mit Aussa-<br />
gen Beteiligter gerechnet werden, die zur strafrechtlichen<br />
Erfassung eines Gesamtgeflechtes führen können.
<strong>Korruptionsstrafrecht</strong><br />
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Seite 6<br />
1 Korruption als kriminologisches Phänomen<br />
1.2 Das Korruptionsbekämpfungsgesetz von 1997<br />
Richtig populär und medienwirksam ist die Korruptionsbekämpfung durch das<br />
Korruptionsbekämpfunggesetz von 1997 geworden, das ich Ihnen an dieser<br />
Stelle gerne vorstellen möchte.<br />
1.2.1 Der Entwurf der Bundesregierung vom 05.12.1996:<br />
Das Gesetz sollte bewirken,<br />
• der Korruption in jeder Form vorzubeugen<br />
(Änderungen des Dienstrechts) und<br />
• Korruptionsfälle wirksamer zu bekämpfen<br />
(Änderungen des Strafrechts).<br />
Im dienstrechtlichen Teil wurden gesetzliche Maßnahmen im<br />
Nebentätigkeitsrecht,<br />
beim Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken sowie<br />
im Disziplinarrecht vorgeschlagen.<br />
Der strafrechtliche Teil sollte vier Säulen haben:<br />
• Erweiterung der tatbestandlichen Voraussetzungen der klassischen<br />
Bestechungsdelikte<br />
• Erhöhung der Strafandrohungen<br />
• Übernahme der Angestelltenbestechung aus dem UWG in das StGB<br />
• Einführung des neuen Straftatbestandes gegen<br />
wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen.<br />
Um Beamten einen Anreiz zu geben, ihre eigenen und die Taten anderer<br />
zu offenbaren, sollte in die Bundesdisziplinarordnung eine Regelung<br />
aufgenommen werden, die solche „Kronzeugen“ vor den nachteiligen<br />
Folgen des Wegfalls ihrer Pensionen schützt.
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Seite 7<br />
1 Korruption als kriminologisches Phänomen<br />
1.2 Das Korruptionsbekämpfungsgesetz von 1997<br />
1.2.2 Die Stellungnahmen der betroffenen Berufsverbände:<br />
• Deutscher Beamtenbund,<br />
• Deutscher Gewerkschaftsbund und<br />
• Deutscher Richterbund<br />
wehrten sich nicht gegen die Regelungen an sich, wohl aber gegen<br />
die Verquickung dienstrechtlicher und strafrechtlicher Aspekte in<br />
einem Gesetz.<br />
Sie befürchteten, es könne der – unzutreffende – Eindruck entste-<br />
hen, als seien Beamte grundsätzlich korrupt und als sei die Neben-<br />
tätigkeit von Beamten ein Indikator für Korruption.<br />
1.2.3 Die Stellungnahme des Bundesrates:<br />
Der Bundesrat hatte diverse, an dieser Stelle nicht interessierende<br />
Bedenken, schlug aber eine echte Kronzeugenregelung vor. Ferner<br />
war er der Meinung, die Angestelltenbestechung müsse immer von<br />
Amts wegen und nicht nur auf Antrag verfolgbar sein.<br />
Er hielt es ferner für erforderlich, die Bestechungstatbestände in<br />
den Katalog derjenigen Delikte aufzunehmen, bei denen eine Tele-<br />
fonüberwachung (TÜ) statthaft ist (§ 100 a StPO).
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1 Korruption als kriminologisches Phänomen<br />
1.2 Das Korruptionsbekämpfungsgesetz von 1997 (Seite 3)<br />
1.2.4 Die Gegenäußerung der Bundesregierung:<br />
Die Bundesregierung hielt eine Kronzeugenregelung nicht für er-<br />
forderlich, weil demjenigen, der aussagebereit sei, auch nach gel-<br />
tendem Recht bei der Sanktionierung seiner eigenen Taten entge-<br />
gengekommen werden könne (§§ 153 ff. StPO).<br />
Das Anliegen, die Bestechungsdelikte in den TÜ – Katalog aufzu-<br />
nehmen, hielt die Bundesregierung demgegenüber für berechtigt.<br />
1.2.5 Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses:<br />
Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages empfahl in An-<br />
erkennung der Bedenken der Berufsverbände zwei Gesetze, näm-<br />
lich<br />
• ein Gesetz zur Bekämpfung der Korruption und<br />
• ein Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften, das sog.<br />
Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz.<br />
Dieser Empfehlung leistete der Deutsche Bundestag Folge. Die we-<br />
sentlichen Bestimmungen des Korruptionsbekämpfungsgesetzes<br />
werden Ihnen im Folgenden vorgestellt.
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1 Korruption als kriminologisches Phänomen<br />
1.2 Das Korruptionsbekämpfungsgesetz von 1997<br />
1.2.6 Die wesentlichen Änderungen des Straf- und<br />
Strafverfahrensrechts:<br />
(1) Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen<br />
§ 298 StGB<br />
(2) Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr<br />
§§ 299 – 302 StGB<br />
(3) Einbeziehung der Drittzuwendungen in die Bestechungsddelikte<br />
§§ 331 – 334 StGB<br />
(4) Erweiterung des Sraftatbestandes der Vorteilsgewährung auf Diensthandlungen,<br />
zu deren Vornahme der Amtsträger verpflichtet ist<br />
§ 333 StGB<br />
(5) Einbeziehung der nachträglichen Zuwendungen in den Straftatbestand<br />
der Vorteilsgewährung<br />
§ 333 StGB<br />
(6) Strafrahmenerhöhung bei Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung<br />
§§ 331, 333 StGB<br />
(7) Strafzumessungsregelung für besonders schwere Fälle der<br />
Bestechlichkeit und Bestechung<br />
§§ 332, 334 StGB<br />
(8) Amtsträgereigenschaft bei Erfüllung öffentlicher Aufgaben in<br />
privatrechtlicher Organisationsform<br />
§ 11 StGB<br />
(9) Überwachung des Fernmeldeverkehrs<br />
§ 100 a StPO<br />
(led. in Form einer Absichtserklärung im Rahmen einer künftigen Neugestaltung<br />
des § 100 a StPO; bis jetzt noch nicht umgesetzt); s. aber § 100 c<br />
StPO: Einsatz technischer Mittel ohne Wissen des Betroffenen jetzt auch<br />
bei §§ 332 / 334 StGB.
<strong>Korruptionsstrafrecht</strong><br />
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Seite 10<br />
2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.1 Systematik (Seite 1)<br />
Das Strafgesetzbuch unterscheidet zwischen Bestechlichkeit<br />
(§ 332, auch passive Bestechung genannt) und Bestechung<br />
(§ 334, auch aktive Bestechung genannt).<br />
Die Vorschriften haben folgenden Wortlaut:<br />
StGB § 332 Bestechlichkeit<br />
(1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter,<br />
der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung<br />
dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung<br />
vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine<br />
Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe<br />
von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen<br />
ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Der<br />
Versuch ist strafbar.<br />
(2) Ein Richter oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen<br />
Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt,<br />
daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig<br />
vornehme und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzt hat oder<br />
verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren<br />
bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von<br />
sechs Monaten bis zu fünf Jahren.<br />
(3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige<br />
Handlung fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, so sind die Absätze<br />
1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er sich dem anderen gegenüber<br />
bereit gezeigt hat,<br />
1. bei der Handlung seine Pflichten zu verletzen oder,<br />
2. soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei Ausübung<br />
des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen.
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2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.1 Systematik (Seite 2)<br />
StGB § 334 Bestechung<br />
(1) Wer einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders<br />
Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr einen Vorteil für<br />
diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht<br />
oder gewährt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig<br />
vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen<br />
würde, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren<br />
bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu<br />
zwei Jahren oder Geldstrafe.<br />
(2) Wer einem Richter oder Schiedsrichter einen Vorteil für diesen oder<br />
einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt,<br />
daß er eine richterliche Handlung<br />
1. vorgenommen und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzt hat<br />
oder<br />
2. künftig vornehme und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzen<br />
würde,<br />
wird in den Fällen der Nummer 1 mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis<br />
zu fünf Jahren, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe von sechs<br />
Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar.<br />
(3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige<br />
Handlung anbietet, verspricht oder gewährt, so sind die Absätze 1 und 2<br />
schon dann anzuwenden, wenn er den anderen zu bestimmen versucht,<br />
daß dieser<br />
1. bei der Handlung seine Pflichten verletzt oder,<br />
2. soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei der<br />
Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen läßt.
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Seite 12<br />
2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.1 Systematik (Seite 3)<br />
Strafbarkeit des Amtsträgers<br />
als direkter oder indirekter Vorteilsempfänger<br />
für eine rechtswidrige Diensthandlung<br />
(Bestechlichkeit gem. § 332 StGB)<br />
Strafbarkeit des Außenstehenden<br />
als Vorteilsgeber<br />
für eine rechtswidrige Diensthandlung<br />
(Bestechung gem. § 334 StGB)<br />
Ergänzende Bestimmungen:<br />
• 336: Unterlassen der Diensthandlung<br />
steht der Vornahme gleich<br />
• 337: Schiedsrichtervergütung<br />
(Klarstellung, dass nur einseitige Zahlungen hinter dem<br />
Rücken der anderen Partei eine Strafbarkeit<br />
begründen.)
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Seite 13<br />
2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.2 Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen<br />
2.2.1 Täter der Bestechlichkeit bzw Objekt der Bestechung<br />
2.2.1.1 Amtsträger (Seite 1):<br />
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB:<br />
Im Sinne dieses Gesetzes ist Amtsträger, wer nach deutschem<br />
Recht<br />
a) Beamter oder Richter ist,<br />
b) in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder<br />
c) sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde 1 oder bei einer sonstigen<br />
Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung<br />
unbeschadet der zur Augabenerfüllung gewählten Organisationsform<br />
2 wahrzunehmen.<br />
a) Beamter:<br />
Wer nach deutschem Recht kraft einer Ernennungsurkunde zum Beamten ernannt<br />
wurde (z. B. gem. §§ 2, 8 LBG)<br />
In der Justiz also alle Staatsanwälte, Wirtschaftsreferenten, Amtsanwälte,<br />
Rechtspfleger, Kostenbeamte, Fahndungssachbearbeiter, Gerichtsvollzieher.<br />
Gerichtshelfer beginnen als Angestellte, Buchhalter und Systemverwalter sind<br />
immer Angestellte. Wer in der Geschäftsstelle arbeitet kann Beamte(r) oder<br />
Angestellte(r) sein. Wer wie ein Wachtmeister aussieht kann Beamter oder Justizhelfer<br />
(Justizarbeiter) sein.<br />
Der Beamte ist immer tauglicher Täter der Bestechlichkeit, egal wie<br />
unbedeutend seine Arbeit ist.<br />
Richter:<br />
Wer nach deutschem Recht Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter ist.<br />
(§ 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB)<br />
b) Sonstiges öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis:<br />
z. B. Minister, Notare,<br />
z.B. nicht: Abgeordnete (!), Kirchenbeamte, Rechtsanwälte<br />
1 Auch Gerichte, wenn es um Justizverwaltung geht<br />
2 Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13.08.1997
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2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.2 Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen<br />
2.2.1 Täter der Bestechlichkeit bzw Objekt der Bestechung<br />
2.2.1.1 Amtsträger (Seite 2):<br />
c) Bestellte für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung:<br />
Angestellte, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (in Ab-<br />
grenzung zu Gesetzgebung, Rechtsprechung und rein privater Tätigkeit).<br />
Also die<br />
• hoheitliche Ausübung staatlicher Anordnungs- und Zwangsgewalt<br />
• aber auch (schlicht hoheitliche) Daseinsvorsorge und sogar<br />
• - mit Einschränkungen - erwerbswirtschaftlich-fiskalische Betätigung.<br />
Anders als beim Beamten muss der Angestellte eine selbständige und<br />
eigenverantwortliche , wenngleich nicht eine gehobene oder schwierige<br />
Tätigkeit ausüben. Rein untergeordnete Hilfstätigkeiten (etwa Reini-<br />
gungsarbeiten, reine Schreibtätigkeiten, Kraftfahrer) begründen eine<br />
Amtsträgereigenschaft nicht.<br />
- „Sonstige Stellen“ sind – ungeachtet der Organisationsform – alle Stellen, die<br />
Behörden gleich zu achten sind. Damit können auch Personengesellschaften des<br />
Privatrechts „sonstige Stelle“ sein. Voraussetzung ist jedoch, dass sie derartig<br />
staatlicher Steuerung unterliegen, dass sie bei Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden<br />
Merkmale gleichsam als „verlängerter Arm“ des Staates erscheinen.<br />
„Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben bestellt“ ist, wer durch eine über den<br />
einzelnen Auftrag hinausgehende längerfristige Tätigkeit oder durch organisatorische<br />
Eingliederung in die Behördenstruktur jeweils als Repräsentant des Staates<br />
erkennbar ist. Ein unmittelbar auf die Person bezogener Bestellungsakt ist dann<br />
nicht erforderlich, wenn die betreffende Stelle zwar eine juristische Person des<br />
Privatrechts ist, aber kraft öffentlich-rechtlichen Vertrages zur Wahrnehmung von<br />
Aufgaben der öffentlichen Verwaltung besonders berufen ist und staatlicher<br />
Steuerung und Kontrolle unterliegt.
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Seite 15<br />
<br />
2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.2 Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen<br />
2.2.1 Täter der Bestechlichkeit bzw Objekt der Bestechung<br />
2.2.1.2 Ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter<br />
§ 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB:<br />
Im Sinne dieses Gesetzes ist für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter:<br />
wer, ohne Amtsträger zu sein<br />
a) bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen<br />
Verwaltung wahrnimmt, oder<br />
b) bei einem Verband oder sonstigem Zusammenschluss, Betrieb oder Unternehmen,<br />
die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der<br />
öffentlichen Verwaltung ausführen,<br />
beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten<br />
aufgrund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist.<br />
Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen<br />
Verpflichtungsgesetz (VerpflG)<br />
BGBl I 1974, 469, 547<br />
Fassung vom 15. August 1974, gültig ab 1. Januar 1975<br />
VerpflG § 1<br />
(1) Auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten soll verpflichtet<br />
werden, wer, ohne Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches)<br />
zu sein,<br />
1. bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der<br />
öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, beschäftigt oder für sie tätig ist,<br />
2. bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluß, einem Betrieb<br />
oder Unternehmen, die für eine Behörde oder sonstige Stelle<br />
Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen, beschäftigt oder für<br />
sie tätig ist oder<br />
3. als Sachverständiger öffentlich bestellt ist.<br />
(2) Die Verpflichtung wird mündlich vorgenommen. Dabei ist auf die<br />
strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung hinzuweisen.
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Seite 16<br />
2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.2 Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen<br />
2.2.1 Täter der Bestechlichkeit bzw Objekt der Bestechung<br />
2.2.1.2 Ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter (Seite 2)<br />
(3) Über die Verpflichtung wird eine Niederschrift aufgenommen, die der<br />
Verpflichtete mit unterzeichnet. Er erhält eine Abschrift der Niederschrift;<br />
davon kann abgesehen werden, wenn dies im Interesse der inneren oder<br />
äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland geboten ist.<br />
(4) Welche Stelle für die Verpflichtung zuständig ist, bestimmt<br />
1. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 bei Behörden oder<br />
sonstigen Stellen nach Bundesrecht die jeweils zuständige oberste<br />
Dienstaufsichtsbehörde oder, soweit eine Dienstaufsicht nicht besteht,<br />
die oberste Fachaufsichtsbehörde,<br />
2. in allen übrigen Fällen diejenige Behörde, die von der<br />
Landesregierung durch Rechtsverordnung bestimmt wird.<br />
VerpflG § 2<br />
(1) Wer, ohne Amtsträger zu sein, auf Grund des § 1 der Verordnung<br />
gegen Bestechung und Geheimnisverrat nichtbeamteter Personen in<br />
der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Mai 1943 (Reichsgesetzbl. I<br />
S. 351) förmlich verpflichtet worden ist, steht einem nach § 1 Verpflichteten<br />
gleich.<br />
(2) Wer, ohne Amtsträger zu sein,<br />
1. als Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nach einer tarifrechtlichen<br />
Regelung oder<br />
2. auf Grund eines Gesetzes oder aus einem sonstigen Rechtsgrund<br />
zur gewissenhaften Erfüllung seiner Obliegenheiten verpflichtet worden<br />
ist, steht einem nach § 1 Verpflichteten gleich, wenn die Voraussetzungen<br />
des § 1 Abs. 2 erfüllt sind.
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Seite 17<br />
2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.2 Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen<br />
2.2.1 Täter der Bestechlichkeit bzw Objekt der Bestechung<br />
2.2.1.3 Richter (Verbrechenstatbestand!)<br />
§ 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB:<br />
Im Sinne dieses Gesetzes ist Richter, wer nach deutschem Recht Berufsrichter<br />
oder ehrenamtlicher Richter ist.<br />
Ehrenamtliche Richter heißen je nach Gerichtszweig auch Schöffen<br />
oder Handelsrichter.<br />
Keine Richter in diesem strafrechtlichen Sinne sind die Rechtspfleger. Sie<br />
üben funktionell zwar auch rechtsprechende Gewalt aus. Der Gesetzgeber<br />
behandelt sie wegen der hohen Strafandrohung für die Richterdelikte jedoch<br />
nur als gewöhnliche Amtsträger.<br />
2.2.1.4 Schiedsrichter (Verbrechenstatbestand!)<br />
§§ 1025 ff. ZPO, 101 ff. ArbGG<br />
2.2.1.5 Soldaten der Bundeswehr<br />
§ 48 Abs. 1 WStG: Für die Anwendung der Vorschriften des Strafgesetzbuches<br />
über ... Vorteilsannahme und Bestechlichkeit ... stehen<br />
Offiziere und Unteroffiziere den Amtsträgern und ihr Wehrdienst dem<br />
Amte gleich.<br />
§ 48 Abs. 2 WStG: Für die Anwendung der Vorschriften des Strafgesetzbuches<br />
über ... Bestechlichkeit ... stehen auch Mannschaften den<br />
Amtsträgern und ihr Wehrdienst dem Amte gleich.<br />
In den Fällen der §§ 333, 334 StGB sind alle Soldaten der Bundeswehr<br />
gemeint.
<strong>Korruptionsstrafrecht</strong><br />
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Seite 18<br />
2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.2 Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen<br />
2.2.2 Die Unrechtsvereinbarung (Seite 1):<br />
Tathandlungen der Bestechlichkeit<br />
sind das<br />
Fordern<br />
(das einseitige Verlangen einer Leistung)<br />
Sichversprechenlassen<br />
(die Annahme des Angebots von noch zu<br />
erbringenden Vorteilen)<br />
Annehmen<br />
(die tatsächliche Entgegennahme des Vorteils)<br />
eines Vorteils für eine Diensthandlung.<br />
Tathandlungen Bestechung<br />
sind das<br />
Anbieten<br />
(die Offerte auf Abschluss einer Unrechtsvereinbarung)<br />
Versprechen<br />
(die Zusicherung des Vorteils)<br />
Gewähren<br />
(die tatsächliche Zuwendung an den Amtsträger)<br />
Vorteil ist jede Zuwendung, auf die der Täter keinen<br />
Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche<br />
oder auch nur persönliche Lage objektiv messbar verbessert<br />
(BGHSt 31, 264, 279).<br />
Materielle Vorteile sind i.d.R. Geld- oder Sachgeschenke.<br />
Immaterielle Vorteile können Einladungen zur Jagd und<br />
Sexualkontakt sein (BGH JR 1989, 430).<br />
Der Vorteil muss nicht dem Amtsträger selbst zugute kommen.<br />
Ausreichend sind auch drittnützige Vorteile, z. B. an<br />
Personenvereinigungen wie etwa Parteien.
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Seite 19<br />
2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.2 Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen<br />
2.2.2 Die Unrechtsvereinbarung (Seite 2):<br />
Sozialadäquate Zuwendungen, also solche im Rahmen der<br />
Verkehrssitte oder allgemein anerkannter Höflichkeitsregeln –<br />
Zigaretten oder Erfrischungsgetränke, kleinere Werbegeschenke<br />
usw. – sind keine Vorteile i. S .d. Gesetzes.<br />
BGHNStZ-RR 2002, 272 ff.:<br />
Eine Unrechtsvereinbarung liegt nicht vor, wenn der aus<br />
Anlass oder bei Gelegenheit einer Diensthandlung dem<br />
Amtsträger gewährte Vorteil seinen Grund in den Regeln<br />
des sozialen Verkehrs und der Höflichkeit hat und der sozialen<br />
Stellung des Amtsträgers angemessen ist.<br />
Konsequenzen:<br />
• Es gibt keine genau bezifferbaren Freibeträge!<br />
• Je wohlhabender der Amtsträger schon ist, desto höher<br />
dürfen auch die Geschenke ausfallen!<br />
• Absolut gleichwertige Zuwendungen können für den<br />
Amtsträger in niedriger sozialer Stellung einen Vorteil<br />
darstellen, für den in gehobener sozialer Stellung aber<br />
nicht.
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Seite 20<br />
2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.2 Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen<br />
2.2.2 Die Unrechtsvereinbarung (Seite 3):<br />
Fall aus der Rechtsprechung:<br />
A ist Abteilungsleiter eines Ausländeramtes. Beim Abschluss<br />
des Vertrages über den Bau seines Wohnhauses<br />
vereinbart er mit Fa. B einen Preisnachlass in Höhe von<br />
13.000 € als Entgelt für die von ihm zugesagte Hilfe bei der<br />
Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen für drei polnische<br />
Hilfsarbeiter.<br />
Die StA klagt ihn wegen vollendeter Bestechlichkeit an. Der<br />
Verteidiger des A legt die Wertberechnung eines Bausachverständigen<br />
vor, wonach der Werklohn der Fa. B keineswegs<br />
unter dem für ein derartiges Vorhaben Üblichen gelegen<br />
habe.<br />
BGH wistra 2001, 260 = NJW 2001, 2558 f.:<br />
Ein Amtsträger, der sich im Rahmen von Vertragsverhandlungen<br />
für eine pflichtwidrige Diensthandlung einen<br />
Preisnachlass auf den von dem Bestechenden geforderten<br />
Preis zusagen lässt, lässt sich einen zur<br />
Vollendung der Bestechlichkeit führenden materiellen<br />
Vorteil versprechen. Dies gilt auch für den Fall, dass<br />
die von dem Bestechenden zu erbringende Gesamtleistung<br />
für den Amtsträger trotz des vereinbarten Rabatts<br />
tatsächlich nicht wirtschaftlich vorteilhaft ist, etwa<br />
weil der Preis, auf den der Rabatt gewährt wird,<br />
überhöht war.<br />
Es ist also unbeachtlich, dass der Vorteilsgeber den Amtsträger<br />
möglicherweise getäuscht hat.
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Seite 21<br />
2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.2 Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen<br />
2.2.2 Die Unrechtsvereinbarung (Seite 4):<br />
Täuschung und Irrtum bei der Unrechtsvereinbarung<br />
Rechtliche Probleme ergeben sich auch, wenn der Amtsträger den<br />
Vorteilsgeber bei der Unrechtsvereinbarung täuscht oder dessen Fehlvorstellungen<br />
ausnutzt. Dann ist zu differenzieren:<br />
Der Grundsatz bei künftiger Diensthandlung:<br />
(z. B. BGHNStZ-RR 2002, 272 ff.)<br />
Eine Tat in der Tatbestandsalternative des Forderns oder Sichversprechenlassens<br />
für eine künftige Diensthandlung ist bereits vollendet,<br />
wenn der Amtsträger seine Bestechlichkeit nach außen ausdrücklich<br />
oder schlüssig zu erkennen gibt. Allein maßgeblich ist das<br />
Anstreben oder Zustandekommen einer Unrechtsvereinbarung.<br />
Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Lauterkeit der Amtsführung<br />
ist nämlich bereits durch die Unrechtsvereinbarung gefährdet.<br />
Es hilft dem Amtsträger also nichts, wenn er<br />
• insgeheim gar nicht vorhat, die vereinbarte Diensthandlung zu tätigen<br />
oder<br />
• insgeheim davon ausgeht, die vereinbarte Diensthandlung sei rechtmäßig<br />
(vgl. § 332 Abs. 3 StGB), solange er gewillt ist, den vereinbarten oder geforderten<br />
Vorteil auch anzunehmen.<br />
* * *<br />
Hat er allerdings vor, den Vorteil nicht anzunehmen, die Sache vielmehr<br />
seinen Vorgesetzten oder der Polizei / Justiz zu melden, dann liegt eine<br />
Unrechtsvereinbarung nicht vor<br />
(BGHNStZ-RR 2002, 272 ff, Tröndle/Fischer, 51. Aufl., § 331 Rdn. 19).
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Seite 22<br />
2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.2 Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen<br />
2.2.2 Die Unrechtsvereinbarung (Seite 5):<br />
Der Vorteil muss Gegenleistung für eine Diensthandlung sein, die der<br />
Amtsträger vorgenommen hat oder künftig vornimmt und dadurch seine<br />
Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde.<br />
„Diensthandlung“ ist jede Handlung, die in den Kreis der Obliegenheiten<br />
gehört, die der Amtsperson übertragen sind und die von ihr in dienstlicher<br />
Eigenschaft vorgenommen wird (BGHSt 31, 264, 280). Nicht erfasst<br />
werden Privathandlungen, die völlig außerhalb des Aufgabenbereichs<br />
des Amtsträgers liegen, z. B. privat angefertigte Bauzeichnungen<br />
eines Beamten des Bauamtes, wenn er nicht gleichzeitig über deren Genehmigung<br />
zu entscheiden hat (BGHSt 11, 125).<br />
Eine nach den Dienstvorschriften verbotene Handlung wird nicht schon<br />
allein deshalb zur tatbestandslosen Privathandlung. Entscheidend für<br />
den Charakter als Diensthandlung ist nur, dass der Täter eine Handlung<br />
vornimmt, die ihm gerade seine amtliche Stellung ermöglicht. Eine durch<br />
die Dienstvorschriften verbotene Handlung ist deshalb keine Privattätigkeit,<br />
sondern pflichtwidrige Amtshandlung (BGH NJW 1987, 1340).<br />
Eine pflichtwidrige Diensthandlung begeht nicht nur derjenige, der eine<br />
Tätigkeit vornimmt, die an sich in den Kreis seiner Amtspflichten fällt,<br />
sondern auch, wer seine amtliche Stellung dazu missbraucht, eine durch<br />
eine Dienstvorschrift verbotene Handlung vorzunehmen, die ihm gerade<br />
seine amtliche Stellung ermöglicht (BGH NStZ 2000, S. 596). Es ist also<br />
irrelevant, wenn der Amtsträger lediglich vortäuscht, für die von<br />
ihm erwartete Diensthandlung zuständig zu sein.<br />
Fraglich ist, ob die in der Vergangenheit liegende Bezugshandlung<br />
tatsächlich vorgenommen worden sein muss. Der BGH (BGHSt 29,<br />
300) lehnt in einem solchen Fall Bestechlichkeit ab und verweist dafür<br />
auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihren Wortlaut,<br />
der verlange, dass der Täter die Diensthandlung „vorgenommen<br />
hat“ und dadurch seine Pflichten „verletzt hat“. Diese Indikativformulierung<br />
schließe die Tatbestandsmäßigkeit der nur vorgetäuschten<br />
Diensthandlung aus.
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2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.2 Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen<br />
2.2.2 Die Unrechtsvereinbarung (Seite 6):<br />
Die Konkretheit der Diensthandlung<br />
Kern der Bestechungstatbestände ist die durch das Merkmal „als Gegen-<br />
leistung“ gekennzeichnete Unrechtsvereinbarung. Dafür genügt nicht<br />
schon die Gewährung eines Vorteils als solcher, und zwar auch dann nicht,<br />
wenn die Zuwendung aus Anlass oder bei Gelegenheit einer Amtshandlung<br />
erfolgt. Erforderlich ist vielmehr, dass der gewährte Vorteil in einem Be-<br />
ziehungsverhältnis (= Äquivalenzverhältnis) zu einer in ihrem sachli-<br />
chen Gehalt zumindest in groben Umrissen erkennbaren Dienst-<br />
handlung erfolgt (BGHSt 15, 88, 97; BGH NStZ 1984, 24; 1989, 74).<br />
Beispiel aus der Rechtsprechung (BGH NStZ 1999, S. 560):<br />
Der Geschäftsführer G einer Leasinggesellschaft hatte den zuständigen Hauptsach-<br />
bearbeiter H einer Landesversicherungsanstalt geschmiert, um sich bei der Lieferung<br />
von EDV-Ausstattung Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Nachdem alles prächtig<br />
lief, beschloss G, vorsichtshalber auch den Vorgesetzten V des H mit Geldgeschen-<br />
ken zu bedenken, um sich dessen Wohlwollen zu erkaufen. Das Landgericht sah im<br />
Verhältnis G / V lediglich Vorteilsgewährung bzw –annahme, da insoweit eine kon-<br />
krete Unrechtsvereinbarung nicht festzustellen sei.<br />
Auf die Revision der StA verwies der BGH die Sache zurück:<br />
War V Vorgesetzter des H, so war er im Rahmen der Dienstaufsicht gehalten,<br />
dem pflichtwidrigen Verhalten des H entgegenzutreten. Angesichts dieser Auf-<br />
sichtspflicht hätte das Landgericht aufklären müssen, ob gerade ihre Verlet-<br />
zung das mit den Zahlungen des G in Verbindung stehende pflichtwidrige Ver-<br />
halten darstellte. In diesem Fall wäre das erforderliche Äquivalenzverhältnis<br />
zwischen Vorteil und pflichtwidriger Diensthandlung, also die Unrechtsverein-<br />
barung zu bejahen gewesen.
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2 Die Bestechungsdelikte im engeren Sinn<br />
2.2 Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen<br />
2.2.3 Die Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung<br />
Bei den Bestechungstatbeständen geht es um eine pflichtwidrige<br />
Diensthandlung des Amtsträgers. Hierbei ist zu differenzieren:<br />
• Gebundener Amtsträger: Pflichtwidrig ist eine Diensthandlung<br />
dann, wenn dem Amtsträger durch Rechtssatz, Dienstvorschrift<br />
oder Anordnung die Entschließung über Vornahme oder Unterlassung<br />
einer Diensthandlung vorgeschrieben ist und er hiervon<br />
abweicht. Das gilt auch für den Richter, wenn er zwingendes<br />
Recht verletzt.<br />
• Ermessens-Amtsträger: Bei ihm bestehen mindestens zwei<br />
rechtmäßige Handlungsalternativen, zwischen denen er innerhalb<br />
eines Spielraumes pflichtgemäßen Ermessens (oder eines<br />
Beurteilungsspielraumes bei unbestimmten Rechtsbegriffen) zu<br />
entscheiden hat. Seine Diensthandlung ist bereits dann pflichtwidrig,<br />
wenn er sich bereit gezeigt hat, sich bei der Ausübung<br />
des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen (§ 332<br />
Abs. 3 Nr. 2 StGB).<br />
• Beratender Amtsträger ohne eigene Entscheidungszuständigkeit:<br />
Er ist einem Ermessens - Amtsträger gleichzustellen, wenn er<br />
nach seiner Aufgabenstellung über die Möglichkeit praktischer<br />
Einflussnahme auf die Entscheidung verfügt, z. B. durch Zusammenstellung<br />
von Material oder Erarbeitung einer Vorlage für<br />
die Entscheidung eines anderen Amtsträgers.<br />
Die stärkste Form der Pflichtwidrigkeit einer Diensthandlung<br />
ist gegeben, wenn diese ihrerseits einen Straftatbestand<br />
erfüllt. Welche Straftatbestände typischerweise in<br />
Betracht kommen können, wenn Amtsträger ihren Dienst<br />
pflichtwidrig ausüben, darauf werde ich im Anhang zurückkommen.
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Seite 25<br />
3 Vorteilsannahme und –gewährung (Seite 1)<br />
(z. B. Belohnung rechtmäßiger Dienstausübung, Genehmigung<br />
durch die Behörde)<br />
Jetzt interessiert erst einmal der Hinweis, dass der Amtsträger sich auch<br />
bei Belohnungen für rechtmäßiges Verhalten strafbar machen kann.<br />
Die Vorschriften haben folgenden Wortlaut:<br />
StGB § 331 Vorteilsannahme<br />
(1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter,<br />
der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen<br />
Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe<br />
bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.<br />
(2) Ein Richter oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen<br />
Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt,<br />
daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig<br />
vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe<br />
bestraft. Der Versuch ist strafbar.<br />
(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht<br />
von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die<br />
zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme<br />
vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet<br />
und sie die Annahme genehmigt.<br />
StGB § 333 Vorteilsgewährung<br />
(1) Wer einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders<br />
Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr für die Dienstausübung<br />
einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht<br />
oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe<br />
bestraft.<br />
(2) Wer einem Richter oder Schiedsrichter einen Vorteil für diesen oder<br />
einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt,<br />
daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme,<br />
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe<br />
bestraft.<br />
(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn die zuständige Behörde<br />
im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme des Vorteils durch<br />
den Empfänger vorher genehmigt hat oder sie auf unverzügliche Anzeige<br />
des Empfängers genehmigt.
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Seite 26<br />
3 Vorteilsannahme und –gewährung (Seite 2)<br />
Der wesentliche Unterschied zwischen Bestechung und<br />
Bestechlichkeit einerseits und Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme<br />
andererseits ist das Merkmal der Pflichtwidrigkeit<br />
der Diensthandlung bei der erstgenannten Fallgruppe.<br />
Ein weiterer Unterschied liegt seit der Geltung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes<br />
in der Konkretheit des dienstlichen<br />
Bezuges. Muss sich bei Bestechung/Bestechlichkeit<br />
die Unrechtsvereinbarung auf eine konkrete (frühere oder<br />
künftige) Diensthandlung erstrecken, genügt bei Vorteilsgewährung/Vorteilsannahme<br />
durch Amtsträger oder für<br />
den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete der Bezug<br />
zur Dienstausübung. Damit kann einerseits das Anfüttern<br />
eines Amtsträgers bestraft werden, ohne dass im Zeitpunkt<br />
der Vorteilsgewährung bereits genau definiert ist, worin die<br />
Gegenleistung bestehen soll. Es genügt der allgemeine<br />
dienstliche Bezug. Andererseits kann auch die nachträgliche<br />
Belohnung für korrekte Dienstausübung mit Strafe bedroht<br />
sein.<br />
Bestechung/Bestechlichkeit sind also qualifizierte Fälle der<br />
Vorteilsgewährung/Vorteilsannahme. Umgekehrt sind Vorteilsgewährung/Vorteilsannahme<br />
Auffangtatbestände für<br />
alle Fälle, in denen die qualifizierenden Merkmale der Bestechung<br />
/ Bestechlichkeit objektiv oder in der Vorstellung<br />
der Täter nicht nachzuweisen sind.<br />
Anders als bei Bestechung und Bestechlichkeit kann die<br />
Vorteilsannahme unter den in den Absätzen 3 genannten<br />
Voraussetzungen gerechtfertigt sein, wenn die Behördenleitung<br />
einverstanden ist.
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Seite 27<br />
4 Strafrechtliche Sanktionsformen<br />
(z. B. Strafen, Bußgelder, Vermögensabschöpfung, Nebenfolgen)<br />
4.1 Strafen (§§ 38 – 58 StGB) Seite 1<br />
Das Strafgesetzbuch kennt als Regelstrafen die<br />
Geld- und die Freiheitsstrafe.<br />
Handelt es sich um ein Verbrechen, sieht das Gesetz eine Mindeststrafe<br />
von einem Jahr (oder mehr) und eine Höchststrafe zwischen<br />
5 Jahren und lebenslänglich vor. Verbrechen ist in dem hier relevanten<br />
Bereich nur die Bestechlichkeit des Richters oder Schiedsrichters<br />
(§ 332 Abs. 2 StGB). Demgegenüber ist die (aktive) Bestechung<br />
eines Richters oder Schiedsrichters mit einer Mindeststrafe<br />
von 3 Monaten kein Verbrechen (§ 334 Abs. 2 StGB)!<br />
Geldstrafen kommen hier in der Regel nicht in Betracht, allenfalls<br />
neben der Freiheitsstrafe.<br />
Wer wegen eines Verbrechens zu Freiheitsstrafe von mindestens<br />
einem Jahr verurteilt wird, verliert für die Dauer von 5 Jahren die<br />
Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen<br />
Wahlen zu erlangen.<br />
Handelt es sich lediglich um eine Vergehen (alle Straftatbestände,<br />
die kein Verbrechen sind), so liegt die Freiheitsstrafe zwischen einem<br />
Monat und 3 oder 5 Jahren, die Geldstrafe zwischen dem an 5<br />
Tagen und dem in einem Jahr erzielten Nettoeinkommen des Täters.<br />
Ausnahme:<br />
• § 335: Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung<br />
(Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren) bei<br />
• Vorteil großen Ausmaßes (ab 10.000 € ?)<br />
• fortgesetzter Vorteilsannahme für künftige Diensthandlungen<br />
• Gewerbsmäßigkeit<br />
• Bandenzugehörigkeit des Täters
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Seite 28<br />
4 Strafrechtliche Sanktionsformen<br />
4.1 Strafen (§§ 38 – 58 StGB) Seite 2<br />
In allen Fällen können Freiheitsstrafen bis zu 2 Jahren zur<br />
Bewährung ausgesetzt werden.<br />
Bei Vergehen kann bei relativ geringer Schuld auch von<br />
einer Bestrafung abgesehen werden:<br />
• Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 ff StGB):<br />
Es ergeht zwar ein richterlicher Schuldspruch, die vom Gericht<br />
festgesetzte Geldstrafe muss aber nicht bezahlt werden,<br />
wenn der Betroffene eine vom Gericht festzusetzende<br />
Bewährungszeit erfolgreich besteht.<br />
• Einstellung mit Auflage oder Weisung (§ 153 a StGB):<br />
Dem Amtsträger können Auflagen und Weisungen erteilt<br />
werden, durch deren Erfüllung das öffentliche Interesse an<br />
der Strafverfolgung beseitigt wird.<br />
• Einstellung ohne Auflage oder Weisung (§153 StPO):<br />
Von der Verfolgung einer Straftat kann sanktionslos abgesehen<br />
werden, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen<br />
wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung<br />
besteht.
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Seite 29<br />
4 Strafrechtliche Sanktionsformen<br />
4.2 Vermögensabschöpfung bei Korruption Seite 1<br />
Instrumente der Vermögensabschöpfung:<br />
Verfall gem. § 73 StGB<br />
(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden und hat der Täter<br />
oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr etwas erlangt, so ordnet<br />
das Gericht dessen Verfall an. ...<br />
(2) – (4) ...<br />
Erweiterter Verfall gem. §§ 338 i.V.m. 73 d StGB<br />
(1) Ist eine rechtswidrige Tat nach einem Gesetz begangen worden,<br />
das auf diese Vorschrift verweist, so ordnet das Gericht den Verfall<br />
von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an,<br />
wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, daß diese Gegenstände<br />
für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind.<br />
...<br />
(2) – (4)<br />
• § 338 StGB: Erweiterter Verfall:<br />
Erweiterter Verfall (§ 73 d StGB) trifft den bestechlichen Amtsträger,<br />
wenn er gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt.<br />
Vermögensstrafe gem. § 338 i.V.m. 43 a StGB 3<br />
Geld- neben Freiheitsstrafe gem. § 41 StGB:<br />
Hat der Täter sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern<br />
versucht, so kann neben einer Freiheitsstrafe eine sonst nicht<br />
oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden,<br />
wenn dies auch unter Berücksichtigung der persönlichen und<br />
wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist.<br />
3 Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20.03.2002 verfassungswidrig und da-<br />
her nicht mehr anzuwenden
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Seite 30<br />
4 Strafrechtliche Sanktionsformen<br />
4.2 Vermögensabschöpfung bei Korruption Seite 2<br />
Zurückgewinnungshilfe<br />
gem. §§ 73 Abs. 1 S. 2 StGB i.V.m. 111 b ff StPO<br />
StGB § 73 Voraussetzungen des Verfalls:<br />
(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden und hat der Täter oder<br />
Teilnehmer für die Tat oder aus ihr etwas erlangt, so ordnet das Gericht<br />
dessen Verfall an. Dies gilt nicht, soweit dem Verletzten aus der Tat<br />
ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer<br />
den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde.<br />
• Die Staatsanwaltschaft kann in diesem Fall gem. §§ 111 b ff<br />
StPO Vermögenswerte beschlagnahmen (lassen), um sie dem<br />
Verletzten zuzuführen.<br />
Bewährungsauflage gem. §§ 56 b, 59 a StGB<br />
Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen, nach Kräften den<br />
durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen oder<br />
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung<br />
oder zugunsten der Staatskasse zu zahlen.<br />
Täter-Opfer-Ausgleich gem. § 46 a StGB<br />
Das Gericht kann die Strafe mildern oder in Ausnahmefällen von<br />
einer Bestrafung ganz absehen, wenn der Täter die Tat wiedergutgemacht<br />
hat.<br />
Unternehmensgeldbuße gem. §§ 30, 17 OwiG<br />
Wer als vertretungsberechtigtes Organ eines Unternehmens einen<br />
Amtsträger geschmiert, so kann das Unternehmen selbst mit<br />
einer Geldbuße bedacht werden. Diese beträgt bis zu 500 T€,<br />
kann aber auch darüber liegen, wenn der wirtschaftliche Vorteil<br />
des Unternehmens größer war.<br />
Geldauflage nach § 153 a StPO (s. o.)
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Seite 31<br />
4 Strafrechtliche Sanktionsformen<br />
4.2 Vermögensabschöpfung bei Korruption Seite 3<br />
(Fall 1)<br />
Das Landgericht hat den Oberamtsrat O wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe<br />
verurteilt. Den Antrag der Staatsanwaltschaft, hinsichtlich des Bestechungslohns<br />
in Höhe von 20.000 Euro den Verfall anzuordnen, hat es zurückgewiesen,<br />
weil<br />
• dem Dienstherrn des O aus der Tat ein Anspruch erwachsen sei, dessen<br />
Erfüllung dem O den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde;<br />
• die Anordnung für O eine unbillige Härte wäre.<br />
Hiermit war der BGH (BGH StV 2001, 272 ff. = wistra 2000, 380 ff. = NStZ 2000,<br />
589 f.) nicht einverstanden. Aus den Gründen:<br />
• § 73 I 2 StGB steht einer Verfallsanordnung nicht entgegen, weil der<br />
Dienstherr bei der Bestechung eines Beamten nicht Verletzter ist. Verletzter<br />
nach § 73 I 2 StGB kann nur sein, wessen Individualinteressen durch<br />
das vom Täter übertretene Strafgesetz geschützt werden sollen. Schutzgut<br />
der §§ 332, 334 StGB ist aber nicht das Vermögensinteresse der Anstellungskörperschaft,<br />
sondern das Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit<br />
des öffentlichen Dienstes.<br />
• Außerdem steht dem Dienstherrn gegenüber dem Beamten kein Anspruch<br />
auf Herausgabe des von diesem erlangten Bestechungslohnes zu. Es fehlt<br />
in den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder an einer Anspruchsgrundlage<br />
(z. B. §§ 46 BRRG, 78 BBG als abschließende Regelungen für<br />
die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn). Zivilrechtliche<br />
Bestimmungen, wonach ein privater Arbeitgeber von seinem Angestellten<br />
vereinnahmte Schmiergelder herausverlangen könne (§§ 667, 681, 687<br />
Abs. 2 BGB) seien auf das Rechtsverhältnis des Beamten zu seinem<br />
Dienstherrn nicht übertragbar.<br />
• Ist der Wert des Erlangten im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden,<br />
kann dies – für sich genommen – nicht dazu führen, gem § 73 c I 1<br />
StGB wegen unbilliger Härte von der Verfallsanordnung abzusehen. Es bedarf<br />
vielmehr zusätzlicher Umstände, die eine Verfallsanordnung als ungerecht<br />
und unverhältnismäßig erscheinen lassen. Es kommt aber die Ermessensvorschrift<br />
des § 73 c I 2 StGB in Betracht.<br />
Anders das BVerwG (DÖD 2002, 170:<br />
Hat ein Beamter für seine dienstliche Tätigkeit „Schmiergelder“ entgegengenommen,<br />
so ist er verpflichtet, das Erlangte an seinen Dienstherrn herauszugeben,<br />
sofern im Strafverfahren nicht dessen Verfall angeordnet worden ist.<br />
Grundlage des ... Anspruchs ... ist § 70 Satz 1 BBG,.
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Seite 32<br />
4 Strafrechtliche Sanktionsformen<br />
4.2 Vermögensabschöpfung bei Korruption Seite 4<br />
(Fall 2)<br />
A war bei der GEZ Projektleiter für die Formblattorganisation. Er<br />
sorgte dafür, dass Druckaufträge nur an Unternehmen gingen, die<br />
ihn und seine Kollegen mit Geldleistungen, Gala-Diners und Vatertagsausflügen<br />
bedachten. Über seine Ehefrau, die ein Organisationsbüro<br />
betrieb, vereinnahmte er mehr als 750.000 €.<br />
Das Gericht sah im Hinblick auf § 73 Abs. 1 S. 2 von einer Anordnung<br />
des Verfalls ab. Hiergegen richtete sich die Revision der StA.<br />
Der BGH (NStZ 2001, 479 ff. und wistra 2001, 295) differenziert:<br />
Liegt dem Amtsträger lediglich Bestechlichkeit zur Last, ist der Verfall<br />
nicht nach § 73 Abs. 1 S. 2 StGB ausgeschlossen (s. Fall 1). Hat<br />
er sich aber zugleich der Untreue oder des Betruges zum Nachteil<br />
seines Dienstherrn schuldig gemacht, so haben dessen Ansprüche<br />
auf Ersatz des Untreue- bzw. Betrugsschadens nach § 73 Abs. 1 S.<br />
2 StGB Vorrang.<br />
Sofern also der Bestechungslohn vollständig in die Kalkulation des<br />
anbietenden Druckunternehmens eingeflossen ist, die GEZ demnach<br />
zumindest um den Bestechungslohn des Angeklagten überhöhte<br />
Preise zahlen musste, besteht eine Identität zwischen Bestechungslohn<br />
und Untreueschaden mit der Folge, dass der Verfall<br />
ausgeschlossen ist.<br />
Bei lediglich teilweiser Identität, etwa wenn der Druckunternehmer<br />
nur einen Teil des Bestechungslohns auf den Preis aufgeschlagenund<br />
den anderen Teil aus seiner sonst üblichen Gewinnspanne bezahlt<br />
hätte, wird insoweit der Weg zum Verfall frei.<br />
Für die Frage, ob Bestechungslohn und Untreueschaden identisch<br />
sind, kommt es nach der erstgenannten BGH – Entscheidung darauf<br />
an, ob Bestechung und Untreue (Betrug) Bestandteil derselben<br />
prozessualen Tat (§ 264 StPO) sind. Nach der zweitgenannten Entscheidung<br />
ist dies unerheblich.
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Seite 33<br />
4 Strafrechtliche Sanktionsformen<br />
4.2 Vermögensabschöpfung bei Korruption Seite 5<br />
(Fall 3)<br />
S war Leiter des Bauamtes in H. J, ein örtlicher Immobilienhändler,<br />
kaufte größere Grundstücksflächen im Außenbereich zum günstigen<br />
Preis. Auf Betreiben des J machte S sich dafür stark, das Gelände<br />
zum Baugebiet zu erklären, wovon er aufgrund seiner Vorlagen<br />
den Stadtrat und den Regierungspräsidenten, dem die Rechtsaufsicht<br />
oblag, schließlich überzeugen konnte. J erzielte erhebliche<br />
Verkaufsgewinne und revanchierte sich bei S – wie von Anfang an<br />
vereinbart - mit 215.000 DM, die dieser in seiner Steuererklärung<br />
verschwieg.<br />
1. Bestechlichkeit/Bestechung oder Vorteilsannahme/Vorteilsgewährung?<br />
2. Welche Rolle spielt die steuerliche Behandlung des aus der<br />
Straftat Erlangten für den Umfang einer Verfallsanordnung?<br />
Die Lösung (BGH wistra 2002, 255 ff.):<br />
Ein Amtsträger ohne eigene Entscheidungszuständigkeit erfüllt den<br />
Tatbestand der Bestechlichkeit, wenn er sich als fachlicher Zuarbeiter<br />
durch Schmiergeldzahlungen bei der Vorbereitung einer Ermessensentscheidung<br />
beeinflussen lässt; insoweit gelten für ihn gleichermaßen<br />
die für einen Ermessensbeamten entwickelten Grundsätze. Auf<br />
die Rechtswidrigkeit des Bebauungsplanes und der hierauf beruhenden<br />
baurechtlichen Entscheidungen kommt es daher nicht an.<br />
Ist für einen dem Verfall unterliegenden Vermögensvorteil die Steuer<br />
bestandskräftig festgesetzt worden, so ist dies bei der zeitlich nachfolgenden<br />
Anordnung des Verfalls zu berücksichtigen. Das Bruttoprinzip<br />
steht dem nicht entgegen.<br />
Ist das Besteuerungsverfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen,<br />
kommt eine Berücksichtigung der evt. auf dem Schmiergeld<br />
ruhenden Steuerlast bei der Verfallsanordnung nicht in Betracht.<br />
Der Betroffene kann dann im Besteuerungsverfahren den verfallenen<br />
Betrag als Betriebsausgabe geltend machen.
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Seite 34<br />
5 Außerstrafrechtliche Sanktionierung<br />
(z. B. Steuerrecht, Disziplinarrecht, Arbeitsrecht)<br />
5.1. Steuerrrecht und Korruption<br />
5.1.1 Die steuerliche Behandlung des Geschmierten:<br />
Schmier- und Bestechungsgelder sind „sonstige Einkünfte“<br />
im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG. Der gewährte Vorteil muss eine<br />
Gegenleistung für eine erwartete oder erbrachte Leistung<br />
sein. Beträge unter 500,-- DM sind steuerfrei.<br />
Die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung beträgt 5 Jahre.<br />
Sie beginnt bei Veranlagungssteuern grundsätzlich mit Beendigung<br />
der Tat. Das ist die Bekanntgabe des inhaltlich unzutreffenden<br />
Steuerbescheides. Wurde keine Steuererklärung<br />
abgegeben, beginnt sie mit dem wesentlichen Abschluss<br />
der Veranlagungsarbeiten des zuständigen Finanzamtes<br />
für den betroffenen Erhebungszeitraum.<br />
Damit kann die Steuerhinterziehung auf vereinnahmte<br />
Schmiergelder auch dann strafrechtlich verfolgt werden,<br />
wenn die Bestechlichkeit selbst bereits der Verfolgungsverjährung<br />
unterliegt.<br />
Von der Verfolgungsverjährung ist die Festsetzungsverjährung<br />
zu unterscheiden. Die Festsetzungsverjährung bei hinterzogenen<br />
Steuern beträgt 10 Jahre. Sie beginnt mit Ablauf<br />
des Kalenderjahres der Abgabe der falschen Steuererklärung,<br />
spätestens mit Ablauf des dritten Jahres nach dem<br />
Veranlagungszeitraum.<br />
Damit gelingt zumindest eine partielle Vermögensabschöpfung,<br />
selbst wenn sowohl das Korruptionsdelikt selbst als<br />
auch die Steuerhinterziehung strafrechtlich verjährt sind.<br />
§ 116 AO begründet eine Anzeigepflicht an die Finanzbehörden<br />
beim Verdacht von Steuerstraftaten.
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Seite 35<br />
5 Außerstrafrechtliche Sanktionierung<br />
5.1. Steuerrecht und Korruption<br />
5.1.2 Die steuerliche Behandlung des Schmierers:<br />
§ 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG in der ab 01.01.1999 geltenden Fassung:<br />
Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:<br />
Die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen,<br />
wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige<br />
Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines<br />
Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.<br />
Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Verwaltungsbehörden haben<br />
Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht einer Tat<br />
im Sinne des Absatzes 1 begründen, der Finanzbehörde für Zwecke<br />
des Besteuerungsverfahrens und zur Verfolgung von Steuerstraftaten<br />
und Steuerordnungswidrigkeiten mitzuteilen. Die Finanzbehörde teilt<br />
Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit<br />
im Sinne des Satzes 1 begründen, der Staatsanwaltschaft oder<br />
der Verwaltungsbehörde mit. Diese unterrichten die Finanzbehörde<br />
von dem Ausgang des Verfahrens und den zugrundeliegenden Tatsachen.<br />
Zu den Straftaten im Sinne der vorstehenden Vorschrift gehören insbesondere:<br />
• Straftaten im Amt (§§ 331 ff. StGB)<br />
• Straftaten im Sinne der Wähler- und Abgeordnetenbestechung (§§<br />
108 b, 108 e StGB) und gegen den Wettbewerb im Sinne der §§ 299,<br />
300 StGB;<br />
• Straftaten im Sinne der §§ 332, 334, 336, 338 StGB gegen Richter<br />
und sonstige Amtsträger der Mitgliedsländer oder Institutionen der<br />
EU (EU-BestG);<br />
• Straftaten im Sinne der §§ 334 bis 336 StGB insbesondere gegen<br />
Richter, sonstige Amtsträger und Abgeordnete ausländischer Staaten<br />
oder Internationaler Organisationen (IntBestG)<br />
Wird die nützliche Aufwendung als Beratungshonorar, Gutachten, Arbeitnehmergestellung,<br />
Gerätemiete, Fremdleistung, Preisnachlass o.<br />
äh. getarnt, um das Abzugsverbot des § § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG zu umgehen,<br />
so liegt – wenn die Steuererklärung bereits abgegeben wurde,<br />
versuchte und wenn bereits ein Steuerbescheid ergangen ist, vollendete<br />
– Steuerhinterziehung vor.
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Seite 36<br />
5 Außerstrafrechtliche Sanktionierung<br />
5.2. Disziplinarrecht Seite 1<br />
Ist der Amtsträger Richter oder Beamter, so muss er bei<br />
Begehung von Straftaten im Dienst zwingend auch mit einem<br />
Disziplinarverfahren rechnen.<br />
Die Verfahren laufen selbständig nebeneinander.<br />
Grundsätzlich hat jedoch das Strafverfahren Vorrang:<br />
§ 22 LDG NRW:<br />
Abs. 1:<br />
Das Disziplinarverfahren ist auszusetzen, wenn wegen des<br />
Sachverhalts, der dem Disziplinarverfahren zugrundeliegt,<br />
im Strafverfahren die öffentliche Klage erhoben worden ist.<br />
Die Aussetzung unterbleibt, wenn keine begründeten Zweifel<br />
am Sachverhalt bestehen oder wenn im Strafverfahren<br />
aus Gründen nicht verhandelt werden kann, die in der Person<br />
der Beamtin oder des Beamten liegen. Das Disziplinarverfahren<br />
ist unverzüglich fortzusetzen, wenn die Voraussetzungen<br />
des Satzes 2 nachträglich eintreten, spätestens<br />
mit dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens.<br />
Abs. 2:<br />
Das Disziplinarverfahren kann ausgesetzt werden, wenn in<br />
einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren über eine<br />
Frage zu entscheiden ist, deren Beurteilung für die Entscheidung<br />
im Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung<br />
ist. Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.<br />
• Hierunter fällt auch das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren.
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5 Außerstrafrechtliche Sanktionierung<br />
5.2. Disziplinarrecht Seite 2<br />
§ 14 LDG NRW<br />
Abs. 1:<br />
Ist im Straf- oder Bußgeldverfahren unanfechtbar eine Strafe,<br />
Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden<br />
oder kann eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2<br />
Satz 2 der Strafprozessordnung nach der Erfüllung von<br />
Auflagen oder Weisungen nicht mehr als Vergehen verfolgt<br />
werden, darf wegen desselben Sachverhalts<br />
1. ein Verweis, eine Geldbuße oder eine Kürzung des<br />
Ruhegehalts nicht ausgesprochen werden,<br />
2. eine Kürzung der Dienstbezüge oder eine Zurückstufung<br />
nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich<br />
erforderlich ist, um die Beamtin oder den<br />
Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten.<br />
Abs. 2:<br />
Ist die Beamtin oder der Beamte im Straf- oder Bußgeldverfahren<br />
rechtskräftig freigesprochen worden, darf wegen<br />
des Sachverhalts, der Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung<br />
gewesen ist, eine Disziplinarmaßnahme nur<br />
ausgesprochen werden, wenn dieser Sachverhalt ein<br />
Dienstvergehen darstellt, ohne den Tatbestand einer Strafoder<br />
Bußgeldvorschrift zu erfüllen.
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Seite 38<br />
5 Außerstrafrechtliche Sanktionierung<br />
5.2. Disziplinarrecht Seite 3<br />
Die Begehung einer Straftat kann unmittelbare Konsequenzen für<br />
den Beamtenstatus haben:<br />
§ 51 Landesbeamtengesetz<br />
(1) Das Beamtenverhältnis eines Beamten, der im ordentlichen Strafverfahren<br />
durch das Urteil eines deutschen Gerichts im Geltungsbereich des Grundge-<br />
setzes<br />
1. wegen einer vorsätzlichen Tat zu Freiheitsstrafe von mindestens einem<br />
Jahr oder<br />
2. wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedens-<br />
verrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder<br />
Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit strafbar ist, zu Frei-<br />
heitsstrafe von mindestens sechs Monaten<br />
verurteilt wird, endet mit der Rechtskraft des Urteils. Entsprechendes gilt,<br />
wenn dem Beamten die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt<br />
wird oder wenn der Beamte auf Grund einer Entscheidung des Bundesverfas-<br />
sungsgerichts gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt<br />
hat.<br />
(2) Im Falle des Absatzes 1 endet die Zahlung der Dienst- oder Anwärterbezüge<br />
mit Ablauf des Monats, in dem das Urteil oder die Entscheidung des Bundes-<br />
verfassungsgerichts rechtskräftig wird.<br />
Werden weniger als ein Jahr Freiheitsstrafe verhängt, so wird das<br />
Disziplinarverfahren fortgesetzt, das im Extremfall ebenfalls mit der<br />
Entfernung aus dem Dienst enden kann.
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Seite 39<br />
5 Außerstrafrechtliche Sanktionierung<br />
5.3. Arbeitsrecht<br />
Ist der Amtsträger Angestellter im öffentlichen Dienst, so gilt<br />
normales Arbeitsrecht.<br />
BGB § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund<br />
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund oh-<br />
ne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vor-<br />
liegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Um-<br />
stände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertrag-<br />
steile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungs-<br />
frist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht<br />
zugemutet werden kann.<br />
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist be-<br />
ginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die<br />
Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss<br />
dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich<br />
mitteilen.<br />
Auch hier ist das Strafverfahren oftmals vorgreiflich gem.<br />
§§ 46 ArbGG, 149 ZPO.<br />
ZPO § 149 Aussetzung bei Verdacht einer Straftat<br />
(1) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht ei-<br />
ner Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die<br />
Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.<br />
(2) Das Gericht hat die Verhandlung auf Antrag einer Partei fortzusetzen, wenn<br />
seit der Aussetzung ein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn gewichtige<br />
Gründe für die Aufrechterhaltung der Aussetzung sprechen
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Seite 40<br />
5 Außerstrafrechtliche Sanktionierung<br />
5.4. Rückkoppelung zum Strafrecht<br />
§ 46 StGB bestimmt die Grundsätze der Strafzumessung.<br />
Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen<br />
den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommt es u. a.<br />
auf die verschuldeten Auswirkungen der Tat an, die Anlass zu einer<br />
• Verschärfung aber auch zu einer<br />
• Milderung der Strafe geben können, wenn sie den Täter selbst<br />
treffen.<br />
Zu den strafmildernd zu berücksichtigenden Auswirkungen gehören<br />
soziale, psychische aber auch wirtschaftliche Folgen.<br />
Beamtenrechtliche Folgen einer Verurteilung können Anlaß zur<br />
Strafmilderung sein, wenn die an sich verwirkte Strafe in Verbindung<br />
mit den beamtenrechtlichen Sanktionen ein nicht mehr angemessenes<br />
Gesamtübel darstellen würde<br />
(BGH wistra 1999, 417-418).<br />
Da die beamtenrechtlichen Folgen der Verurteilung wegen des Vorrangs<br />
des Strafverfahrens in der Regel im Zeitpunkt der Verurteilung<br />
noch nicht bekannt sind, muss der Strafrichter insoweit eine<br />
Prognose stellen, allerdings ohne Bindung für das Disziplinarverfahren.
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Seite 41<br />
6 Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren Seite 1<br />
(z. B. Anfangsverdacht, Verhaftung, Telefonüberwachung, Einsatz sonstiger technischer<br />
Mittel, Amtshilfe)<br />
Der wesentliche Unterschied zwischen dem Innenrevisor und dem<br />
Staatsanwaltschaft besteht zunächst in der Frage des Anfangsverdachtes.<br />
Der Innenrevisor darf verdachtslose Prüfungen durchführen. Er<br />
zieht hier und da (ggf. nach Zufallskriterien) seine Stichprobe oder<br />
nimmt sich bestimmte Dienstbereiche gezielt vor, weil sie generell<br />
korruptionsgefährdet sind.<br />
Anders der Staatsanwalt. Er darf nur tätig werden, wenn zureichende<br />
tatsächliche Anhaltspunkte – der sog. Anfangsverdacht – ein<br />
Einschreiten rechtfertigen (§ 152 Abs. 2 StPO).<br />
Nach dieser Vorschrift muss der Staatsanwalt aber auch einschreiten<br />
(Legalitätsprinzip). Er hat kein Ermessen. Er hat aber einen<br />
ziemlich weiten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage des<br />
Anfangsverdachtes.<br />
Ist der Anfangsverdacht erst einmal bejaht, hat der Staatsanwalt<br />
weitreichende Ermittlungskompetenzen. Insbesondere kann er<br />
Zeugen und den beschuldigten Amtsträger vorladen und anhören.<br />
Weitergehende Eingriffe in die Rechte der Verfahrensbeteiligten<br />
bedürfen in der Regel einer richterlichen Anordnung, die allerdings<br />
– mit Ausnahme von Verhaftungen - in der Regel ebenfalls nur den<br />
Anfangsverdacht einer Straftat voraussetzen.<br />
Dazu zählen insbesondere<br />
• die Beschlagnahme von Beweisstücken auch am Arbeitsplatz<br />
• die Durchsuchung von Wohnung und Arbeitsplatz<br />
• die Verhaftung des Verdächtigen.
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Seite 42<br />
6 Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren Seite 2<br />
Telefonüberwachungen sind allein auf der Grundlage eines Korruptionsverdachtes<br />
nicht zulässig, wohl aber der Einsatz sonstiger<br />
technischer Mittel:<br />
StPO § 100c<br />
(1) Ohne Wissen des Betroffenen<br />
1. dürfen<br />
a) Lichtbilder und Bildaufzeichnungen hergestellt werden,<br />
b) sonstige besondere für Observationszwecke bestimmte technische<br />
Mittel zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des<br />
Aufenthaltsortes des Täters verwendet werden, wenn Gegenstand<br />
der Untersuchung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist, und<br />
wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des<br />
Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise weniger<br />
erfolgversprechend oder erschwert wäre,<br />
2. ....<br />
3. darf das in einer Wohnung nichtöffentlich gesprochene Wort des<br />
Beschuldigten mit technischen Mitteln abgehört und aufgezeichnet<br />
werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass<br />
jemand<br />
a) ....<br />
eine Bestechlichkeit (§ 332 des Strafgesetzbuches) oder eine<br />
Bestechung (§ 334 des Strafgesetzbuches),<br />
begangen hat und die Erforschung des Sachverhalts oder die<br />
Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise<br />
unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre.<br />
(2) Maßnahmen nach Absatz 1 dürfen sich nur gegen den Beschuldigten<br />
richten. ...<br />
.<br />
(3) Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar<br />
betroffen werden.<br />
Im Ermittlungsverfahren hat der Staatsanwalt Anspruch auf Unterstützung:
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Seite 43<br />
6 Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren Seite 3<br />
GG Art 35<br />
(1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig<br />
Rechts- und Amtshilfe.<br />
a) Aktenvorlage:<br />
Grundsätzlich sind der Staatsanwaltschaft alle Behördenakten vorzulegen,<br />
die sie zur Aufklärung des Sachverhaltes benötigt.<br />
Einzige Ausnahme:<br />
StPO § 96<br />
Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher<br />
Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und<br />
öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste<br />
Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser<br />
Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen<br />
Landes Nachteile bereiten würde. Satz 1 gilt entsprechend<br />
für Akten und sonstige Schriftstücke, die sich im Gewahrsam eines<br />
Mitglieds des Bundestages oder eines Landtages beziehungsweise<br />
eines Angestellten einer Fraktion des Bundestages oder eines<br />
Landtages befinden, wenn die für die Erteilung einer Aussagegenehmigung<br />
zuständige Stelle eine solche Erklärung abgegeben hat.<br />
b) Zeugenaussagen:<br />
Amtsträger müssen dem Staatsanwalt als Zeugen Rede und Antwort<br />
stehen:<br />
StPO § 54<br />
(1) Für die Vernehmung von Richtern, Beamten und anderen Personen<br />
des öffentlichen Dienstes als Zeugen über Umstände, auf die<br />
sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, und für die Genehmigung<br />
zur Aussage gelten die besonderen beamtenrechtlichen<br />
Vorschriften.
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Seite 44<br />
6 Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren Seite 4<br />
BRRG § 39<br />
(1) Der Beamte hat, auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses,<br />
über die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen<br />
Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht<br />
für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr oder über Tatsachen, die<br />
offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung<br />
bedürfen.<br />
(2) Der Beamte darf ohne Genehmigung über solche Angelegenheiten<br />
weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen<br />
abgeben. Die Genehmigung erteilt der Dienstherr oder,<br />
wenn das Beamtenverhältnis beendet ist, der letzte Dienstherr. Hat<br />
sich der Vorgang, der den Gegenstand der Äußerung bildet, bei einem<br />
früheren Dienstherrn ereignet, so darf die Genehmigung nur<br />
mit dessen Zustimmung erteilt werden. Durch Gesetz kann bestimmt<br />
werden, daß an die Stelle des in den Sätzen 2 und 3 genannten<br />
jeweiligen Dienstherrn eine andere Stelle tritt.<br />
(3) Die Genehmigung, als Zeuge auszusagen, darf nur versagt werden,<br />
wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen<br />
Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher<br />
Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde.<br />
Durch Gesetz kann bestimmt werden, daß die Verweigerung der<br />
Genehmigung zur Aussage vor Untersuchungsausschüssen des<br />
Bundestages oder der Volksvertretung eines Landes einer Nachprüfung<br />
unterzogen werden kann. Die Genehmigung, ein Gutachten<br />
zu erstatten, kann versagt werden, wenn die Erstattung den dienstlichen<br />
Interessen Nachteile bereiten würde.<br />
(4)...
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Seite 45<br />
Anhang Straftaten im Amt<br />
1 Die echten Amtsdelikte<br />
§§ 331 – 334 (Bestechungsdelikte im weiteren Sinne), 339 (Rechtsbeugung),<br />
343 (Aussageerpressung), 344 (Verfolgung Unschuldiger),<br />
345 (Vollstreckung gegen Unschuldige), 348 (Falschbeurkundung<br />
im Amt), 353 (Abgabenüberhebung), 357 (Verleitung eines<br />
Untergebenen zu einer Straftat<br />
1.1 StGB § 339 Rechtsbeugung<br />
Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter,<br />
welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer<br />
Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer<br />
Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe<br />
von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.<br />
Anmerkungen:<br />
• Rechtsgut des § 339 StGB ist die Rechtspflege, insbesondere die<br />
Geltung der Rechtsordnung und das Vertrauen der Allgemeinheit in<br />
die Unparteilichkeit und Willkürfreiheit bei der Leitung und Entscheidung<br />
von Rechtssachen.<br />
• Mögliche Täter sind nicht nur Richter, sondern z. B. auch Staatsanwälte<br />
(im Ermittlungsverfahren), Rechtspfleger, der in Kostenfestsetzungssachen<br />
zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle. Aber<br />
nur, wenn eine Rechtssache wie durch einen Richter geleitet oder<br />
entschieden wird. Deshalb ist auch ein Richter dann nicht tauglicher<br />
Täter einer Rechtsbeugung, wenn er led. Justizverwaltungsaufgaben<br />
wahrnimmt.<br />
• Eine Beugung des Rechts liegt nur dann vor, wenn der Täter sich bewusst<br />
und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt.<br />
• Dem § 339 StGB kommt zum Schutz der Unabhängigkeit der Rechtspflege<br />
eine Sperrwirkung in dem Sinne zu, dass eine Verurteilung<br />
wegen einer Tätigkeit bei der Leitung einer Rechtssache nach anderen<br />
Vorschriften nur möglich ist, wenn die Voraussetzungen des § 339<br />
gegeben sind.
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Seite 46<br />
Anhang Straftaten im Amt<br />
1 Die echten Amtsdelikte<br />
1.2 StGB § 343 Aussageerpressung<br />
(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an<br />
1. einem Strafverfahren, einem Verfahren zur Anordnung einer<br />
behördlichen Verwahrung,<br />
2. einem Bußgeldverfahren oder<br />
3. einem Disziplinarverfahren oder einem ehrengerichtlichen<br />
oder berufsgerichtlichen Verfahren<br />
berufen ist, einen anderen körperlich mißhandelt, gegen ihn sonst<br />
Gewalt anwendet, ihm Gewalt androht oder ihn seelisch quält, um<br />
ihn zu nötigen, in dem Verfahren etwas auszusagen oder zu erklären<br />
oder dies zu unterlassen, wird mit Freiheitsstrafe von einem<br />
Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.<br />
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von<br />
sechs Monaten bis zu fünf Jahren.<br />
• Beispielfall:<br />
Der Sohn des Großunternehmers G wurde entführt und ermordet. Der Tatverdächtige<br />
V sitzt bereits in Untersuchungshaft, bestreitet aber die Tat. G<br />
bietet Staatsanwalt S einen größeren Geldbetrag, wenn er V – wie auch immer<br />
– zu einem Geständnis bringt. S<br />
a) erläßt zunächst ein Rauchverbot für V während der Vernehmung,<br />
b) droht ihm langjährige Haft an, falls er nicht gestehe und<br />
c) beendet die Vernehmung erst, nachdem das Geständnis nach 24stündigem<br />
Vernehmungsmarathon vorliegt.<br />
Lösungshinweis: Bei a) und b) kann sich S möglicherweise noch herausreden,<br />
weil es für ein Rauchverbot sachliche Gründe geben kann und die Androhung<br />
langjähriger Haft eher eine Warnung vor den gesetzlichen Folgen der Tat gewesen<br />
sein könnte. Schlafentzug indes dürfte eine körperliche Misshandlung darstellen.
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Anhang Straftaten im Amt<br />
1 Die echten Amtsdelikte<br />
1.3 StGB § 344 Verfolgung Unschuldiger<br />
(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren, abgesehen<br />
von dem Verfahren zur Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden<br />
Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), berufen ist, absichtlich oder wissentlich einen<br />
Unschuldigen oder jemanden, der sonst nach dem Gesetz nicht strafrechtlich<br />
verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche<br />
Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn<br />
Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis<br />
zu fünf Jahren bestraft. Satz 1 gilt sinngemäß für einen Amtsträger, der zur<br />
Mitwirkung an einem Verfahren zur Anordnung einer behördlichen Verwahrung<br />
berufen ist.<br />
(2) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Verfahren zur Anordnung<br />
einer nicht freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) berufen<br />
ist, absichtlich oder wissentlich jemanden, der nach dem Gesetz nicht<br />
strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche<br />
Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu<br />
fünf Jahren bestraft. Satz 1 gilt sinngemäß für einen Amtsträger, der zur<br />
Mitwirkung an<br />
1. einem Bußgeldverfahren oder<br />
2. einem Disziplinarverfahren oder einem ehrengerichtlichen oder<br />
berufsgerichtlichen Verfahren<br />
berufen ist. Der Versuch ist strafbar.<br />
• Beispielfall:<br />
Staatsanwalt S ist mit dem Barbetreiber B aus dem Rotlichtmilieu in der Stadt<br />
D befreundet. B hat einen lästigen Konkurrenten K, den er aus D verdrängen<br />
möchte. B bietet S eine Dauerkarte für sein Bordell, wenn er dem K „zur Abschreckung“<br />
eine schriftliche Anhörung als Beschuldigter in einer Steuerstrafsache<br />
zusende.<br />
Lösungshinweis: Der Täter muss entweder wissen, dass er mit seinem dienstlichen<br />
Akt jemanden verfolgt, der nicht verfolgt werden darf oder es muss ihm darauf<br />
ankommen, einen Unschuldigen zu verfolgen, auch wenn er keine sichere<br />
Kenntnis von dessen Unschuld hat (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Auflage, § 344<br />
Rdn. 5).
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Anhang Straftaten im Amt<br />
1 Die echten Amtsdelikte<br />
1.4 StGB § 345 Vollstreckung gegen Unschuldige<br />
(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung bei der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe,<br />
einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung oder<br />
einer behördlichen Verwahrung berufen ist, eine solche Strafe, Maßregel oder<br />
Verwahrung vollstreckt, obwohl sie nach dem Gesetz nicht vollstreckt werden<br />
darf, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren<br />
Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.<br />
(2) Handelt der Täter leichtfertig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr<br />
oder Geldstrafe.<br />
(3) Wer, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, als Amtsträger, der zur Mitwirkung<br />
bei der Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8)<br />
berufen ist, eine Strafe oder Maßnahme vollstreckt, obwohl sie nach dem Gesetz<br />
nicht vollstreckt werden darf, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf<br />
Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung bei<br />
der Vollstreckung<br />
1. eines Jugendarrestes,<br />
2. einer Geldbuße oder Nebenfolge nach dem<br />
Ordnungswidrigkeitenrecht,<br />
3. eines Ordnungsgeldes oder einer Ordnungshaft oder<br />
4. einer Disziplinarmaßnahme oder einer ehrengerichtlichen oder<br />
berufsgerichtlichen Maßnahme<br />
berufen ist, eine solche Rechtsfolge vollstreckt, obwohl sie nach dem Gesetz nicht<br />
vollstreckt werden darf. Der Versuch ist strafbar.<br />
• Beispielfall:<br />
Rechtspfleger R stellt bei der Strafzeitberechnung fest, dass der von allen ungeliebte<br />
rumänische Stadtquerulant Q noch einsitzt, obwohl die Strafe bereits abgesessen<br />
ist. Q selbst hat offenbar noch nichts gemerkt. R fragt beim Ausländeramt<br />
nach, ob man den Q nicht endlich abschieben könne. Der Amtsleiter weist darauf<br />
hin, dass man hierfür nur noch wenige Tage benötige und bietet R, wenn er jetzt<br />
patriotisch denke, eine unbürokratische Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis<br />
seiner thailändischen Putzhilfe.<br />
Lösungshinweis: Die Tat kann auch durch Unterlassen begangen werden, wenn<br />
der Täter eine Garantenstellung hat. (§ 13 StGB).
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Anhang Straftaten im Amt<br />
1 Die echten Amtsdelikte<br />
1.5 StGB § 348 Falschbeurkundung im Amt<br />
(1) Ein Amtsträger, der, zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugt,<br />
innerhalb seiner Zuständigkeit eine rechtlich erhebliche Tatsache<br />
falsch beurkundet oder in öffentliche Register, Bücher oder Dateien<br />
falsch einträgt oder eingibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren<br />
oder mit Geldstrafe bestraft.<br />
(2) Der Versuch ist strafbar.<br />
__________________________________________________________<br />
Anmerkungen:<br />
• ZPO § 415 Beweiskraft öffentlicher Urkunden über Erklärungen<br />
(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer<br />
Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen<br />
Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen<br />
Form aufgenommen sind (öffentliche Urkunden), begründen,<br />
wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene<br />
Erklärung errichtet sind, vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson<br />
beurkundeten Vorganges.<br />
(2) ...<br />
• Nur Tatsachen, die in öffentlicher Urkunde mit Beweiswirkung<br />
für und gegen jedermann beurkundet werden, kommen in Frage;<br />
dazu gehören vor allem solche, die nach dem Gesetz zwingend<br />
anzugeben sind (BGHSt 44, 186, 188;47, 39, 41f.)<br />
• Beispielfall:<br />
Gläubiger Reich hat einen Vollstreckungstitel gegen den von ihm mit Ware belieferten<br />
Arm. Der mit der Mobiliarpfändung beauftragte Gerichtsvollzieher G<br />
teilt mit, Arm sei spurlos verschwunden. Reich bietet dem G eine „doppelte<br />
Gebühr“, wenn er gleichwohl eine fruchtlose Pfändung protokolliere. Mit Hilfe<br />
dieses Protokolls könne er den Schaden bei seiner Warenkreditversicherung<br />
geltend machen.
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1 Die echten Amtsdelikte<br />
1.6 StGB § 353 Abgabenüberhebung, Leistungskürzung<br />
(1) Ein Amtsträger, der Steuern, Gebühren oder andere Abgaben für<br />
eine öffentliche Kasse zu erheben hat, wird, wenn er Abgaben, von<br />
denen er weiß, daß der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerem<br />
Betrag schuldet, erhebt und das rechtswidrig Erhobene<br />
ganz oder zum Teil nicht zur Kasse bringt, mit Freiheitsstrafe von<br />
drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.<br />
(2) Ebenso wird bestraft, wer als Amtsträger bei amtlichen Ausgaben<br />
an Geld oder Naturalien dem Empfänger rechtswidrig Abzüge<br />
macht und die Ausgaben als vollständig geleistet in Rechnung<br />
stellt.<br />
Beispielfall:<br />
Kostenbeamter K stellt fortlaufend den jeweiligen Antragstellern<br />
überhöhte Kosten für Ablichtungen aus den Akten in Rechnung.<br />
Das zuviel eingenommene Geld verbucht er zugunsten des mit ihm<br />
befreundeten Kostenschuldners S, dem er auf diese Weise zu einer<br />
bequemen Tilgung seiner Verbindlichkeiten verhilft. S revanchiert<br />
sich mit einem opulenten Mittagessen.<br />
Lösungshinweise:<br />
• Unter „andere Abgaben“ fallen alle Leistungen an eine öffentliche<br />
Kasse, welche in irgendeiner Beziehung öffentlichrechtlichen<br />
Charakter in sich tragen, wenn auch nur die Höhe der<br />
Leistung sich nach derartigen Grundsätzen bemißt (RGSt 41, 92),<br />
also auch Schreibauslagen, Kopierentgelte etc.);<br />
• zur Kasse gebracht ist ein Betrag, wenn er der jeweils zuständigen<br />
Amtskasse tatsächlich zufließt und ordnungsgemäß verbucht<br />
wird.
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1 Die echten Amtsdelikte<br />
1.7 StGB § 357 Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat<br />
(1) Ein Vorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einer rechtswidrigen<br />
Tat im Amt verleitet oder zu verleiten unternimmt oder eine<br />
solche rechtswidrige Tat seiner Untergebenen geschehen läßt,<br />
hat die für diese rechtswidrige Tat angedrohte Strafe verwirkt.<br />
(2) Dieselbe Bestimmung findet auf einen Amtsträger Anwendung,<br />
welchem eine Aufsicht oder Kontrolle über die Dienstgeschäfte eines<br />
anderen Amtsträgers übertragen ist, sofern die von diesem<br />
letzteren Amtsträger begangene rechtswidrige Tat die zur Aufsicht<br />
oder Kontrolle gehörenden Geschäfte betrifft.<br />
_____________________________________________________________<br />
Anmerkung:<br />
Es handelt sich um eine zur eigenständigen Straftat erhobene Beteiligung<br />
(vollendete oder versuchte Anstiftung sowie positive oder negative Beihilfe) an<br />
der Straftat eines Untergebenen (Abs. 1) oder eines zu Beaufsichtigenden<br />
(Abs. 2).<br />
Beispielfall:<br />
Buchhändler B gewährt der Geschäftsleiterin G des OLG einen Rabatt<br />
von 20 % auf die reichlich von ihr bezogene schöngeistige Literatur. B<br />
erwartet, dass G ihren zuständigen Mitarbeiter M dahin bringt, dienstlich<br />
benötigte Bücher generell, ohne Einholung verschiedener Angebote und<br />
ohne Bibliotheksrabatt bei B zu bestellen.<br />
Lösungshinweise:<br />
• Es kommt nicht darauf an, dass sich die Tat des M als Amtsdelikt darstellt.<br />
Es genügt, dass M vorsätzlich und rechtswidrig (im Amt) das Allgemeindelikt<br />
der Untreue begeht, indem er die Bücher überteuert einkauft.<br />
• Handelt M gutgläubig, ist weder er noch G nach § 357 StGB strafbar. Sie<br />
kann aber unter bestimmten Voraussetzungen als mittelbare Täterin der<br />
Untreue bestraft werden.<br />
• Wäre G selbst Mittäterin der Untreue, weil sie die Buchbestellung selbst<br />
unterschreiben muss, entfiele die Straftat nach § 357 StGB.
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2 Die unechten Amtsdelikte<br />
Neben den echten Amtsdelikten, die nur durch einen Amtsträger<br />
begehbar sind, gibt es die unechten Amtsdelikte. Diese sehen als<br />
Täter ebenfalls einen Amtsträger vor, sind von ihrer Grundstruktur<br />
her aber durch jedermann (oder auch durch andere Berufsgruppen)<br />
begehbar. Die Amtsträgereigenschaft führt allenfalls zu einer Verschärfung<br />
des Straftatbestandes durch eine Erweiterung der strafbaren<br />
Tatmodalitäten oder höhere Strafen.<br />
97 b II (Verrat von Staatsgeheimnissen), 120 II (Gefangenenbefreiung),<br />
133 III Verwahrungsbruch, 174 b (Sex. Missbrauch unter Ausnutzung<br />
einer Amtsstellung), 201 III (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes),<br />
203 II Nr. 1, 2 (Verletzung von Privatgeheimnissen), 258 a (Strafvereitelung<br />
im Amt), 340 (Körperverletzung im Amt), 352 (Gebührenüberhebung),<br />
353 b (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen<br />
Geheimhaltungspflicht), 355 (Verletzung des Steuergeheimnisses)<br />
2.1 StGB § 97b Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses<br />
Vom Abdruck der für den Justizbereich kaum relevanten Vorschrift wurde abgesehen. Es<br />
geht – grob gesagt - um Folgendes:<br />
Jedermann kann nach § 94 bis 97 StGB wegen Landesverrates bestraft werden, der durch<br />
die unbefugte Verbreitung eines Staatsgeheimnisses die äußere Sicherheit Deutschlands<br />
beeinträchtigt. Tatsachen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder zwischenstaatliche<br />
Rüstungsbeschränkungen verstoßen, sind keine Staatsgeheimnisse (sog.<br />
illegales Geheimnis gem. § 93 Abs. 2 StGB).<br />
Glaubt Jedermann irrig, ein Geheimnis sei illegal, so wird er nach § 97 b Abs. 1 nur bestraft,<br />
wenn<br />
1. dieser Irrtum ihm vorzuwerfen ist,<br />
2. er nicht in der Absicht handelt, dem vermeintlichen Verstoß entgegenzuwirken, oder<br />
3. die Tat nach den Umständen kein angemessenes Mittel zu diesem Zweck ist.<br />
Die Tat ist in der Regel kein angemessenes Mittel, wenn der Täter nicht zuvor ein Mitglied<br />
des Bundestages um Abhilfe angerufen hat.<br />
Und jetzt kommt Absatz 2:<br />
War dem Täter als Amtsträger oder als Soldat der Bundeswehr das Staatsgeheimnis<br />
dienstlich anvertraut oder zugänglich, so wird er auch dann bestraft, wenn nicht zuvor<br />
der Amtsträger einen Dienstvorgesetzten, der Soldat einen Disziplinarvorgesetzten um<br />
Abhilfe angerufen hat. Dies gilt für die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten<br />
und für Personen, die im Sinne des § 353b Abs. 2 verpflichtet worden sind, sinngemäß.
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Anhang Straftaten im Amt<br />
2 Die unechten Amtsdelikte<br />
2.2 StGB § 120 Gefangenenbefreiung<br />
(1) Wer einen Gefangenen befreit, ihn zum Entweichen verleitet oder dabei fördert,<br />
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.<br />
(2) Ist der Täter als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter<br />
gehalten, das Entweichen des Gefangenen zu verhindern, so ist die Strafe<br />
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.<br />
(3) Der Versuch ist strafbar.<br />
(4) Einem Gefangenen im Sinne der Absätze 1 und 2 steht gleich, wer sonst auf behördliche<br />
Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird.<br />
2.3 StGB § 133 Verwahrungsbruch<br />
(1) Wer Schriftstücke oder andere bewegliche Sachen, die sich in dienstlicher<br />
Verwahrung befinden oder ihm oder einem anderen dienstlich in Verwahrung<br />
gegeben worden sind, zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht oder der<br />
dienstlichen Verfügung entzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren<br />
oder mit Geldstrafe bestraft.<br />
(2) Dasselbe gilt für Schriftstücke oder andere bewegliche Sachen, die sich in amtlicher<br />
Verwahrung einer Kirche oder anderen Religionsgesellschaft des öffentlichen<br />
Rechts befinden oder von dieser dem Täter oder einem anderen amtlich in Verwahrung<br />
gegeben worden sind.<br />
(3) Wer die Tat an einer Sache begeht, die ihm als Amtsträger oder für den öffentlichen<br />
Dienst besonders Verpflichteten anvertraut worden oder zugänglich geworden<br />
ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.<br />
• Beispiele dienstlich verwahrter Gegenstände aus dem Justizbereich:<br />
• Versteigerungsbekanntmachung eines Gerichtsvollziehers<br />
• Führerschein bei Fahrverbot<br />
• amtlich aufbewahrte Blutprobe<br />
• Bargeld, Schecks (z.B. für Geldauflagen)<br />
• Akten, auch wenn sie weggelegt sind<br />
• vom Staatsanwalt entgegengenommene Beweismittel und sonstige Asservate<br />
• Nicht dienstlich verwahrt sind z. B.:<br />
• die von der Behörde selbst zu verbrauchenden Gegenstände<br />
(z. B. Schreibmaterial)<br />
• zur Veräußerung und Vernichtung bestimmte Sachen, zur Auszahlung bestimmtes<br />
Geld<br />
• Blankovordrucke, Überstücke von Anklageschriften und Urteilen für<br />
Weiterbildungszwecke<br />
• Gegenstände in Sammlungen und Bibliotheken
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2 Die unechten Amtsdelikte<br />
2.4 StGB § 201 Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes<br />
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt<br />
1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger<br />
aufnimmt oder<br />
2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich<br />
macht.<br />
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt<br />
1. das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort<br />
eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder<br />
2. das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1<br />
abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut<br />
oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.<br />
Die Tat nach Satz 1 Nr. 2 ist nur strafbar, wenn die öffentliche Mitteilung geeignet<br />
ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen. Sie ist nicht<br />
rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher<br />
Interessen gemacht wird.<br />
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer<br />
als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter<br />
die Vertraulichkeit des Wortes verletzt (Absätze 1 und 2).<br />
(4) Der Versuch ist strafbar.<br />
(5) Die Tonträger und Abhörgeräte, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat,<br />
können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.<br />
___________________________________________________________________<br />
• Nach h. M. (z. B. BGH NJW 1982, 258, BGHSt 39, 346) sind Telefongeräte<br />
keine Abhörgeräte, auch nicht eingebaute Lautsprecher, Zweithörer oder<br />
sonstige Mithöreinrichtungen, da ein Fernsprechteilnehmer regelmäßig mit<br />
der Einbeziehung eines Mithörers durch seinen Gesprächspartner rechnen<br />
muss.<br />
• Unbefugt ist das Aufnehmen des Gespräches nicht, wenn der Gesprächspartner<br />
einwilligt. Streitig ist die Rechtslage, wenn der Gesprächspartner<br />
zwar weiß, dass das Gespräch mitgeschnitten wird, er aber widerspricht.
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2 Die unechten Amtsdelikte<br />
2.5 StGB § 203 Verletzung von Privatgeheimnissen<br />
(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich<br />
gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als<br />
1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen<br />
Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der<br />
Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,<br />
2. Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher<br />
Abschlußprüfung,<br />
3. Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich<br />
geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer,<br />
Steuerberater, Steuerbevollmächtigten oder Organ oder Mitglied eines<br />
Organs einer Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfungs-,<br />
Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft,<br />
4. Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für<br />
Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder<br />
Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist.<br />
4a. Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3<br />
und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes,<br />
5. staatlich anerkanntem Sozialarbeiter oder staatlich anerkanntem<br />
Sozialpädagogen oder<br />
6. Angehörigen eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder<br />
Lebensversicherung oder einer privatärztlichen Verrechnungsstelle<br />
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem<br />
Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.<br />
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein<br />
zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebsoder<br />
Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als<br />
1. Amtsträger,<br />
2. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,<br />
3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht<br />
wahrnimmt,<br />
4. Mitglied eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes<br />
tätigen Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, das<br />
nicht selbst Mitglied des Gesetzgebungsorgans ist, oder als Hilfskraft<br />
eines solchen Ausschusses oder Rates,<br />
5. öffentlich bestelltem Sachverständigen, der auf die gewissenhafte<br />
Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich<br />
verpflichtet worden ist, oder<br />
6. Person, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht<br />
bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben auf<br />
Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist,<br />
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Einem Geheimnis im Sinne des Satzes 1<br />
stehen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse eines anderen gleich, die für Aufgaben der öffentlichen<br />
Verwaltung erfaßt worden sind; Satz 1 ist jedoch nicht anzuwenden, soweit solche Einzelangaben anderen Behörden oder<br />
sonstigen Stellen für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bekanntgegeben werden und das Gesetz dies nicht untersagt.<br />
(3) Einem in Absatz 1 Nr. 3 genannten Rechtsanwalt stehen andere Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer gleich. Den in<br />
Absatz 1 und Satz 1 Genannten stehen ihre berufsmäßig tätigen Gehilfen und die Personen gleich, die bei ihnen zur Vorbereitung<br />
auf den Beruf tätig sind. Den in Absatz 1 und den in Satz 1 und 2 Genannten steht nach dem Tod des zur Wahrung des<br />
Geheimnisses Verpflichteten ferner gleich, wer das Geheimnis von dem Verstorbenen oder aus dessen Nachlaß erlangt hat.<br />
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind auch anzuwenden, wenn der Täter das fremde Geheimnis nach dem Tod des Betroffenen unbefugt<br />
offenbart.<br />
(5) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen<br />
zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe<br />
bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
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2.6 StGB § 258a Strafvereitelung im Amt<br />
(1) Ist in den Fällen des § 258 Abs. 1 der Täter als Amtsträger zur Mitwirkung<br />
bei dem Strafverfahren oder dem Verfahren zur Anordnung<br />
der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) oder ist er in den Fällen des § 258<br />
Abs. 2 als Amtsträger zur Mitwirkung bei der Vollstreckung der<br />
Strafe oder Maßnahme berufen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von<br />
sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe<br />
bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.<br />
(2) Der Versuch ist strafbar.<br />
(3) § 258 Abs. 3 und 6 ist nicht anzuwenden.<br />
• § 258 StGB stellt bei jedermann Strafvereitelung durch aktives<br />
Tun unter Strafe, etwa durch Beseitigen von Tatspuren oder das Verbergen<br />
des Täters. Wer von einer begangenen – auch schweren –<br />
Straftat weiß, sein Wissen aber für sich behält, bleibt im Prinzip straflos.<br />
Anders ist die Rechtslage bei einer bevorstehenden schweren<br />
Straftat (§ 138 StGB).<br />
• Strafvereitelung durch bloßes Unterlassen ist dann mit Strafe<br />
bedroht, wenn der Täter kraft seiner Amtsstellung geradezu verpflichtet<br />
ist, Anzeige zu erstatten, also in erster Linie Beamte der<br />
Strafjustiz und der Polizei. Das kann im Einzelfall aber auch der<br />
Dienstvorgesetzte des Straftäters sein oder der Leiter einer JVA<br />
hinsichtlich der Straftat eines Gefangenen, wenn die Kenntnis<br />
von der Straftat dienstlich erlangt wurde.<br />
• Wer als „anzeigepflichtiger“ Amtsträger privat Kenntnis von einer<br />
Straftat erlangt, ist zum Einschreiten verpflichtet, wenn es sich um eine<br />
schwere Straftat handelt.<br />
• Unter den Voraussetzungen des § 258 a StGB ist die Strafe besonders<br />
hoch. Das für jedermann geltende Angehörigenprivileg<br />
(Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei)<br />
findet keine Anwendung.
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2.7 StGB § 353b Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer<br />
besonderen Geheimhaltungspflicht (Seite 1)<br />
(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als<br />
1. Amtsträger,<br />
2. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder<br />
3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht<br />
wahrnimmt,<br />
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch<br />
wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder<br />
mit Geldstrafe bestraft. Hat der Täter durch die Tat fahrlässig wichtige öffentliche Interessen<br />
gefährdet, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.<br />
(2) Wer, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, unbefugt einen Gegenstand oder eine<br />
Nachricht, zu deren Geheimhaltung er<br />
1. auf Grund des Beschlusses eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder<br />
eines Landes oder eines seiner Ausschüsse verpflichtet ist oder<br />
2. von einer anderen amtlichen Stelle unter Hinweis auf die Strafbarkeit<br />
der Verletzung der Geheimhaltungspflicht förmlich verpflichtet worden ist,<br />
an einen anderen gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch wichtige öffentliche<br />
Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe<br />
bestraft.<br />
(3) Der Versuch ist strafbar.<br />
(4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung verfolgt. Die Ermächtigung wird erteilt<br />
1. von dem Präsidenten des Gesetzgebungsorgans<br />
a) in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner<br />
Tätigkeit bei einem oder für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines<br />
Landes bekanntgeworden ist,<br />
b) in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1;<br />
2. von der obersten Bundesbehörde<br />
a) in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner<br />
Tätigkeit sonst bei einer oder für eine Behörde oder bei einer anderen amtlichen Stelle<br />
des Bundes oder für eine solche Stelle bekanntgeworden ist,<br />
b) in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2, wenn der Täter von einer amtlichen Stelle<br />
des Bundes verpflichtet worden ist;<br />
3. von der obersten Landesbehörde in allen übrigen Fällen der Absätze 1<br />
und 2 Nr. 2.
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Anhang Straftaten im Amt<br />
2 Die unechten Amtsdelikte<br />
2.7 StGB § 353b Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer<br />
besonderen Geheimhaltungspflicht (Seite 2)<br />
BGH NStZ 2000, 596 ff.<br />
Der Fall:<br />
RA R betrieb in Berlin eine Kanzlei. Er vereinbarte mit dem Polizeibeamten im BGS<br />
S, dass dieser unter Ausschöpfung seiner dienstlichen Möglichkeiten (aber außerhalb<br />
seines konkreten Aufgabengebietes) Wohnanschriften bzw. Aufenthaltsorte<br />
von Schuldnern oder Prozessgegnern kurzfristig mitteilen sollte. Pro Auskunft erhielt<br />
S mindestens 5,-- DM. In insgesamt 11 Fällen verschaffte S die gewünschten<br />
Informationen durch Verwendung seines Dienst-PC, der ihm einen Zugriff auf Datenbestände<br />
des BGS ermöglichte. Teilweise erlangte er die Informationen auch<br />
durch Zevis-P-Abfragen (Zentrales Verkehrsinformationssystem), die er unter<br />
Verwendung falscher Tagebuchnummern über das Grenzschutzamt Frankfurt/O.<br />
veranlasste. In 5 Fällen leitete er Mitteilungen über Inhaftierungen, bestehende<br />
Haftbefehle oder beglichene Steuerschulden an die Kanzlei des R weiter. In einem<br />
Fall stellte S bei einer Mobilfunkbetreiberin unter Nennung einer Telefonnummer<br />
die Personalien des Anschlussnehmers fest, wobei er eine falsche Tagebuchnummer<br />
des BGS verwandte mit der Folge, dass dem BGS für die Auskunft das<br />
Entgelt von 25,-- DM in Rechnung gestellt wurde.<br />
Die Lösung:<br />
Das Landgericht Berlin verurteilte S wegen Bestechlichkeit in 11 Fällen, Verletzung<br />
des Dienstgeheimnisses in 5 Fällen und Untreue zu 1 J. 9 Mon. mit Bewährung.<br />
R kam wegen Bestechung und anderer Straftaten in 7 Fällen mit einer<br />
Geldstrafe davon.<br />
Der BGH führte zu § 353 b Abs. 1 StGB aus:<br />
Eine Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen kam hier allenfalls mittelbar<br />
in Betracht, wenn durch das Offenbaren der Daten das Vertrauen der Öffentlichkeit<br />
in die Integrität des BGS beeinträchtigt wurde. Dies ist anhand der Besonderheiten<br />
des Einzelfalls zu beurteilen und im vorliegenden Fall zu verneinen.<br />
Bei S handelte es sich um einen jungen Berufsanfänger in untergeordneter<br />
Stellung. Die von ihm übermittelten Informationen sollten keinem größeren<br />
Personenkreis zugänglich gemacht werden. Angesichts der Zweckbestimmung<br />
(Feststellung der Aufenthaltsorte untergetauchter Schuldner und Prozessgegner)<br />
führt auch die Preisgabe möglicherweise kompromittierender Daten noch<br />
nicht zu einer Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen.
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Anhang Straftaten im Amt<br />
2 Die unechten Amtsdelikte<br />
2.8 StGB § 355 Verletzung des Steuergeheimnisses<br />
(1) Wer unbefugt<br />
1. Verhältnisse eines anderen, die ihm als Amtsträger<br />
a) in einem Verwaltungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in<br />
Steuersachen,<br />
b) in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder in einem<br />
Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit,<br />
c) aus anderem Anlaß durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder<br />
durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids<br />
oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen<br />
Feststellungen bekanntgeworden sind, oder<br />
2. ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm als<br />
Amtsträger in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren<br />
bekanntgeworden ist,<br />
offenbart oder verwertet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit<br />
Geldstrafe bestraft.<br />
(2) Den Amtsträgern im Sinne des Absatzes 1 stehen gleich<br />
1. die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,<br />
2. amtlich zugezogene Sachverständige und<br />
3. die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften<br />
des öffentlichen Rechts.<br />
(3) Die Tat wird nur auf Antrag des Dienstvorgesetzten oder des Verletzten<br />
verfolgt. Bei Taten amtlich zugezogener Sachverständiger ist der Leiter<br />
der Behörde, deren Verfahren betroffen ist, neben dem Verletzten antragsberechtigt.
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Anhang Straftaten im Amt<br />
2 Die unechten Amtsdelikte<br />
2.9 Straftaten nach den Datenschutzgesetzen<br />
Landesdatenschutzgesetz NW § 33<br />
Absatz 1:<br />
Wer gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder<br />
einen anderen zu schädigen, entgegen den Vorschriften über den Datenschutz in<br />
diesem Gesetz oder in anderen Rechtsvorschriften des Landes <strong>Nordrhein</strong>-Westfalen<br />
personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind,<br />
1. erhebt, speichert, zweckwidrig verwendet, verändert, weitergibt, zum Abruf bereithält<br />
oder löscht,<br />
2. abruft, einsieht, sich verschafft oder durch Vortäuschung falscher Tatsachen ihre<br />
Weitergabe an sich oder andere veranlasst,<br />
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird<br />
bestraft, wer unter den in Satz 1 genannten Voraussetzungen Einzelangaben über<br />
persönliche oder sachliche Verhältnisse einer nicht mehr bestimmbaren Person mit<br />
anderen Informationen zusammenführt und dadurch die betroffene Person wieder<br />
bestimmbar macht. Der Versuch ist strafbar.<br />
Absatz 2:<br />
Absatz 1 findet nur Anwendung, soweit die Tat nicht nach anderen Vorschriften mit<br />
Strafe bedroht ist.<br />
Bundesdatenschutzgesetz § 44<br />
Absatz 1:<br />
Wer eine in § 43 Abs. 2 bezeichnete vorsätzliche Handlung gegen Entgelt oder in der<br />
Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen,<br />
begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.<br />
Absatz 2:<br />
Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. 2 Antragsberechtigt sind der Betroffene, die verantwortliche<br />
Stelle, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit<br />
und die Aufsichtsbehörde.
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Anhang Straftaten im Amt<br />
2 Die unechten Amtsdelikte<br />
2.10 Weitere unechte Amtsdelikte ohne besondere Korruptionsrelevanz<br />
2.10.1 StGB § 174b Sexueller Mißbrauch<br />
unter Ausnutzung einer Amtsstellung<br />
(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren oder an einem<br />
Verfahren zur Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung<br />
und Sicherung oder einer behördlichen Verwahrung berufen ist, unter Mißbrauch<br />
der durch das Verfahren begründeten Abhängigkeit sexuelle Handlungen an demjenigen,<br />
gegen den sich das Verfahren richtet, vornimmt oder an sich von dem anderen<br />
vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe<br />
bestraft.<br />
(2) Der Versuch ist strafbar.<br />
* * *<br />
2.10.2 StGB § 340 Körperverletzung im Amt<br />
(1) Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung<br />
auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt, wird<br />
mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren<br />
Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.<br />
(2) Der Versuch ist strafbar.<br />
(3) Die §§ 224 bis 229 gelten für Straftaten nach Absatz 1 Satz 1 entsprechend.<br />
* * *<br />
2.10.3 StGB § 352 Gebührenüberhebung<br />
(1) Ein Amtsträger, Anwalt oder sonstiger Rechtsbeistand, welcher Gebühren oder<br />
andere Vergütungen für amtliche Verrichtungen zu seinem Vorteil zu erheben hat,<br />
wird, wenn er Gebühren oder Vergütungen erhebt, von denen er weiß, daß der Zahlende<br />
sie überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrag schuldet, mit Freiheitsstrafe<br />
bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.<br />
(2) Der Versuch ist strafbar.<br />
• Im Bereich der Justiz sind taugliche Täter neben den Notaren in erster Linie die<br />
Gerichtsvollzieher.<br />
* * *
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3 Sonstige typische Straftaten im Amt<br />
(Beteiligung an 353 d, Untreue)<br />
3.1 StGB § 353d (Seite 1)<br />
Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen<br />
Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird<br />
bestraft, wer<br />
1. entgegen einem gesetzlichen Verbot über eine Gerichtsverhandlung,<br />
bei der die Öffentlichkeit ausgeschlossen<br />
war, oder über den Inhalt eines die Sache<br />
betreffenden amtlichen Schriftstücks öffentlich eine<br />
Mitteilung macht,<br />
2. entgegen einer vom Gericht auf Grund eines Gesetzes<br />
auferlegten Schweigepflicht Tatsachen unbefugt<br />
offenbart, die durch eine nichtöffentliche Gerichtsverhandlung<br />
oder durch ein die Sache betreffendes<br />
amtliches Schriftstück zu seiner Kenntnis gelangt<br />
sind, oder<br />
3. die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstükke<br />
eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens<br />
oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen<br />
Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor<br />
sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden<br />
sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.
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Anhang Straftaten im Amt<br />
3 Sonstige typische Straftaten im Amt<br />
3.1 StGB § 353d (Seite 2)<br />
Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen<br />
• Dieser Straftatbestand steht im engen Zusammenhang<br />
mit folgenden Rechtsnormen:<br />
GVG § 171b<br />
(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände<br />
aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozeßbeteiligten, Zeugen<br />
oder durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 des Strafgesetzbuches)<br />
Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung<br />
schutzwürdige Interessen verletzen würde, soweit nicht das Interesse an<br />
der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Dies gilt nicht,<br />
soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, in der Hauptverhandlung<br />
dem Ausschluß der Öffentlichkeit widersprechen.<br />
(2) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen des<br />
Absatzes 1 Satz 1 vorliegen und der Ausschluß von der Person, deren<br />
Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird.<br />
(3) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 sind unanfechtbar.<br />
GVG § 172<br />
Das Gericht kann für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit<br />
ausschließen, wenn<br />
1. eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung<br />
oder der Sittlichkeit zu besorgen ist,<br />
1a. eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines<br />
Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist,<br />
2. ein wichtiges Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder<br />
Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche<br />
Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden,<br />
3. ein privates Geheimnis erörtert wird, dessen unbefugte Offenbarung<br />
durch den Zeugen oder Sachverständigen mit Strafe bedroht ist,<br />
4. eine Person unter sechzehn Jahren vernommen wird.
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Anhang Straftaten im Amt<br />
3 Sonstige typische Straftaten im Amt<br />
3.1 StGB § 353d (Seite 3)<br />
Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen<br />
GVG § 174<br />
(1) Über die Ausschließung der Öffentlichkeit ist in nicht öffentlicher Sitzung<br />
zu verhandeln, wenn ein Beteiligter es beantragt oder das Gericht<br />
es für angemessen erachtet. Der Beschluß, der die Öffentlichkeit ausschließt,<br />
muß öffentlich verkündet werden; er kann in nicht öffentlicher<br />
Sitzung verkündet werden, wenn zu befürchten ist, daß seine öffentliche<br />
Verkündung eine erhebliche Störung der Ordnung in der Sitzung zur<br />
Folge haben würde. Bei der Verkündung ist in den Fällen der §§ 171b,<br />
172 und 173 anzugeben, aus welchem Grund die Öffentlichkeit ausgeschlossen<br />
worden ist.<br />
(2) Soweit die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit<br />
ausgeschlossen wird, dürfen Presse, Rundfunk und Fernsehen keine<br />
Berichte über die Verhandlung und den Inhalt eines die Sache<br />
betreffenden amtlichen Schriftstücks veröffentlichen.<br />
(3) Ist die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit<br />
oder aus den in §§ 171b und 172 Nr. 2 und 3 bezeichneten Gründen<br />
ausgeschlossen, so kann das Gericht den anwesenden Personen<br />
die Geheimhaltung von Tatsachen, die durch die Verhandlung oder<br />
durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer<br />
Kenntnis gelangen, zur Pflicht machen. Der Beschluß ist in das Sitzungsprotokoll<br />
aufzunehmen. Er ist anfechtbar. Die Beschwerde<br />
hat keine aufschiebende Wirkung.<br />
• § 353 d Nr. 1 StGB schützt ausschließlich Fälle des § 172 Nr. 1 GVG<br />
(Staatssicherheit), denn nur im Fall der Ausschließung der Öffentlichkeit<br />
wegen Gefährdung der Staatssicherheit existiert ein gesetzliches<br />
Schweigegebot (§ 174 Abs. 2 GVG).<br />
• § 353 d Nr. 2 GVG schützt die Fälle der §§ 171 b und 172 (außer<br />
„öffentliche Ordnung und Sittlichkeit“ GVG, denn (nur) in diesen Fällen<br />
sieht das Gesetz – in § 174 Abs. 3 GVG – die Befugnis des Gerichtes<br />
vor, den Beteiligten eine Schweigepflicht aufzuerlegen.<br />
.
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3 Sonstige typische Straftaten im Amt<br />
3.2 Die sog. Amts- oder Haushaltsuntreue (Seite 1)<br />
Im Zusammenhang mit Straftaten von Amtsträgern ist häufig von der sog. Amts- oder<br />
Haushaltsuntreue die Rede. Der Bund der Steuerzahler würde am liebsten jede Mit-<br />
telverwendung, die in seinen Augen unwirtschaftlich ist, als Straftat geahndet wissen.<br />
Tatsächlich kennt das deutsche Strafrecht keinen Sondertatbestand der Amts- oder<br />
Haushaltsuntreue. Unwirtschaftliches Verhalten von Amtsträgern muss daher unter<br />
den für alle geltenden Straftatbestand der Untreue subsumiert werden. der hat fol-<br />
genden Wortlaut:<br />
StGB § 266 Untreue<br />
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft<br />
eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen<br />
oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft<br />
Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines<br />
Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen<br />
wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen<br />
er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe<br />
bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.<br />
(2) ...<br />
• Amtsträger können also Täter sein, denn sie haben in der Regel<br />
• die ihnen durch Gesetz oder behördlichen Auftrag eingeräum-<br />
te Befugnis, über Vermögen des Fiskus zu verfügen oder den<br />
Fiskus zu verpflichten oder<br />
• die ihnen kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsge-<br />
schäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht,<br />
Vermögensinteressen des Fiskus wahrzunehmen.
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Seite 66<br />
Anhang Straftaten im Amt<br />
3 Sonstige typische Straftaten im Amt<br />
3.2 Die sog. Amts- oder Haushaltsuntreue (Seite 2)<br />
Es ist aber immer eine Frage des Einzelfalls, die nicht pauschal be-<br />
antwortet werden kann.<br />
Bejaht wurde die sog. Vermögensbetreueungspflicht 4<br />
• beim Beihilfesachbearbeiter gegenüber dem Dienstherrn<br />
• beim Gerichtsvollzieher gegenüber dem Gläubiger, nicht aber bei<br />
der Gebührenberechnung<br />
• Justizkassenbeamten gegenüber der Staatskasse hinsichtlich<br />
der auszuzahlenden Beträge für Zeugenentschädigung<br />
• öffentlich Bediensteten gegenüber dem Träger öffentlicher<br />
Haushalte hinsichtlich Planung, Auftragsvergabe, Kontrolle und<br />
Abrechnung von Fremdleistungen und Verwendung öffentlicher<br />
Mittel.<br />
Ob bloße Haushaltsüberschreitung bereits den Straftatbestand der<br />
Untreue erfüllt, hatte der Bundesgerichtshof am Beispiel eines<br />
staatlichen Theaterbetriebes zu entscheiden:<br />
4 Tröndle/Fischer, StGB, 2003, 51. Aufl., § 266 Rdn. 36
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Seite 67<br />
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3 Sonstige typische Straftaten im Amt<br />
3.2 Die sog. Amts- oder Haushaltsuntreue (Seite 3)<br />
(Württembergisches Staatstheater)<br />
Dem Generalintendanten der württembergischen Staatstheater in Stutt-<br />
gart Prof. G wurde die Überschreitung des Haushalts der württembergi-<br />
schen Staatstheater für das Jahr 1990 zur Last gelegt. Die württember-<br />
gischen Staatstheater in Stuttgart sind Teil der Verwaltung des Landes<br />
Baden-Württemberg. Für ihre Finanzierung erhalten sie Gelder des Lan-<br />
des und Zuschüsse der Stadt Stuttgart; hinzu kommen eigene Einnah-<br />
men, Sponsorengelder und Spenden. Die Mittel werden im Staatshaus-<br />
haltsplan festgelegt. Für das Haushaltsjahr 1990 waren dies rund<br />
50 Mio €.<br />
Dieser Haushalt wurde – nach den Feststellungen des Landesrech-<br />
nungshofes ausschließlich durch zweckentsprechende Aufwendungen –<br />
um rund 2,5 Mio. € überschnitten, die das Land Baden-Württemberg im<br />
Jahre 1991 durch einen Nachtragshaushalt (ohne Kreditaufnahme) auf-<br />
brachte.<br />
Dem Beschuldigten wurde zur Last gelegt, dass er „den Spielbetrieb für<br />
das Jahr 1990 plante und realisierte“, obwohl er eine Überschreitung des<br />
Jahreshaushalts für möglich hielt. Dem Haushaltsgeber sei ein Vermö-<br />
gensnachteil dadurch zugefügt worden, daß ohne zwingende Notwen-<br />
digkeit Gelder unter Verstoß gegen Haushaltsgrundsätze seiner Disposi-<br />
tion entzogen worden seien.
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3 Sonstige typische Straftaten im Amt<br />
3.2 Die sog. Amts- oder Haushaltsuntreue (Seite 4)<br />
Der BGH hob die Verurteilung Prof. G’s durch die Strafkammer auf<br />
(NJW 1998, 914 f.). Aus den Gründen:<br />
• (Zur Pflichtverletzung:) „Untreue im Sinne des § 266 StGB kann auch<br />
bei Verstößen gegen haushaltsrechtliche Vorgaben oder Prinzipien gege-<br />
ben sein. Als Tathandlung kommt aber auch hier nur die einzelne vermö-<br />
gensmindernde Verfügung in Betracht. Deshalb kommt es grundsätzlich<br />
nicht auf das Gesamtergebnis der Wirtschaftsperiode an; vielmehr muss<br />
die einzelne Untreuehandlung darauf untersucht werden, ob der Mittelein-<br />
satz pflichtwidrig oder sonst dem betreuten Vermögen nachteilig war. Bei<br />
einer wie hier notwendigerweise vor Verabschiedung des Haushaltsplans<br />
erfolgenden Spielplangestaltung mit entsprechenden Vertragschlüssen<br />
muss festgestellt werden, welche Steuerungsmöglichkeiten der Angeklagte<br />
hatte, um sich haushaltsplangerecht zu verhalten und welche Vor- und<br />
Nachteile durch die einzelnen Steuerungsmaßnahmen eingetreten sind.“<br />
• (Zum Nachteil:) „Liegt ein zweckwidriger Einsatz öffentlicher Mittel<br />
vor, so kann darin bereits eine Nachteilszufügung liegen, weil die zweckge-<br />
bundenen Mittel verringert wurden, ohne dass der Zweck erreicht wurde.<br />
Entspricht der Mitteleinsatz dagegen grundsätzlich den vorgegebenen<br />
Zwecken und ist die durch Einsatz öffentlicher Mittel erzielte Gegenleistung<br />
gleichwertig, so ist eine Haushaltsüberschreitung nicht ohne weiteres Un-<br />
treue. Ob ein Vermögensnachteil eingetreten ist, muss grundsätzlich durch<br />
einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstande-<br />
ten Verfügung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft werden.“
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3.2 Die sog. Amts- oder Haushaltsuntreue (Seite 5)<br />
Im Bereich staatlicher Subventionen oder im Bereich staatlicher<br />
Kunstförderung kann die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegen-<br />
leistung nicht allein durch einen Vermögensvergleich in Form einer<br />
Saldierung zweier Rechenwerte bestimmt werden. Maßgeblich ist, ob<br />
die durch die beanstandete Verfügung erlangte Gegenleistung ihren<br />
Preis wert ist.<br />
Trotz Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung kommt ein<br />
Vermögensnachteil dann in Betracht, wenn durch die Haushaltsüber-<br />
ziehung<br />
• eine wirtschaftlich gewichtige Kreditaufnahme erforderlich<br />
wird oder<br />
• die Dispositionsfähigkeit des Haushaltsgesetzgebers in<br />
schwerwiegender Weise beeinträchtigt wird und er durch den<br />
Mittelaufwand insbesondere in seiner politischen Gestal-<br />
tungsbefugnis beschnitten wird.<br />
Fazit: Es gibt keinen Tatbestand der Haushaltsuntreue der allein<br />
die Pflichtwidrigkeit haushaltswidriger Verfügungen mit Strafe<br />
bedroht. Ein Nachteil liegt in der Regel nicht vor, wenn dem zusätzlichen<br />
Aufwand ein adäquater Gegenwert gegenübersteht. Bei Kulturförderung<br />
also ein Mehr an Kultur, bei kommunaler Wirtschaftsförderung<br />
eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die örtlichen<br />
Unternehmen.<br />
* * *<br />
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!