19.06.2013 Aufrufe

Behörden MAGAZIN - Gemischter Chor der Polizei Berlin e. V.

Behörden MAGAZIN - Gemischter Chor der Polizei Berlin e. V.

Behörden MAGAZIN - Gemischter Chor der Polizei Berlin e. V.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Bild: Ein Demonstrant mit Maske beteiligt sich am Aktionstag gegen das Acta-Abkommen<br />

Viele junge Leute gehen zum ersten Mal zu<br />

einer Demo. Jetzt ist die Politik gefragt, einen<br />

neuen Rahmen für den Umgang mit dem<br />

Copyright im Internet zu schaffen.<br />

<strong>Berlin</strong> (dpa) - Partystimmung vor dem Justizministerium:<br />

«Wer nicht hüpft, <strong>der</strong> ist für<br />

ACTA, hey, hey!» Alle Demonstranten springen<br />

auf und ab, gegen die eisige Kälte und<br />

gegen Bestrebungen, ihren Lebensstil im Internet<br />

einzuengen. So sehen sie den Vertrag<br />

mit dem sperrigen Namen Anti-Counterfeiting<br />

Trade Agreement (ACTA). Der sieht eigentlich<br />

nicht viel an<strong>der</strong>es vor, als das<br />

geltende Urheberrecht mit wirksamen Werkzeugen<br />

für ihre Durchsetzung zu stärken.<br />

Und zwar auch im Internet, wo Musik,<br />

Filme, Bücher und Software verbreitet werden,<br />

oft ohne Respekt für das Recht auf geistiges<br />

Eigentum. Dessen Wurzeln reichen<br />

mehr als 200 Jahre in die Zeit <strong>der</strong> Aufklärung<br />

zurück, lange vor <strong>der</strong> Digitalisierung aller Inhalte<br />

und vor <strong>der</strong> globalen Vernetzung.<br />

«Wir sind alle Kriminelle», steht auf einem<br />

Schild, das Jugendliche an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> <strong>Berlin</strong>er<br />

Demonstration mit sich führen. Ebenso<br />

ironisch skandieren an<strong>der</strong>e: «Wir sind hier,<br />

wir sind laut, weil man uns die Pornos<br />

klaut!» Viele sind zum ersten Mal in ihrem<br />

Leben bei einer Demo dabei.<br />

«Hier demonstriert die Jugend für unsere<br />

digitale Zukunft», twittert <strong>der</strong> Netzaktivist<br />

Markus Beckedahl kurz nach seiner Ansprache<br />

bei <strong>der</strong> Auftaktkundgebung vor dem<br />

Roten Rathaus. Er selbst gehöre ja schon zu<br />

den Ältesten, erkennt <strong>der</strong> 35-jährige Vorsitzende<br />

des Vereins Digitale Gesellschaft, <strong>der</strong><br />

mit zu den Protesten aufgerufen hat.<br />

«Das Internet ist aus dem Leben <strong>der</strong> meisten<br />

jungen Menschen nicht mehr wegzudenken»,<br />

sagt Beckedahl, <strong>der</strong> sich auch als<br />

Sachverständiger <strong>der</strong> Internet-Enquete-Kommission<br />

des Bundestags mit einer Reform des<br />

Urheberrechts beschäftigt. Jede Bedrohung<br />

dieser Kommunikationswelt und neuer Formen<br />

<strong>der</strong> Mediennutzung werde als Angriff<br />

auf das eigene Leben aufgefasst. ACTA zementiere<br />

das traditionelle Urheberrecht, anstatt<br />

das Recht den verän<strong>der</strong>ten<br />

Gegebenheiten im Netz anzupassen.<br />

Nie zuvor hat ein politisches Thema in <strong>der</strong>art<br />

kurzer Zeit so viele Menschen mobilisiert wie<br />

ACTA. Über lange Zeit hinweg wurde das Abkommen<br />

gegen Produktpiraterie nur im Kurzmitteilungsdienst<br />

Twitter diskutiert - ohne<br />

Beachtung <strong>der</strong> breiten Öffentlichkeit. Aber<br />

auch in gängigen Internet-Foren etwa für<br />

Computerspieler wurden die vier Buchstaben<br />

zum Inbegriff einer Bedrohung <strong>der</strong> eigenen<br />

digitalen Lebenswelt. «ACTA wird in<br />

Deutschland nicht durchkommen», schrieb<br />

am Samstag ein Gamer in <strong>der</strong> «World of<br />

Players». «Auch wenn unsere Politiker wenig<br />

Ahnung vom Internet haben, wo wissen sie<br />

doch, was sie sich leisten können.»<br />

Die Demonstrationen in rund 60 deutschen<br />

Städten scheinen dem Bremer Wissenschaftler<br />

Peter Kruse Recht zu geben, <strong>der</strong> die Bundestagsabgeordneten<br />

<strong>der</strong> Internet-Enquete<br />

schon im Juli 2010 warnte: «Was die Menschen<br />

im Moment merken, ist, dass man über<br />

die Netze mächtig werden kann.» Lange Zeit<br />

sei es im Netz vor allem um Information und<br />

Selbstdarstellung gegangen, jetzt gebe es Bestrebungen,<br />

sich zusammenzuschließen und<br />

gemeinsame Interessen zu verfolgen. «Wir<br />

bekommen einen extrem starken Bürger»,<br />

sagte Kruse und empfahl den Politikern, «ein<br />

Gefühl für die Resonanzmuster <strong>der</strong> Gesellschaft»<br />

zu entwickeln.<br />

Die für ACTA fe<strong>der</strong>führend zuständige Justizministerin<br />

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger<br />

(FDP) ist dem Rat offenbar gefolgt.<br />

Noch Ende Januar sagte sie, dass sie das Abkommen<br />

genau geprüft habe und die Bedenken<br />

<strong>der</strong> Gegner nicht teilen könne. Einen Tag<br />

vor den Demonstrationen aber gab das Auswärtige<br />

Amt bekannt, dass Deutschland<br />

ACTA zunächst nicht unterzeichnen werde,<br />

weil es Bedenken <strong>der</strong> Justizministerin gebe.<br />

DAS BEHÖRDEN<strong>MAGAZIN</strong> April/2012 29

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!