Behörden MAGAZIN - Gemischter Chor der Polizei Berlin e. V.
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«Ein Freudenfest»<br />
Helgoland seit 60 Jahren wie<strong>der</strong> deutsch<br />
Seit 60 Jahren gehört Helgoland wie<strong>der</strong> zu Deutschland. Am 1. März will die Hochseeinsel das Jubiläum gebührend feiern. Mit dabei sind<br />
Zeitzeugen, die ihre zerbombte Heimat aufbauten.<br />
Helgoland (dpa/lni) - Mit einem Fischkutter<br />
fährt eine Gruppe Handwerker am 1. März<br />
1952 bei hartem Nordostwind nach Helgoland.<br />
Es ist <strong>der</strong> Tag, an dem die Briten die verwüstete<br />
Hochseeinsel an die Deutschen<br />
zurückgeben. Zum Wie<strong>der</strong>aufbau-Team gehört<br />
<strong>der</strong> damals 20-jährige Paul Artur Friedrichs.<br />
Sieben Jahre lang hat er fern seiner<br />
Heimat Helgoland gelebt. Das Bild, das sich<br />
ihm bietet, übertrifft seine schlimmsten Erwartungen:<br />
«Die gesamte Südspitze war<br />
weggesprengt. Überall gab es Bombentrichter<br />
und Trümmer - es war schockierend», sagt<br />
<strong>der</strong> heute 80-Jährige. Den 60. Jahrestag <strong>der</strong><br />
Wie<strong>der</strong>freigabe will Helgoland am 1.<br />
März groß feiern.<br />
Die Häuser werden mit Flaggen geschmückt,<br />
eine historische Sternfahrt von Regierungsschiffen<br />
ist geplant. Viel Musik, Theater und<br />
zahlreiche Begegnungen mit Zeitzeugen stehen<br />
auf dem Programm. Wirtschaftsminister<br />
Jost de Jager (CDU) wird eine Rede auf <strong>der</strong><br />
zum Kreis Pinneberg gehörenden Insel halten.<br />
«Mit den Feierlichkeiten wird eine Brücke<br />
geschlagen zwischen <strong>der</strong> großartigen Aufbauleistung,<br />
die nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>freigabe in<br />
Gang gesetzt wurde, und den aktuellen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Insel Helgoland», sagt<br />
Tourismusdirektor Klaus Furtmeier.<br />
Eingeladen ist auch René Leudesdorff. Der inzwischen<br />
84-Jährige setzte am 20. Dezember<br />
1950 mit seinem Heidelberger Kommilitonen<br />
Georg von Hatzfeld nach Helgoland über, das<br />
militärisches Übungsgebiet <strong>der</strong> Briten war.<br />
«Es sollte eine gewaltlose Invasion sein»,<br />
sagt Leudesdorff, <strong>der</strong> heute in Flensburg lebt.<br />
Die britische Regierung geriet unter Druck, es<br />
kam wie<strong>der</strong> zu Verhandlungen über die Freigabe<br />
<strong>der</strong> Insel. Die beiden Studenten hätten<br />
mit ihrer Aktion Bewegung in die umstrittene<br />
Helgoland-Frage gebracht, erklärt Oliver<br />
Auge, Professor für Regionalgeschichte an<br />
<strong>der</strong> Universität Kiel.<br />
Am 1. März 1952 war <strong>der</strong> damalige Ministerpräsident<br />
Schleswig-Holsteins, Friedrich-Wilhelm<br />
Lübke (CDU), mit Gästen nach<br />
Helgoland gefahren. Am Südhafen wurden<br />
Flaggen gehisst, auf dem Festland läuteten die<br />
Glocken - Helgoland gehörte wie<strong>der</strong> zu<br />
Deutschland. «Es war ein Freudenfest», berichtet<br />
Olaf Ohlsen, <strong>der</strong> als Vertreter <strong>der</strong> Helgolän<strong>der</strong><br />
Jugend beim Übergabe-Fest dabei war.<br />
Deutschlands einzige Hochseeinsel sorgte in<br />
<strong>der</strong> Vergangenheit immer wie<strong>der</strong> für Auseinan<strong>der</strong>setzungen,<br />
wenn es um die Macht im<br />
Nordseeraum ging. «Zum Zankapfel zwischen<br />
den Nationen entwickelte sich das<br />
kleine Helgoland schon im Zuge <strong>der</strong> Napoleonischen<br />
Kriege», sagt Historiker Auge.<br />
1890 übergaben die Briten Helgoland an das<br />
Deutsche Reich und erhielten dafür Teile Ostafrikas,<br />
die bislang unter deutscher Kolonialherrschaft<br />
standen.<br />
Im Zweiten Weltkrieg wollten die Nationalsozialisten<br />
durch Aufspülungen und Betonbauten<br />
einen riesigen Marinehafen als<br />
Flottenstützpunkt errichten, <strong>der</strong> im Notfall<br />
einen Großteil <strong>der</strong> Reichskriegsflotte aufnehmen<br />
sollte. Bombenangriffe während des<br />
Zweiten Weltkriegs machen die Insel unbewohnbar,<br />
die mehr als 2000 «Halun<strong>der</strong>» - so<br />
nennen die Helgolän<strong>der</strong> sich selbst - mussten<br />
ihre Heimat verlassen.<br />
Auch die Familie von Friedrichs war gezwungen,<br />
sich ein neues Zuhause zu suchen. Nach<br />
mehreren Stationen kamen sie schließlich in<br />
Hörnum auf Sylt unter. «Für meine Eltern war<br />
das wie für alle Helgolän<strong>der</strong> eine Katastrophe»,<br />
erinnert sich Friedrichs. Sie hatten alles<br />
verloren, mussten wie<strong>der</strong> von vorn anfangen.<br />
«Das waren sehr, sehr harte Jahre.»<br />
Ohlsens Angehörige fanden in Cuxhaven eine<br />
neue Bleibe. Doch das Heimweh war stark.<br />
«Für meine Eltern und Großeltern gab es nur<br />
Helgoland, Helgoland, Helgoland», sagt <strong>der</strong><br />
76-Jährige. Sein Vater habe sehr für die Freigabe<br />
<strong>der</strong> Insel gekämpft. Dabei hielt er Kontakt<br />
zu dem Historiker und Journalisten<br />
Hubertus zu Löwenstein, <strong>der</strong> sich bei britischen<br />
Regierungskreisen für die Rückgabe<br />
des roten Felsens einsetzte.<br />
Sieben Jahre lang nutzten die Briten Helgoland<br />
als Bomben-Trainingsgelände. Am 18.<br />
April 1947 wollten sie mit 6700 Tonnen Munition<br />
alle militärischen Anlagen sprengen.<br />
Bei diesem «Big Bang» entstand ein riesiger<br />
Krater, <strong>der</strong> das heutige Mittelland an <strong>der</strong> Südspitze<br />
<strong>der</strong> Insel bildet. «Als Helgoland 1952<br />
freigegeben wurde, war das eine Mondlandschaft»,<br />
meint Ohlsen.<br />
Doch die «Halun<strong>der</strong>» ließen sich nicht unterkriegen.<br />
Gemeinsam mit an<strong>der</strong>en Handwerkern<br />
lebte <strong>der</strong> junge Tischler Friedrichs vor 60<br />
Jahren unter schwierigsten Bedingungen im<br />
Keller einer Hausruine. Sie arbeiteten zum Teil<br />
Helgolands Bürgermeister Jörg Singer.<br />
bei Minustemperaturen und Schnellfall am<br />
Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> Insel. Die Helgolän<strong>der</strong> Familien<br />
kehrten zurück, die Hochseeinsel<br />
wurde wie<strong>der</strong> beliebtes Touristenziel und<br />
zollfreies Einkaufsparadies. Der Zusammenhalt<br />
sei in den Aufbau-Jahren sehr groß gewesen,<br />
erzählt Ohlsen. «Die Helgolän<strong>der</strong> sind<br />
stolz auf das, was alles geschafft wurde.»<br />
DAS BEHÖRDEN<strong>MAGAZIN</strong> April/2012 35