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Mehrsprachigkeitskonzept – Tertiärsprachen – Deutsch nach Englisch

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Paradoxerweise löste die Einführung des Frühfranzösischen Ende der 80er Jahre, die<br />

eigentlich eine frühe Auseinandersetzung mit der ersten Fremdsprache ermöglichen<br />

sollte, den entgegengesetzten Effekt aus, nicht zuletzt wegen der Überforderung der<br />

Lehrkräfte und wegen deren mangelnden Motivation. Man weiß aus neuen<br />

schweizerischen Untersuchungen, dass die anfänglich durchaus vorhandene Motivation<br />

der Lernenden, eine neue Sprache zu lernen (Französisch und <strong>Deutsch</strong>), häufig schon<br />

<strong>nach</strong> einem bis zwei Jahren Schulunterricht in sich zusammenbricht. Dies ist<br />

alarmierend, zumal zu vermuten ist, dass sich negative Erlebnisse im Sprachunterricht<br />

auch auf den Erwerb weiterer Sprachen negativ auswirken können (Wüest 2001, 35,<br />

Ziberi-Lügenbühl 2000, 34). Es war anscheinend auch die Unterforderung der<br />

Lernenden dafür verantwortlich, dass das Frühfranzösisch scheiterte. Man wollte eben<br />

in der Primarschule das Französisch spielerisch einführen, und ohne Notendruck, was<br />

sich als kontraproduktiv erwies.<br />

Auf Grund dieser Misserfolge ist es nicht verwunderlich, dass die Überzeugung<br />

entstand, Französisch sei eine unzugängliche Sprache für <strong>Deutsch</strong>schweizer. Die<br />

bereits zitierte Studie von Pekarek (1999) belegt, dass nicht einmal auf Gymnasialstufe<br />

diese ‚Schwierigkeit‘ abnimmt. Für die Mehrzahl der Befragten (57%) bleibt nämlich<br />

Französisch eine schwierige Sprache. Diese Überzeugung wird durch die angebliche<br />

Einfachheit des <strong>Englisch</strong>en verstärkt. Wir haben gesehen, dass die zwei Schülerinnen<br />

aus Stein am Rhein dem Französischen vorwerfen, es sei viel schwieriger als <strong>Englisch</strong>.<br />

Die Eltern der Schülerinnen sind sogar kategorischer. Herr Wagner begründet die<br />

Einführung von Frühenglisch mit dem Argument, seine Tochter, hätte ‚problemlos<br />

gelernt‘:<br />

Erwin Wagner ist Bauunternehmer in Stein am Rhein. Für ihn ist es klar: Frühenglisch ist<br />

‚eine sehr gute, ausgezeichnete Sache‘. Er hat eine Tochter, die bereits Frühenglisch-<br />

Unterricht besucht hat: Sie ging nämlich freiwillig in einen Kurs, der privat angeboten<br />

wurde. ‚Das Mädchen hat so problemlos gelernt, dass es eine Freude war‘, meint<br />

Wagner, ‚und sie versteht die Sprache bereits sehr gut‘. Sie ging freiwillig in den Kurs<br />

und habe von Anfang an wirklich ‚den Plausch‘ an diesem Unterricht gehabt. Wagner ist<br />

der Meinung, dass Frühenglisch mit Sicherheit sinnvoller ist als Französisch.<br />

(Lehrerinnen und Lehrer Schaffhausen, www.lsh.ch/reflex/f/umfrage.html © by LSH,<br />

12/2000, Kleine Umfrage, 2000, Mädchen der 6. Klasse in Stein am Rhein). 1<br />

Man darf diese Vorstellung als unkritisch abstempeln. Die angebliche Einfachheit des<br />

<strong>Englisch</strong>en für <strong>Deutsch</strong>sprachige wird z.B. stark von einer österreichischen Studie<br />

(Sigott 1993) relativiert. Nach der anfänglichen Schwierigkeit von Französisch bzw.<br />

1 In dieser Stellungnahme ist die Rede von privaten <strong>Englisch</strong>kursen. Dies ist ein oft verwendetes<br />

Argument des Zürcher Regierungsrates im Rahmen der Zürcher Volksschulreform. Er warnt<br />

eindringlich vor einer „Amerikanisierung der Volksschule“. Eltern, die es sich leisten könnten, würden<br />

ihre Kinder schon früh in private <strong>Englisch</strong>kurse schicken. So entstehe ein Bildungsgefälle zu Kindern<br />

von weniger begüterten Eltern. Die Schule sei deshalb verpflichtet, auch das gleiche Angebot zu haben,<br />

sprich das Frühenglische einzuführen, um „diese Diskriminierung zu beseitigen“. Der Versuch, die<br />

Vorverlegung von <strong>Englisch</strong> als eine Maßnahme gegen eine Zweiklassengesellschaft zu verkaufen, ist<br />

ein Argument a posteriori.<br />

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