Die Menstruation – Wesentliches Element des Frauseins ... - Schule.at
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KulturSoziologieW erkst<strong>at</strong>t Forschungsbericht <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong><br />
„Sobald die <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong> eingetreten ist, soll die Frau darüber belehrt werden, was sie zu tun<br />
und zu lassen h<strong>at</strong>. Sie darf vor Ablauf der drei Nächte nicht baden, ihre Kleider nicht<br />
waschen, sich nicht salben, nicht kämmen, nicht die Augen salben, nicht die Zähne putzen,<br />
nicht die Nägel schneiden, nicht spinnen, noch Seide drehen. Sie darf nur aus der hohlen<br />
Hand oder aus einem ungebrannten Gefäß trinken. Sie soll auf dem Boden liegen und bei<br />
Tage nicht schlafen, sie darf kein Feuer berühren, kein Fleisch essen, nicht die Planeten<br />
anschauen, nicht lachen, sich nicht im Haushalt betätigen und nicht herumlaufen. Der Mann<br />
darf nicht mir ihr zusammensitzen und nicht mit ihr Speisen essen.“ (Winternitz 1920, 92). An<br />
diesem Beispiel zeigt sich, dass es offenbar nicht nur darum geht, den Kontakt mit dem Blut<br />
zu vermeiden, sondern darüber hinaus die Frau in allen ihren Lebensäußerungen und<br />
Aktivitäten restriktiven Beschneidungen zu unterwerfen.<br />
<strong>Die</strong> Unberührbarkeit der Menstruierenden ist auch in der jüdisch-christlichen Tradition verankert.<br />
So heißt es in der Bibel:<br />
„Wenn aber eine Frau einen Ausfluß h<strong>at</strong>, und zwar ihren gewöhnlichen Blutfluß, so soll ihre<br />
Unreinigkeit 7 Tage lang dauern und jeder, der sie während dieser Zeit berührt, soll bis zum<br />
Abend unrein sein. Alles, worauf sie während ihrer Unreinigkeit liegt, wird unrein, ebenso<br />
alles, worauf sie sitzt; und jeder, der ihr Lager berührt, muß seine Kleider waschen und ein<br />
Wasserbad nehmen und ist bis zum Abend unrein. Und jeder, der irgendein Gerät berührt,<br />
worauf sie gesessen h<strong>at</strong>, muß seine Kleider waschen und ein Wasserbad nehmen und ist bis<br />
zum Abend unrein. Auch wenn einer etwas berührt, was sich auf ihrem Lager oder auf dem<br />
Geräte befindet, so ist er bis zum Abend unrein. Und wenn etwa ein Mann ihr beiwohnt und<br />
etwas von ihrer Unreinigkeit an ihn kommt, so ist er 7 Tage lang unrein und je<strong>des</strong> Lager, auf<br />
dem er liegt, wird unrein.“ (Bibel, 3. Buch Mose, Kp.15, 19-24) Das Neue Testament hält am<br />
Grunds<strong>at</strong>z der Unreinheit der Menstruierenden fest. <strong>Die</strong> Heiligkeit von Maria beinhaltet die<br />
Vorstellung, dass sie keine <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong> gehabt habe.<br />
Auch für die Angehörigen existieren meist strenge Regeln für das Verhalten gegenüber<br />
Menstruierenden. So heißt es z.B., dass Männer ihre Frauen nicht berühren oder ihnen nicht<br />
in die Augen schauen dürfen, weil „der böse Blick“ gefährlich für sie sein könnte. Der Koran<br />
sagt zum Beispiel: „<strong>Die</strong>se Zeit bringt Euch Schaden, darum haltet Euch während ihrer<br />
mon<strong>at</strong>lichen Reinigung von ihnen fern, kommt ihnen nicht nahe, bis sie sich gereinigt<br />
haben...“ (Schlehe 1987, 69).<br />
Weisen diese Restriktionen auf der einen Seite darauf hin, dass von der menstruierenden<br />
Frau Gefahr und Schrecken ausgeht, finden sich auf der anderen Seite in der älteren ethnologischen<br />
Liter<strong>at</strong>ur Berichte über die Verwendung <strong>des</strong> <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong>sblutes als Heil- und<br />
Zaubermittel, insbesondere auch als Liebeszaubermittel. <strong>Die</strong> kulturübergreifende Tabuisierung<br />
der <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong> lässt insgesamt den Schluss zu, dass diesem Zustand irgendeine Art<br />
von Macht zu eigen ist.<br />
Zu beachten ist, unter welchem Blickwinkel sich die ethnologische Forschung dem Gegenstand<br />
angenähert h<strong>at</strong>. Bis vor kurzem waren es vor allem Männer, die fremde Kulturen<br />
beforschten und dort wiederum vor allem Männer befragten. <strong>Die</strong> Berichte über die Riten und<br />
deren Bedeutungen entspringen somit einer vorrangig männlichen Sichtweise. Für den Mann<br />
geht es um Kontaktvermeidung, weil für ihn Frauen während ihrer Tage unberechenbar sind.<br />
Über die Sicht der Frauen sind wenig Inform<strong>at</strong>ionen verfügbar. Mitunter halten Frauen diese<br />
Regeln aufrecht, weil sie ihnen zugute kommen, etwa weil sie in dieser Zeit von den Alltagspflichten<br />
befreit sind und sich ihrer körperlichen und seelischen Regener<strong>at</strong>ion widmen können.<br />
In manchen Gesellschaften verbringen Menstruierende die Zeit der Mon<strong>at</strong>sblutung in<br />
der Gemeinschaft mit anderen Frauen. Frauen beschreiben eine besondere Sensitivität während<br />
ihrer Blutung, die es ermöglicht, sich mit der N<strong>at</strong>ur und dem Göttlichen zu verbinden.<br />
Ethnologinnen haben festgestellt, dass in frauenzentrierten Gesellschaften der Brauch <strong>des</strong><br />
Rückzugs in spezielle Hütten oder Zelte während der Blutung etwa doppelt so häufig vorkommt<br />
wie anderswo (Schlehe 1987, 134). Daraus ziehen sie den Schluss, dass solche<br />
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