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Die Menstruation – Wesentliches Element des Frauseins ... - Schule.at

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KulturSoziologieW erkst<strong>at</strong>t Forschungsbericht <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong><br />

hormoneller Antikonzeptiva, nicht mehr haben. Selbst wenn die <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong> für sie mit<br />

Schmerzen verbunden war, wünschen sich dann viele den n<strong>at</strong>ürlichen Mon<strong>at</strong>szyklus wieder<br />

zurück.<br />

Vor allem Frauen über 30 Jahren machen die Erfahrung, dass mit den mon<strong>at</strong>lichen Vorgängen<br />

in ihrem Körper psychische Veränderungen einhergehen. Viele Frauen berichten,<br />

dass sie in der Zeit um die Blutung herum empfindsamer sind als sonst <strong>–</strong> manche eher während<br />

der <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong>, andere in der Zeit davor. Unter der im Arbeitsalltag geltenden Prämisse,<br />

dass man jeden Tag gleich sein muss, wird jeder Stimmungswechsel neg<strong>at</strong>iv bewertet,<br />

als „Unpässlichkeit“ oder „Launenhaftigkeit“ belächelt. Dadurch dass Menstruierende<br />

nach innen wie nach außen, körperlich wie seelisch offener sind, sind sie wohl verletzlicher,<br />

haben andererseits aber die Fähigkeit, sich selbst und ihre Beziehungen zum sozialen Umfeld<br />

sozusagen mit geschärften Sinnen wahrzunehmen. Dass diese Fähigkeit nicht gerade<br />

im Interesse jener gesellschaftlichen Kräfte liegt, die von der Ausbeutung der Frauen profitieren,<br />

liegt auf der Hand.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong> ist die Zeit der inneren Wandlung. Für manche Frauen ist das Ausscheiden<br />

<strong>des</strong> mit Schleimhautteilen vermischten Blutes eine k<strong>at</strong>hartische Erfahrung. Mit diesem<br />

Vorgang ist häufig das Gefühl <strong>des</strong> Ins-Fließen-Kommens verbunden. Frauen machen die<br />

Erfahrung, dass in dieser Zeit ihr sexuelles Begehren gesteigert ist und dass sie Sexualität<br />

besonders intensiv erleben. <strong>Die</strong> Regelblutung selbst kann erregende und lustvolle Empfindungen<br />

auslösen. Kulturelle Deutungsmuster kanalisieren das Erlebte jedoch sofort, bevor<br />

es noch selbst mit eigenen Wahrnehmungen, Interpret<strong>at</strong>ionen und Phantasien ausgest<strong>at</strong>tet<br />

werden kann. Neg<strong>at</strong>ive Begriffe wie „Unwohlsein” rufen die entsprechenden Assozi<strong>at</strong>ionen<br />

und Abwehrreaktionen auf. So wird Erotik und Sinnlichkeit in Leiden verkehrt.<br />

Dort, wo Frauen aufgrund <strong>des</strong> herrschenden Geschlechterverhältnisses daran gehindert<br />

werden, ihre eigene Sexualität auszuleben, ja sie überhaupt kennen zu lernen, wo ihr Körper<br />

den sexuellen Bedürfnissen <strong>des</strong> Mannes unterworfen ist, wo Frauen Sexualität ihr Leben<br />

lang nur als Last und Pflicht erfahren, dort erfüllt die <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong> den Nutzen, die Frauen<br />

wenigstens für ein paar Tage von den sexuellen Ansprüchen <strong>des</strong> Mannes zu befreien.<br />

Auch für Frauen, die ununterbrochen den Anforderungen von Beruf und Familie ausgesetzt<br />

sind, dient das Leiden an der <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong> als Rechfertigung, sich zurückzuziehen und sich<br />

den Ansprüchen der anderen zu verweigern.<br />

Nicht zuletzt wird das Eintreten der Mon<strong>at</strong>sblutung von Frauen sehr häufig <strong>des</strong>wegen begrüßt,<br />

weil es sie darin bestätigt, erfolgreich verhütet und eine Schwangerschaft vermieden<br />

zu haben. Während der Mon<strong>at</strong>blutung selbst kann es zwar prinzipiell auch zu einer Befruchtung<br />

kommen, dennoch sind für viele Frauen „ihre Tage” die Zeit der unbeschwerten<br />

Sexualität, in der sie nicht an Verhütung denken zu müssen, in der sie endlich einmal richtig<br />

loslassen können.<br />

Zyklus und <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong> sind in unserer durchr<strong>at</strong>ionalisierten Leistungsgesellschaft ein<br />

Relikt <strong>des</strong> Nicht-Ökonomischen. In einer Zeit, in der religiöse Feiertage an Verbindlichkeit<br />

verloren haben und die von den SozialistInnen <strong>des</strong> 19. und 20. Jhs. erkämpften Arbeitsschutzbestimmungen<br />

im Interesse <strong>des</strong> wirtschaftlichen Profitstrebens zunehmend aufgeweicht<br />

werden, ist die <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong> eine gegenläufige Kraft. In ihr bietet sich die Chance,<br />

sich für einige Tage oder Stunden aus dem Alltagstrott auszuklinken, ein paar Augenblicke<br />

lang innezuhalten, zu sich zu kommen und Kräfte aufzutanken. Ist es möglich, diese Chance<br />

zu nutzen, kann die <strong>Menstru<strong>at</strong>ion</strong> im Gegens<strong>at</strong>z zu ihrem Image der Krankheit und der<br />

Schwäche Kraftquelle sein.<br />

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