Heft 1 1-64 - Anwaltsblatt
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l<br />
mern. In dieser Eigenschaft hätte sie die ihr in § 177 Abs. 2<br />
BRAO übertragenen Aufgaben zu erledigen. Andererseits<br />
wäre sie Exekutivorgan der Satzungsversammlung, indem<br />
sie die von der Satzungsversammlung gefassten Beschlüsse<br />
umzusetzen und zu verwirklichen hätte. Im organisatorischen<br />
Bereich ist das schon geltendes Recht, wie die im<br />
§ 191a Abs. 1 BRAO angeordnete Organleihe zeigt.<br />
2. Die Satzungsversammlung wäre die Legislative. Sie<br />
würde nicht nur das Berufsrecht regeln, sondern auch alle<br />
anderen Fragen, die die Gesamtheit der Rechtsanwälte betreffen,<br />
entscheiden. Die Bundesrechtsanwaltskammer hätte<br />
in ihrer Funktion als Exekutivorgan die von der Satzungsversammlung<br />
gefassten Beschlüsse auszuführen. Der Vorsitzende<br />
der Satzungsversammlung dürfte dann allerdings<br />
nicht mehr der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer<br />
sein, die Mitglieder der Satzungsversammlung müssten<br />
ihren Vorsitzenden vielmehr aus ihren eigenen Reihen wählen.<br />
Nachfolgendes Schaubild soll die denkbaren neuen<br />
Strukturen verdeutlichen:<br />
BRAK Satzungsversammlung<br />
BRAK<br />
Mitglieder sind die<br />
Rechtsanwaltskammern<br />
Der Kammerpräsident<br />
vertritt die RAK in<br />
der BRAK<br />
Der Kammervorstand<br />
wählt den Präsidenten und<br />
das Präsidium<br />
Die Mitglieder der RAK<br />
wählen deren Vorstand<br />
RAK<br />
Jeder Rechtsanwalt ist<br />
Zwangsmitglied der für<br />
ihn zuständigen<br />
Rechtsanwaltskammer<br />
BRAK führt Beschlüsse der<br />
Satzungsversammlung aus<br />
(Exekutive)<br />
Satzungsversammlung<br />
(Legislative)<br />
Pro 1.000 Rechtsanwälte<br />
wählen je ein Mitglied in die<br />
Satzungsversammlung<br />
Anwaltschaft<br />
VI. Ergebnis<br />
Die Anwaltschaft sollte darüber nachdenken, welches<br />
Organ anwaltlicher Selbstverwaltung berufen sein soll, die<br />
Interessen der Rechtsanwälte zu vertreten. Am besten wäre<br />
es, wenn die Anwaltschaft diese Frage selbst beantworten<br />
und der Gesetzgeber anschließend eine gesetzliche Neuregelung<br />
herbeiführen würde, die dem Willen der Mehrheit<br />
der Rechtsanwälte entspricht. Käme es zu einer Befragung<br />
aller Rechtsanwälte, wer ihre Interessen künftig bundesweit<br />
vertreten soll, stünden nicht Prestige, Ansehen und Reputation<br />
der einzelnen Organe anwaltlicher Selbstverwaltung<br />
zur Abstimmung. Vielmehr ginge es darum, die optimalste<br />
und effizienteste Interessenvertretung zu wählen. Sie sollte<br />
bei der Satzungsversammlung liegen, weil ihre Mitglieder<br />
von den Rechtsanwälten in unmittelbarer und geheimer<br />
Wahl gewählt werden und so jeder Rechtsanwalt diejenigen<br />
Kandidaten in die Satzungsversammlung wählen kann, von<br />
denen er glaubt, dass sie seine Interessen am besten vertreten.<br />
Die damit verbundene Neuregelung anwaltlicher<br />
Selbstverwaltung würde eine bessere demokratische Selbstverwaltung<br />
Gewähr leisten und die Anwaltschaft vor Entscheidungen<br />
schützen, die von den Präsidenten der regionalen<br />
Rechtsanwaltskammern mit einer Stimme pro Kammer<br />
getroffen werden, aber keineswegs immer dem Willen der<br />
Mehrheit aller Rechtsanwälte entsprechen.<br />
AnwBl 1/2000<br />
Die Rechtsprechung des<br />
Senats für Notarsachen des<br />
Bundesgerichtshofs<br />
Vors. Richter am BGH Dr. Eberhard Rinne, Karlsruhe<br />
Aufsätze<br />
Dies ist das erste Mal, daß ich als Vorsitzender des Senats<br />
für Notarsachen des Bundesgerichtshofs die Gelegenheit<br />
wahrnehme, die neuere Rechtsprechung des Senats im<br />
Rahmen eines Vortrags darzustellen. Daß dies in einer Veranstaltung<br />
des Deutschen Anwaltvereins geschieht, bitte<br />
ich auch als Geste zu verstehen. Mir liegt in besonderem<br />
Maße daran, als Mitglied eines Spruchkörpers, dem in letzter<br />
Instanz das Berufsrecht aller Notare anvertraut ist, dessen<br />
Spruchtätigkeit gerade der Anwaltschaft gegenüber, die<br />
mit dem Stand der Notare institutionell eng verbunden ist,<br />
darstellen und hoffentlich verständlich machen zu dürfen.<br />
I.<br />
Erlauben Sie mir, auch wenn ich damit bei vielen offene<br />
Türen einrenne, eingangs ein paar Bemerkungen zur Organisation<br />
und Arbeitsweise des Senats für Notarsachen des<br />
Bundesgerichtshofs vorzutragen.<br />
Der Senat entscheidet sowohl in Notarverwaltungssachen<br />
als auch in Disziplinarsachen als zweite und letzte<br />
Tatsachen- und Rechtsinstanz in der Besetzung mit dem<br />
Vorsitzenden, zwei Berufsrichtern und zwei Notaren. Der<br />
Vorsitzende und sein Stellvertreter müssen „mindestens“<br />
Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof sein; die richterlichen<br />
Beisitzer und ihre Stellvertreter sind Richter am<br />
Bundesgerichtshof. Sie alle werden vom Präsidium des<br />
Bundesgerichtshofs für die Dauer von vier Jahren bestellt.<br />
Die Beisitzer aus den Reihen der Notare werden vom<br />
Bundesjustizminister, der auch die Zahl der Beisitzer bestimmt,<br />
nach Beteiligung der Notarkammern ebenfalls für<br />
vier Jahre berufen.<br />
Derzeit besteht der Senat (von den Stellvertretern abgesehen)<br />
aus dem Vorsitzenden, fünf Bundesrichtern und fünf<br />
Notaren, von denen drei Nurnotare und zwei Anwaltsnotare<br />
sind.<br />
So viel zur Organisation und nun zur – aus meiner Sicht<br />
erfreulichen – Arbeitsweise:<br />
Der Senat tagt bei jährlichen Eingängen von etwa 50 Sachen<br />
alle vier Monate in wechselnder, im voraus festgelegter<br />
Besetzung; vom Wechsel ausgenommen ist allein der<br />
Vorsitzende. Die Notare sind nicht nur auf dem Papier, sondern<br />
auch tatsächlich in vollem Umfang in den Senat integriert;<br />
dies zeigt sich etwa darin, daß sie Berichterstattungen<br />
übernehmen. Sie sind keine Interessenvertreter und<br />
verstehen sich auch nicht als solche. Ihre Aufgabe besteht<br />
nicht allein darin, ihren Sachverstand und ihre Erfahrungen<br />
aus der notariellen Praxis in die Rechtsfindung einzubrin-