Heft 1 1-64 - Anwaltsblatt
Heft 1 1-64 - Anwaltsblatt
Heft 1 1-64 - Anwaltsblatt
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
52<br />
l<br />
vor über die Rechtsprechung des LG Berlin in Mietsachen<br />
konkret informieren und seine Prozeßführung daran ausrichten<br />
müssen.<br />
3. Globalisierung und Spezialisierung<br />
Die Erwartungshaltung der Mandanten hat sich sicher<br />
auch in bezug auf das Fachwissen des beauftragten Anwalts<br />
geändert. Mandate kommen zu immer neuen Rechsgebieten,<br />
die sich aber jeweils auch rasant weiterentwickeln.<br />
Gefragt und im Vormarsch sind demzufolge die Großkanzleien,<br />
die die volle Bandbreite des Rechts bieten können<br />
und gleichzeitig für fast jedes Gebiet auch über Spezialisten<br />
verfügen. Der von einer solchen Kanzlei angebotene Service<br />
ist naturgemäß für viele Mandanten, gerade im wirtschaftsrechtlichen<br />
Bereich, attraktiver. Diese Entwicklung<br />
kann bedenklich sein im Hinblick auf den von der Rechtsprechung<br />
angelegten Sorgfaltsmaßstab des „durchschnittlichen“<br />
Rechtsanwalts. Eine kaum spezialisierte Allgemeinkanzlei<br />
kann den Standard von Großkanzleien naturgemäß<br />
nicht erreichen. Sollte die Rechtsprechung die Anforderungen<br />
z. B. bei der Rechtsprüfung, entsprechend höher<br />
schrauben, so besteht die Gefahr, daß viele Anwälte ihnen<br />
nicht mehr gerecht werden können.<br />
Ein großer Schritt ist getan worden in bezug auf die<br />
„Globalisierung“: Gerade wirtschaftsrechtlich ausgerichtete<br />
Rechtsanwälte können sich nicht mehr auf die Beratung zum<br />
deutschen Recht zurückziehen, sondern sind wegen der<br />
grenzüberschreitenden Tätigkeit ihres Mandanten gefordert,<br />
auch ausländisches, europäisches und internationales Recht<br />
anzuwenden. Der Anwalt muß also insbesondere sämtliche<br />
internationalen Abkommen kennen, die für den Fall einschlägig<br />
sind (OLG Koblenz, NJW 89, 2699) und richtig anwenden,<br />
was durchaus seine Tücken hat, da die Rechtsbegriffe<br />
dort vielfach eine andere Bedeutung haben können als im<br />
deutschen Recht. Ist kein internationales Abkommen einschlägig,<br />
muß der Rechtsanwalt die internationalprivatrechtliche<br />
Prüfung durchführen. Findet danach ausländisches<br />
Recht Anwendung, muß der Rechtsanwalt entscheiden, ob<br />
er sich selbst damit befaßt, oder einen ausländischen Kollegen<br />
beauftragt. Da den Rechtsanwälten bei Anwendung ausländischen<br />
Rechts dieselben Pflichten obliegen wie im deutschen,<br />
sollte sich jeder Anwalt an diesem Punkt ernsthaft<br />
fragen, ob er dazu wirklich in der Lage ist. In jedem Fall<br />
sollte geprüft werden, ob der Versicherungsschutz ausreicht.<br />
4. Anwalt und Technik<br />
Zum Thema „2000“ gehört schließlich auch und insbesondere<br />
der Einfluß der technischen Fortentwicklung auf<br />
die Arbeit der Rechtsanwälte. Ein Anwaltsbüro ohne PC<br />
und Fax ist heutzutage kaum noch denkbar, die Vorteile<br />
sind unbestreitbar. Aus haftungsrechtlicher Sicht sind die<br />
sich aus der Verwendung solcher Hilfsmittel ergebenden<br />
Pflichten zu beachten, die sich im einzelnen aus der bereits<br />
ergangenen Rechtsprechung, insbesondere zur Wiedereinsetzung,<br />
ergeben.<br />
Grundsätzlich ist inzwischen anerkannt, daß fristwahrende<br />
Schriftsätze per Fax an das Gericht übermittelt werden können<br />
(BGH NJW 1997, 250). Dem Anwalt werden dabei allerdings<br />
erhebliche Sorgfaltspflichten in bezug auf die tatsächliche<br />
Übermittlung auferlegt, z. B. Kontrolle der zutreffenden<br />
Faxnummer (BGH NJW 99, 583), der übermittelten Seitenzahl,<br />
eigenes Einschreiten bei Übermittlungsproblemen<br />
(BGH NJW-RR 98, 1361; vgl. ausführlich Laghzaoui/Wirges,<br />
AnwBl 99, 253). Die durch Faxübertragung „kopierte“<br />
Unterschrift reicht hier aus, anders als bei der Einhaltung des<br />
Schriftformerfordernisses bei Willenserklärungen und Verträgen:<br />
Dort ist nach bisheriger Auffassung (z. B. BGH NJW<br />
97, 3169) nur die „echte“ Unterschrift wirksam.<br />
Die neueste Entwicklung hat die Rechtsprechung hingegen<br />
noch nicht mitvollzogen: den Einsatz von Computerfax<br />
und Übermittlung per Internet. Die Rechtsprechung hat<br />
hier bislang noch Probleme mit der eingescannten Unterschrift<br />
(s. dazu Borgmann, AnwBl 99, 50). Über den Vorlagebeschluß<br />
des BGH vom 29.9.98 war bei Verfassen dieses<br />
Beitrages noch nicht entschieden. Die Rechtsprechung wird<br />
sich indes den neuen Möglichkeiten nicht verschließen können.<br />
War mit der Anerkennung der Faxunterschrift erst einmal<br />
eine „kopierte“ Unterschrift gültig, so ist nicht erkennbar,<br />
warum eine eingescannte Unterschrift anders zu bewerten<br />
wäre. Wie wären demgegenüber beispielsweise mit Hilfe<br />
eines Grafikprogrammes unterzeichnete Computerschriftsätze<br />
zu bewerten? Die technische Entwicklung<br />
hat die Rechtsprechung offenbar bereits überholt. Sofern,<br />
was zu erwarten ist, durch eine europäische Richtlinie oder<br />
auch durch eine deutsche Gesetzesänderung die Wahrung<br />
der Schriftform durch Computerschriftsätze anerkannt wird,<br />
wird sich die weitere Diskussion erübrigen. Die durch die<br />
Benutzung des Internet sich ergebenden Probleme mit der<br />
Vertraulichkeit des Schriftstücks (§ 43 a BRAO bzw. § 203<br />
Abs. 1 Nr. 3 StGB) werden hierdurch allerdings nicht gelöst.<br />
Buchhinweis<br />
AnwBl 1/2000<br />
Mitteilungen<br />
Wilhelm E. Feuerich, Anton Braun: Bundesrechtsanwaltsordnung,<br />
Recht für Anwälte auf dem Gebiet der Europäischen Union,<br />
Kommentar; 4. Auflage 1999; Verlag Franz Vahlen GmbH<br />
München;1447 Seiten, 238,– DM<br />
Das bestens eingeführte und seit langem bewährte große Werk bedarf<br />
zum Zwecke seiner Verbreitung keiner erläuternden Worte.<br />
Seine Wertschätzung ist mit Recht allenthalben unbestritten. Mit<br />
Genugtuung und Freude ist hier nur zu vermerken, daß erstmals die<br />
jüngere Entwicklung des Berufsrechts in gewohnt ausgreifender,<br />
dichter und erschöpfender Kommentierung und Versammlung der<br />
Rechtsquellen dargeboten wird. Das gilt eben z.B. für die Berufsordnung<br />
und die Fachanwaltsordnung, erfaßt in geglückter Verknüpfung<br />
mit den Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsordnung,<br />
zu deren Konkretisierung sie aufrufen; für die genaue Nachzeichnung<br />
der Arbeit der Satzungsversammlung; für die Novellierung<br />
des Jahres 1998, welche die Errichtung der Rechtsanwalts-GmbH<br />
und die Neuerungen des Zulassungsverfahrens brachte. Schon dokumentiert<br />
ist die EU-Niederlassungsrichtlinie vom 16. Februar<br />
1998, deren Bedeutung für die künftige Berufsausübung kaum<br />
überschätzt werden kann. Jahrzehntelanger Vorbereitungen hat die<br />
Richtlinie bedurft. Die Bundesregierung hebt soeben zu einer hoffentlich<br />
nicht (wie früher) zu engherzigen Umsetzung in das nationale<br />
Recht an. Wohltuend und zeitsparend ist die Sammlung und<br />
Bündelung der Entwicklungslinien des anwaltlichen Werberechts<br />
sowie der modernen Instrumentarien anwaltlichen Wirkens. Unzählige,<br />
weiterführende, klärende, aber oft auch kuriose Fälle des Lebens<br />
aus Rechtsprechung und Literatur galt es in Reih’ und Glied<br />
zu bringen. Es bleibt so, wie es war: Wer sich mit anwaltlichem<br />
Berufsrecht befassen muß, nebenbei: das muß anders als früher<br />
heute jeder Anwalt und jede Anwältin, dem bleibt nichts anderes<br />
übrig, als mit Lust und Freude auch, und in vielen Fällen vornehmlich<br />
zum „Feuerich/Braun“ nicht nur zu greifen, sondern auch darin<br />
zu lesen.<br />
Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln