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Heft 1 1-64 - Anwaltsblatt

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AnwBl 1/2000 55<br />

Rechtsprechung l<br />

ZPO § 233<br />

Ein Rechtsanwalt ist zwar nicht verpflichtet, die Vollständigkeit<br />

der in einem fristwahrenden Schriftsatz angegebenen Anschrift<br />

des Gerichts zu prüfen. Er hat jedoch durch geeignete organisatorische<br />

Maßnahmen sicherzustellen, dass seine Mitarbeiter die<br />

für ein Gericht bestimmten Sendungen vollständig adressieren.<br />

BGH, Urt. v. 15.10.1999 – V ZR 50/99<br />

Aus den Gründen: ... II. Es kann dahingestellt bleiben, ob der<br />

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitig gestellt<br />

wurde, insbesondere ob der Prozessbevollmächtigte der Kl,<br />

bei der Unterzeichnung des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist<br />

verpflichtet war, die Einhaltung der Berufungsfrist<br />

zu prüfen (offen gelassen BGH, Beschl. v. 22.1.1997,<br />

XII ZB 195/96, NJW-RR 1997, 759, 760). Einer Entscheidung im<br />

Sinne der Kl steht jedenfalls entgegen, dass auf der Grundlage ihres<br />

Vorbringens nicht auszuschließen ist, dass ihr Prozessbevollmächtigter<br />

schuldhaft eine zurechenbare Ursache für die Verspätung<br />

der Auslieferung der nach ihrer Darstellung am 15.4.1998 zur<br />

Post gegebenen Berufungsschrift gesetzt hat, so dass die Verzögerung<br />

nicht mehr unverschuldet ist (BverfGE 50, 1, 4; BVerfG NJW<br />

1992, 38; BGHZ 105, 116, 118). Denn bei der angegebenen Anschrift<br />

des OLG fehlte die Postleitzahl. Damit musste die Sendung<br />

aus der automatischen Sortierung ausgesondert und dem Ermittlungsdienst<br />

der Post zur Vervollständigung der Anschrift zugeleitet<br />

werden. Die Technik der Postsortierung hat insoweit in den letzten<br />

Jahren einen grundlegenden Wandel erfahren.<br />

Auch wenn die Einschaltung des Ermittlungsdienstes bei Sendungen<br />

innerhalb Düsseldorfs regelmäßig nicht zu einer Verzögerung<br />

der Zustellung um mehr als zwei Tage führen mag, bestand<br />

für ein Vertrauen hierauf zumindest am 15.4.1998 keine hinreichende<br />

Grundlage. Es gibt weder eine allgemeine Aussage der<br />

Post zur Dauer der Arbeit Ihrer Ermittlungsdienste, noch konnte<br />

am 15.4. mit einer Nachbearbeitung der unvollständig adressierten<br />

Sendung gerechnet werden, auf Grund deren die Zustellung bis<br />

zum Ablauf der Berufungsfrist am 20.4., einem Montag, zu erwarten<br />

war. Um eine Zustellung bis zu diesem Tage zu ermöglichen,<br />

musste die Vervollständigung der Anschrift am Donnerstag, dem<br />

16.4., oder Freitag, dem 17.4.1998, erfolgen. Schon das war nicht<br />

gewährleistet. Bei der Woche vom 12. bis 19.4.1998 handelte es<br />

sich überdies um die Woche nach Ostern. Diese Woche wird häufig<br />

für Urlaub genutzt, was erfahrungsgemäß zu Verzögerungen führt.<br />

Der Prozessbevollmächtigte der Kl war bei der Unterzeichnung<br />

der Berufungsschrift zwar nicht verpflichtet, die Vollständigkeit<br />

der in dieser angegebenen Anschrift des OLG zu prüfen (BGH,<br />

Beschl. v. 2.5.1990, XII ZIB 17/90, BGHR ZPO § 233, Büropersonal<br />

3; v. 23.3.1995, VII ZB 19/94, BGHR ZPO § 233, Telekopie 1),<br />

er hatte jedoch durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass<br />

fristwahrende Schriftsätze von den Mitarbeitern seines Büros vollständig<br />

adressiert werden (BGH, Beschl. v. 10.3.1993, VIII ZB<br />

1/93, VersR 1994, 75; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 233<br />

Rdnr. 79). Hierzu hat die Kl nichts vorgebracht. Die Tatsache, dass<br />

auch die Berufungsbegründung vom 24.6.1998 in derselben Weise<br />

wie die Berufungsschrift unvollständig adressiert ist, rechtfertigt<br />

vielmehr die Annahme, dass organisatorische Vorkehrungen fehlen,<br />

die Versäumnissen bei der Adressierung von für das OLG bestimmten<br />

Schriftsätzen zuverlässig entgegen wirken.<br />

Gebührenrecht<br />

BRAGO § 15 Abs. 1<br />

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß § 15 Abs. 1<br />

BRAGO dann nicht anzuwenden ist, wenn das Betragsverfahren<br />

nach dem Berufungsverfahren über das Grundurteil weitergeführt<br />

wird (Bestätigung des Beschl.v. 22.10.1993 – 11W 2422/93 –,<br />

Rpfleger 1994, 272 = JurBüro 1994, 543 = OLGR 1994, 95).<br />

OLG München, Beschl. v. 17.9.1998 – 11 W 2282/98<br />

Aus den Gründen: I. Die Parteien streiten über die Frage, ob<br />

bei der Bestätigung eines Grundurteils durch die Rechtsmittel-<br />

instanzen wegen des in der ersten Instanz verbliebenen Betragsverfahrens<br />

§ 15 BRAGO anzuwenden ist mit der Folge, daß die<br />

anwaltlichen Verhandlungs- und Beweisgebühren sowie die Auslagenpauschale<br />

nach § 26 BRAGO erneut anfallen. ...<br />

II. Die form- und fristgerechte Erinnerung der Kl, die nach<br />

Nichtabhilfe und Vorlage an das OLG als zulässige sofortige Beschwerde<br />

zu behandeln ist (§§ 104 Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 1 und 2<br />

RPflG), hat keinen Erfolg.<br />

Der Senat bleibt nach Überprüfung bei seiner im Beschl. v.<br />

22.10.1993 niedergelegten Rechtsansicht, daß das an ein Grundurteil<br />

und das hierauf bezogene Berufungsverfahren anschließende<br />

Betragsverfahren nicht als neuer Rechtszug i. S. v. § 15 Abs. 1<br />

BRAGO zu werten ist (Senat, OLGR 1994, 95 = Rpfleger 1994,<br />

272 = JurBüro 1994, 543).<br />

1. Der Rechtsauffassung des Senats steht § 538 Abs. 1 Nr. 3<br />

ZPO nicht entgegen. Bei richtiger Auslegung bedeutet die Vorschrift<br />

nur, daß eine Sache, die auch beim Berufungsgericht anhängig<br />

geworden ist, zurückzuverweisen ist. Bereits die vereinigten<br />

Senate des Reichsgerichts (RGZ 70, 179, 183) haben ausgesprochen,<br />

daß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO den hier gegebenen Fall nicht<br />

betrifft, weil der Streit über den Betrag von vornherein in der ersten<br />

Instanz anhängig geblieben ist. Die Vorschrift solle insbesondere<br />

den Fall erfassen, daß, wenn bei einem nach Grund und Betrag<br />

streitigen Anspruch die Klage in erster Instanz abgewiesen<br />

worden ist, das Berufungsgericht bei Bejahung des Grundes nicht<br />

nach § 537 ZPO genötigt ist, auch über den Betrag zu entscheiden.<br />

Der BGH hat sich der Meinung des Reichsgerichts angeschlossen<br />

(BGHZ 27, 15, 27).<br />

In diesem Zusammenhang ist das Argument, das Berufungsgericht<br />

könne auch das Betragsverfahren an sich ziehen, wenn es<br />

inzwischen entscheidungsreif oder leicht entscheidungsreif zu<br />

machen sei, unbehelflich. Denn in diesem zulässigen Fall wird die<br />

Sache nach dem Willen des Berufungsgerichts nachträglich auch<br />

bezüglich des Betragsverfahren bei ihm rechtshängig. Dann wird<br />

das vorher in der ersten Instanz anhängig gewesene Verfahren<br />

durch eine Entscheidung des Berufungsgerichts erledigt, so daß<br />

schon deswegen keine weiteren Gebühren in der ersten Instanz anfallen<br />

können.<br />

2. Gegen die Anwendung des § 15 Abs. 1 BRAGO spricht, daß<br />

nach § 304 Abs. 2 Hs. 2 ZPO in erster Instanz über den Betrag<br />

trotz des Rechtsmittelverfahrens über den Grund weiterverhandelt<br />

werden und die Sache durch Endurteil abgeschlossen werden kann<br />

(vgl. RGZ aaO). Theoretisch wäre damit denkbar, daß über den Betrag<br />

in erster Instanz bis zur Entscheidungsreife verhandelt ist und<br />

danach das angefochtene Grundurteil, das den Anspruch zugesprochen<br />

hatte, rechtskräftig wird. Es liegt auf der Hand, daß dieses Ereignis<br />

nicht dazu führen könnte, daß die Prozeßbevollmächtigten<br />

ihre Gebühren nur wegen der inzwischen eingetretenen Rechtskraft<br />

des Berufungsurteils noch einmal verdienen würden.<br />

3. Eine Anwendung des § 15 Abs. 1 BRAGO auf den vorliegenden<br />

Fall aus Billigkeitsüberlegungen ist nicht geboten. Daß für<br />

die Prozeßbevollmächtigten nach Bestätigung des Grundurteils für<br />

die Bearbeitung des in erster Instanz anhängig gebliebenen Betragsverfahrens<br />

im Hinblick auf die Begründung des bestätigenden<br />

Urteils wegen geänderter Verfahrensbasis regelmäßig ein erheblicher<br />

zusätzlicher Arbeitsaufwand entstehen würde, ist eine durch<br />

nichts belegte Behauptung. In vielen Fällen wird das Gegenteil der<br />

Fall sein. Im übrigen ist eine solche Veränderung der Verfahrensbasis<br />

in jedem Prozeß zu jedem Zeitpunkt möglich, weil das<br />

Gericht jederzeit seine Rechtsansicht ändern und entsprechende<br />

aufklärende Hinweise geben kann oder weil eine neue geänderte<br />

höchstrichterliche Rechtsprechung zu beachten ist.<br />

4. Die – wie der Senat nicht verkennt – wohl herrschende<br />

Gegenauffassung übersieht, daß § 15 Abs. 1 BRAGO dem Umstand<br />

Rechnung trägt, daß der Rechtszug und damit der konkrete<br />

Auftrag erledigt ist, soweit die erste Instanz über den Klageanspruch<br />

entschieden hat. Ein neuer Rechtszug durch Zurückverweisung<br />

wird daher insoweit eröffnet, als über Streitgegenstände<br />

nochmals zu entscheiden ist, über die bereits mit Urteil entschieden<br />

war. Nach Bestätigung des Grundurteils ist aber nur das noch anhängige<br />

Verfahren, dessentwegen der Rechtszug eben nicht beendet<br />

war, fortzusetzen.<br />

Mitgeteilt von Richter am OLG Dr. Rönnebeck, München

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