Heft 1 1-64 - Anwaltsblatt
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l<br />
BRAGO § 99<br />
Es wird nur in der Regel geboten sein, sich der Einschätzung<br />
des Vorsitzenden bei der Beurteilung der Frage, ob es sich bei einem<br />
Verfahren um ein „besonders schwieriges“ i. S.v. § 99 BRA-<br />
GO gehandelt hat, anzuschließen; ist die Einschätzung des Vorsitzenden<br />
nach Aktenlage nicht nachvollziehbar, kommt ein<br />
Anschluß nicht in Betracht.<br />
OLG Hamm, Beschl. v. 10.12.1998 – 2 (s) Sbd. 5 – 245/98<br />
Aus den Gründen: Dem Antragsteller war gem. § 99 Abs. 1<br />
BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen, da er in einem „besonders<br />
umfangreichen“ Verfahren tätig geworden ist. Zur Begründung<br />
wird, insbesondere auch wegen der von dem Antragsteller für<br />
den ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten, zur Vermeidung<br />
von Wiederholungen auf die Stellungnahme des Leiters<br />
des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des OLG Hamm v.<br />
16.11.1998 Bezug genommen. Diese ist dem Antragsteller bekannt.<br />
Der Senat ist allerdings nicht der Auffassung, daß das Verfahren<br />
auch „besonders schwierig“ i. S. v. § 99 Abs. 1 BRAGO war.<br />
Zwar hat der Vorsitzende des Schwurgerichts in seiner Stellungnahme<br />
angegeben, daß das Verfahren besonders Schwierigkeiten in<br />
rechtlicher Hinsicht geboten habe. Dieser Einschätzung hat der<br />
Leiter des Dezernats 10 der hiesigen Verwaltungsabteilung nicht<br />
widersprochen. Er hat sich dabei auf die ständige Rechtsprechung<br />
des Senats bezogen, wonach es wegen der besonderen Sachnähe<br />
des Gerichtsvorsitzenden in der Regel geboten sein wird, sich dieser<br />
Einschätzung anzuschließen (vgl. Senatsbeschluß in 2 (s) Sbd.<br />
5 – 245/98 v. 15.1.1998 in AnwBl 1998, 416 = Anwaltsgebühren-<br />
Spezial 1998, 104 = ZAP EN-Nr. 609/98). Dazu ist folgendes anzumerken:<br />
Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest, weist aber darauf<br />
hin, daß es, wie er auch schon in seinem Beschl. v. 15.1.1998 ausgeführt<br />
hat, nur in der Regel geboten sein wird, sich der Einschätzung<br />
des Vorsitzenden anzuschließen. Ist diese aufgrund der Aktenlage<br />
nicht nachvollziehbar, kommt ein Anschluß nicht in<br />
Betracht. Davon ist vorliegend auszugehen. Die Überprüfung des<br />
Verfahrensstoffs hat für den Senat keine Anhaltspunkte ergeben,<br />
die eine Beurteilung des Verfahrens als „besonders schwierig“ als<br />
angebracht erscheinen ließen. Es handelt sich um ein „normales“<br />
Totschlagsverfahren, in dem der ehemalige Angeklagte von Anfang<br />
an geständig war. Auch die ihm zusätzlich noch vorgeworfenen<br />
Verstöße gegen das WaffenG rechtfertigen eine Beurteilung als<br />
„besonders schwierig“ nicht. Der Gerichtsvorsitzende hat zudem<br />
mit keinem Wort begründet, warum das Verfahren rechtlich besonders<br />
schwierig war. Bei der vom Senat somit vorgenommenen Einordnung<br />
des Verfahrens als „normales“ Schwurgerichtsverfahren<br />
ist, worauf auch noch einmal hinzuweisen und was vom Vertreter<br />
der Staatskasse auch nicht verkannt worden ist, zudem von besonderem<br />
Belang gewesen, daß der Gesetzgeber dem in der Regel höheren<br />
Schwierigkeitsgrad (und größerem Umfang) von<br />
Schwurgerichtssachen bereits durch erheblich höhere gesetzliche<br />
Gebühren gegenüber sonstigen Strafsachen, die vor einer großen<br />
Strafkammer verhandelt werden, Rechnung getragen hat. Ließe<br />
man das unberücksichtigt, wäre jedes vor dem Schwurgericht verhandelte<br />
Verfahren „besonders schwierig“ mit der Folge, daß in allen<br />
Schwurgerichtsverfahren eine Pauschvergütung nach § 99<br />
BRAGO zu gewähren wäre. Das entspricht jedoch nicht dem Sinn<br />
und Zweck der Pauschvergütung.<br />
Nach allem war dem Antragsteller somit nur wegen des „besonderen<br />
Umfangs“ des Verfahrens eine Pauschvergütung nach § 99<br />
Abs. 1 BRAGO zu bewilligen. Bei deren Bemessung hat der Senat<br />
alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Danach erschien eine<br />
Pauschvergütung von 4100 DM, was einer Gebühr von etwa<br />
700 DM unter der Mittelgebühr eines Wahlverteidigers entspricht,<br />
angemessen, aber auch ausreichend. Der Senat hat bei der Bemessung<br />
dieser Pauschvergütung die auch für ein Verfahren vor dem<br />
Schwurgericht schon überdurchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine,<br />
die durchschnittlich sieben Stunden gedauert haben,<br />
wie insbesondere auch die Tätigkeit des Antragstellers im Revisionsverfahren<br />
berücksichtigt. Der Senat hat diese jedoch nur als<br />
durchschnittlich angesehen. Die Frage, ob die Tätigkeit im Revisionsverfahren<br />
schon, wie der Leiter des Dezernats 10 meint, überdurchschnittlich<br />
war, konnte dahinstehen. Denn selbst wenn das der<br />
Fall wäre, wäre unter Berücksichtigung der sonstigen Tätigkeiten<br />
des Antragstellers eine höhere Pauschvergütung nicht zu gewähren<br />
AnwBl 1/2000<br />
Rechtsprechung<br />
gewesen. Das gilt auch, soweit der Antragsteller vorgetragen hat,<br />
er habe den ehemaligen Angeklagten mehrfach in der Justizvollzugsanstalt<br />
besucht. Diesem unsubstantiierten Vortrag läßt sich<br />
nämlich, worauf der Leiter des Dezernats 10 in seiner dem Antragsteller<br />
bekannten Stellungnahme zutreffend hinweist, nicht entnehmen,<br />
wieviel Besuche und wielange unternommen worden sind.<br />
Damit kann der Senat nicht beurteilen, ob der Antragsteller insoweit<br />
mehr an Tätigkeiten für den ehemaligen Angeklagten erbracht<br />
hat, als in Verfahren, in denen der Angeklagte inhaftiert ist, üblich<br />
ist (vgl. dazu Beschl. des Senats v. 15.5.1998 – 2 (s) Sbd. 5-98/98,<br />
in NStZ-RR 1998, 254 = StraFo 1998, 321, 356 = Anwaltsgebühren-Spezial<br />
1998, 140). Nur diese Tätigkeiten können aber bei der<br />
Bemessung der Pauschvergütung erhöhend berücksichtigt werden.<br />
Zu Gunsten des Antragstellers hat der Senat aber die Teilnahme<br />
des Antragstellers an einem Haftprüfungstermin, an dem der Antragsteller<br />
noch neben mehrfachen Besuchen in der Justizvollzugsanstalt<br />
teilgenommen hat, als pauschvergütungserhöhend einbezogen.<br />
Nach allem erschien damit die gewährte Pauschvergütung von<br />
4100 DM ausreichend und angemessen.<br />
Der weitergehende, bei weitem übersetzte Antrag des Antragstellers,<br />
der eine Pauschvergütung etwa in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr<br />
beantragt hat, war demgemäß abzulehnen. Eine<br />
Pauschvergütung in dieser Höhe kommt nach ständiger Rechtsprechung<br />
des Senats nur dann in Betracht, wenn der Antragsteller<br />
durch die Tätigkeit im Verfahren über einen längeren Zeitraum<br />
ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen<br />
worden wäre (vgl. u. a. zuletzt Senat in JurBüro 1997, 84). Das ist<br />
hier aber indes nicht der Fall.<br />
Mitgeteilt von Richter am OLG Detlef Burhoff, Ascheberg<br />
BRAGO §§ 99, 97<br />
Der besondere Umfang einer Strafsache mit 1450 Blättern und<br />
besonderer Beanspruchung des Pflichtverteidigers durch Haftprüfungsverfahren<br />
rechtfertigt keine höhere Pauschvergütung<br />
als die Verdoppelung der gesetzlichen Gebühren auf 1200 DM.<br />
(LS der Redaktion)<br />
OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.1.1999 – ARs 1256/98<br />
Aus den Gründen: Mit zutreffender Begründung, die der ständigen<br />
Rechtsprechung des Senats entspricht, hat der Bezirksrevisor<br />
bei dem OLG Nürnberg in seiner Stellungnahme vom 5.11.1998<br />
ausgeführt, daß wegen des besonderen Umfanges der Strafsache<br />
mit 1450 Blätter bis zur Einstellung vom 6.11.1997 und der besonderen<br />
Beanspruchung des Pflichtverteidigers durch Haftprüfungsverfahren<br />
eine Verdoppelung der gesetzlichen Gebühren auf 1200<br />
DM angemessen und vertretbar erscheint und im übrigen keine<br />
Kriterien vorliegen, die unter Berücksichtigung der Besonderheiten<br />
des Einzelfalls eine höhere Pauschvergütung rechtfertigen könnten.<br />
Diese Bewertung gibt weder in tatsächlicher noch in rechtlicher<br />
Hinsicht Anlaß zur Beanstandung und wird auch nicht durch die<br />
Gegenäußerung des Pflichtverteidigers, die in akribischer Form<br />
den Schriftwechsel mit dem Verurteilten auflistet, entkräftet.<br />
Insoweit weist der Senat darauf hin, daß die Gebühren des<br />
Pflichtverteidigers in erster Linie nicht nach dem tatsächlich geleisteten<br />
Aufwand, sondern nach dem System der Wert- und Rahmengebühren<br />
berechnet werden. Die Pauschvergütung muß auch nicht<br />
kostendeckend sein; sie soll nur das dem Pflichtverteidiger auferlegte<br />
Opfer mildern.<br />
Insgesamt war eine Pauschvergütung von 1200 DM zu bewilligen<br />
und im übrigen der Antrag zurückzuweisen.<br />
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ulrich Bias, Ausbach<br />
BRAGO § 128 Abs. 4, § 31 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 613<br />
Dem Entstehen einer Beweisgebühr auch zur Folgesache elterlicher<br />
Sorge steht nicht entgegen, daß es an einer förmlichen Anordnung<br />
fehlt und das Protokoll auch die Durchführung der Anhörung<br />
nicht eindeutig erweist. (LS der Red.)<br />
KG, Beschl. v. 1.7.1999 – 19 WF 2978/99