Kanatschnig Fischbacher Schmutz 1999 OIN_Bd_5.pdf - ÖIN
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2.3.1 Wirtschaftliche Aspekte<br />
Wesentlicher Grund für die Beibehaltung des raumordnungspolitischen<br />
Gleichwertigkeitsziels ist, daß grundsätzlich<br />
traditionelles wirtschaftliches Wachstum (unter<br />
Beibehaltung herkömmlicher Indikatoren wie dem BIP)<br />
nicht in Frage gestellt wird, ja sogar als wichtigste Voraussetzung<br />
für eine erfolgreiche Umsetzung erachtet<br />
wird. Deshalb wird es als generell möglich angesehen,<br />
durch finanzielle Anreize in strukturschwachen Regionen<br />
wirtschaftliches Wachstum zu fördern und so die festgelegten<br />
Mindeststandards zu erreichen. 1 Wie bereits<br />
erwähnt, läßt die reine Orientierung an den Durchschnittsmeßgrößen<br />
bzw. am wirtschaftlichen Wachstum als Indikator<br />
für den Stand der regionalen Entwicklung ökologische<br />
und gesellschaftliche Ziele in den Hintergrund treten.<br />
Darin liegt auch die Gefahr, das ursprüngliche Ziel<br />
des Ausgleichs von Disparitäten zu verfehlen: So können<br />
etwa ökonomische Disparitäten abgebaut werden, gleichzeitig<br />
jedoch andere – ökologische oder gesellschaftliche<br />
– verschärft werden. Andere mögliche negative Folgewirkungen<br />
sind eine inter- oder intraregionale Verschiebung<br />
von ökonomischen, ökologischen oder gesellschaftlichen<br />
Problemen.<br />
Ein weiterer zu beachtender Aspekt ist, daß die allgemein<br />
vorgegebenen Richtwerte des nationalen Durchschnitts<br />
Entwicklungsleitbild<br />
16<br />
mit fortschreitendem Erfolg der Umsetzung regionaler<br />
Wachstumsstrategien immer mehr steigen. Gelingt es<br />
einer zunehmenden Zahl von strukturschwachen Regionen<br />
mit Hilfe von Strukturförderungen den Anschluß an<br />
wirtschaftlich stärkere Regionen zu finden, wird sich<br />
auch der Bundesdurchschnitt (=Mindeststandard) nach<br />
oben verschieben, 2 wodurch wieder zusätzliche Problemregionen<br />
entstehen können.<br />
Je mehr sich durch gleichgerichtete Aktivitäten die<br />
Situationen in den Regionen gleichen, desto mehr verringern<br />
sich damit die Chancen für jede einzelne Region,<br />
eine Stärkung der eigenen Wettbewerbsposition zur Verbesserung<br />
der wirtschaftlichen Situation zu erzielen.<br />
Statt dessen besteht die Gefahr der Niveauverschiebung,<br />
nach der alle mit erhöhtem Aufwand lediglich den gleichen<br />
Effekt erzielen können. 3 Dieses Phänomen wird als<br />
‚Marktdilemma‘ bezeichnet 4 und geht mit der Vergeudung<br />
von Ressourcen einher.<br />
2.3.2 Ökologische Aspekte<br />
Aus ökologischer Sicht gab es bereits relativ früh Zweifel<br />
daran, daß sich die beiden Ziele „gleichwertige Lebensbedingungen“<br />
und „nachhaltige Raumentwicklung“<br />
konfliktfrei miteinander vereinbaren lassen. 5 Zum einen<br />
ist zu bemerken, daß sich die Theorien und Modelle<br />
(z.B. Zentrale-Orte) zur Analyse, Bewertung und Planung<br />
1 Vgl. Wolf, J.: Gleichwertige Lebensverhältnisse versus nachhaltige Entwicklung – was heißt das für Brandenburg-Berlin. In: Bausteine<br />
für eine nachhaltige Raumentwicklung in Brandenburg und Berlin. (Hrsg. von K.-H. Hübler und U. Weiland), Berlin 1997, S.32.<br />
2 Vgl. Wolf, J.: Gleichwertige Lebensverhältnisse versus nachhaltige Entwicklung, a.a.O., S.33.<br />
3 Vgl. Peters, U. u. a.: Nachhaltige Regionalentwicklung - ein neues Leitbild für eine veränderte Struktur- und Regionalpolitik. NARET<br />
(Nachhaltige Regionalentwicklung Trier) Universität Trier, Trier 1996, S.38.<br />
4 Türk, K.: Einführung in die Wirtschaftssoziologie. Stuttgart 1987.<br />
5 Vgl. auch Finke, L.: Dauerhafte, umweltgerechte Raumentwicklung aus ökologisch-planerischer Sicht, insbesondere der des<br />
Naturschutzes. In: Dauerhafte umweltgerechte Raumentwicklung. (Hrsg. Akademie für Raumforschung und Landesplanung ARL ),<br />
Hannover 1994, S.119ff.