des vatikanischen Belvedere "Antinous"? - Walter Peter Gerlach ...
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<strong>Peter</strong> <strong>Gerlach</strong><br />
dieser Stadt überwunden ist und die Tempel der heidnischen Götter unserem Herrn geweiht und für den<br />
Kult unserer Heiligen übernommen worden sind, haben wir die antiken Monumente der Stadt zu hüten,<br />
auf daß in diesen Tempeln für alle Zeiten und in der Schönheit dieser Bauten die göttliche Herrlichkeit<br />
immerdar gefeiert werde ... Was wir wahrlich nicht ohne tiefen Schmerz berichten ist aber doch wahr, daß<br />
nach den Gothen, den Vandalen, anderen Barbaren und Griechen ob unserer Sorglosigkeit und Schuld ...<br />
und ob unserer Mißgunst der alte Schmuck ein Angstgeschrei erhob, da wir ihn schändeten, vernichteten<br />
und hinwegschleppten. Das alles aus Schuld und Trägheit, wenn durch Pflanzen, Efeu und Tiere die<br />
Monumente zerstört und auch, wenn die Dinge aus der Stadt fortgeschleppt werden ... Es ist ein Verbrechen,<br />
wenn vieles zu Kalk gebrannt wird ..." Der Geist, aus dem heraus diese Worte formuliert sind,<br />
spricht aus den anfänglichen Sätzen: Die Götter und Heiligen der Alten sind entmachtet, wir haben<br />
gerade <strong>des</strong>wegen ihr Andenken zu pflegen. Wenn auch der praktische Umgang mit den Altertümern<br />
Roms zu dieser Zeit keineswegs diesen wohlklingen Worten entspricht, so ist dies sehr wohl das<br />
Programm zumin<strong>des</strong>t einer Fraktion der katholischen Gegenreformation, das auch aus der Aufnahme <strong>des</strong><br />
Hermes-Antinous in das Statuen-Programm <strong>des</strong> <strong>vatikanischen</strong> <strong>Belvedere</strong>s spricht, indem man aus dem<br />
"Antinous infelix" der Kirchenväter einen "Antinous felix" der Gegenreformation werden ließ.<br />
Die Beweisführung, die uns bis hierher gebracht hat, basiert auf einer Voraussetzung, die ihrerseits sehr<br />
hypothetischer Natur ist. Wir folgten Michaelis, der das Zeugnis Mercatis gegenüber der Fundort-Angabe<br />
<strong>des</strong> Fulvio-Textes bevorzugte. Dem anderen Fundort, dem Esquilin-Hügel beim Hadrianello, entspricht<br />
nun weiterhin eine andere Zeitangabe, nämlich die Aufstellung der beiden dort gefundenen Antinous-<br />
Statuen durch Leo X. im Vatikan, bzw. <strong>Belvedere</strong>.<br />
Die Frage scheint mir nicht unberechtigt, ob - von vergleichbaren Überlegungen ausgehend - nicht auch<br />
Leo X. und ihm vertraute Personen für die Benennung einer Statue vom Typ Hermes-Andros als<br />
"Antinous" mit ihnen eigenen Interessen verantwortlich gemacht werden könnten. Seine Privatsekretäre<br />
waren Sadolet 1513 - 1522 und Bembo bis 1521. Sie könnten durchaus die Gewährsmänner für Andrea<br />
Fulvius gewesen sein, der von ihnen den Hinweis auf den Fundort der Statuen erhalten haben kann.<br />
Damit wäre diese Fundort-Angabe ebenso zuverlässig verbürgt, wie die <strong>des</strong> Mercati. 1527 erschienen<br />
Fulvios fünf Bücher "De urbis antiquitatibus" zu Rom, danach 1545 wieder in Brescia. Ficinos Pymander-<br />
Übersetzung war ebenso zugänglich, wie antike Antinous - Medaillen, das lehrt Fulvios Illustration von<br />
1517. Die Dokumente von da Fiano und Conrad Celtis liegen gleichfalls vor dem fraglichen Funddatum.<br />
Mit anderen Worten: die ganze, ausführlich von Ligorio resümierte theologische Deutungsgeschichte <strong>des</strong><br />
divinisierten Antinous hätte bereits in den 20er Jahren <strong>des</strong> 16. Jhds. aus der einschlägigen Literatur und<br />
den zugänglichen Monumenten bekannt sein können. Dabei ist möglicherweise mit einer Ausnahme zu<br />
rechnen: der Inschrift der Antinous - Basis von San Stephano in Cacco. Ob allerdings diese Basis mit der<br />
Inschrift erst zu Pighius Zeiten aus der Erde geholt worden ist oder bereits seit Jahren zugänglich offen<br />
lag, ist nach Lage der Berichte nicht eindeutig zu entscheiden.<br />
Aber schließlich hatte Raphael in seiner Entwurfsskizze für den von Lorenzetto ausgeführten Jonas der<br />
Chigi-Kapelle eigenhändig den Kopf eines Antinous gegeben. 82 Min<strong>des</strong>tens zwei Bronze-Büsten <strong>des</strong><br />
frühen 16. Jhds. aus der Werkstatt <strong>des</strong> Antico stellen zweifelsfrei Antinous - Bildnisse dar. Michelangelo<br />
hatte seine Sybillen bereits gemalt: antike Weissagung der Ankunft <strong>des</strong> christlichen Erlösers waren längst<br />
in das Ausstattungsprogramm katholischer Kirchen auf italienischem Boden einbezogen und Hermes<br />
Trismegistos hatte seine erste monumentale neuzeitliche Darstellung im Bodendekor der Kathedrale von<br />
Siena erhalten.<br />
Antinous blieb als singuläres Beispiel eines antiken "Heiligen" bemerkenswert. Er konnte als eine durch<br />
ihr Leben - wenn auch keineswegs nach christlicher Moralvorstellung - exemplarische Person dargestellt<br />
werden, die nach dem Tode in den Rang erhoben wurde, der dem christlicher Heiliger gleichkam. In<br />
einem Dialog in Porcacchis » Fvnerali antichi di diuersi Populi... « wird die Frage in<strong>des</strong>sen vorsichtiger,<br />
aber durchaus zutreffend, nach der Consecration (Heiligsprechung) einer Person ohne herrscherlichen<br />
Rang gestellt. Sie konnte positiv und ohne ausschweifenden Rekurs auf den arkadischen Hermes oder<br />
den ägyptischen Hermes Trismegistos beantwortet werden:<br />
"Hauete voi memoria, che sia stato mai consecrato alcun huomo priuato, che non sia stato di dignità<br />
Imperiale?