des vatikanischen Belvedere "Antinous"? - Walter Peter Gerlach ...
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<strong>Peter</strong> <strong>Gerlach</strong><br />
bei diesem zweiten Unternehmen einbezogen wurde, weil er eben erst kurz zuvor gefunden wurde. Aber<br />
welcher war es? War es wirklich der unsere? Doch wie steht es mit dem Nil, der neben dem Antinous als<br />
einziger ausdrücklich benannt wurde - die übrigen wurden unter den "elf Formen" subsumiert? Dieser war<br />
als einzige Neuerwerbung bereits unter Leo X. seit min<strong>des</strong>tens 1523 im <strong>Belvedere</strong>. Somit kann dieses<br />
Argument als nicht ganz überzeugend für ein rezentes Funddatum nur mit Vorbehalt Geltung<br />
beanspruchen.<br />
Einzig bleibt in<strong>des</strong>sen festzuhalten, daß wir für das Jahr 1545 erstmals bezeugt haben, daß eine Statue<br />
im <strong>Belvedere</strong> als "Antinous" bezeichnet wurde. Nun hatte aber schon 1513 Andrea Fulvio, der sich als<br />
Erster "antiquarius" nannte, und "non ut architectus sed historico more <strong>des</strong>cribere" beabsichtigte, in der<br />
ersten Ausgabe von » Antiquaria urbis « den Fund von zwei Antinous-Statuen während der<br />
Regierungszeit Leo X. (1513 - 1521) vermeldet, die dieser im Vatikan aufstellen ließ. 22 Leider wissen wir<br />
bis heute nicht annähernd, welche Statuen er damit benannt haben könnte.<br />
In der von Paulo dal Rosso bearbeiteten italienischen Ausgabe <strong>des</strong> Fulvio-Textes von 1543 ist der<br />
Wortlaut <strong>des</strong> Textes ergänzt. Es heißt nunmehr: "... Le predette statue furono poste da Leone decimo nel<br />
Vaticano, cioè in <strong>Belvedere</strong> ..." 23 . Und dieser Zusatz, daß diese Statuen sich zu seiner Zeit im <strong>Belvedere</strong><br />
befänden, führte bei nachfolgenden Autoren zu einer selbstverständlichen Gleichsetzung einer von<br />
diesen mit unserem Hermes-Antinous <strong>des</strong> <strong>Belvedere</strong>. 24 Sowohl Antonio Francesco Doni (1549) 25 , als<br />
auch Lucius Faunus 26 und Ulisse Aldovrandi (1556) 27 fügten ihrer beschreibenden Erwähnung der<br />
belvederischen Statue immer auch den in diesem Fulvio-Text genannten Fundort hinzu. 28 Daß Fulvio<br />
seine Angabe auf andere Statuen bezogenen haben könnte, als der Herausgeber, dem wir den Zusatz<br />
verdanken, ist nach wie vor nicht auszuschließen, denn keine der beiden Statuen ist bis heute identifiziert<br />
worden. Vielleicht befanden sich diese unter Verkäufen antiker Statuen aus dem <strong>Belvedere</strong>, die Pius V.<br />
gleich nach seiner Wahl im Jahre 1566 an den römischen Senat, an Kardinal Ferdinando Medici und an<br />
den Kardinal Otto Truchses von Waldburg veranlaßte 29 , weil er die heidnischen Kunstwerke hier nicht an<br />
dem ihnen gemäßen Ort wähnte.<br />
Sehen wir uns die Belege für die These an, daß<br />
1. der Hermes-Antinous sich nicht vor 1543 im <strong>Belvedere</strong> befunden haben kann.<br />
Michaelis führte dafür das Argument ein, sie habe sich nicht unter den von Primaticcio für Franz I.<br />
besorgten Abgüssen befunden. Das aber trifft in gleicher Weise für jenen "Mercurius" zu, den Fichard<br />
1536 "in eodem latere" wie den Apoll, den Laokoon und die Venus Felix bezeugt. Wieso aber - müssen<br />
wir uns andererseits fragen - hat Fichard aber diese Statue zweifelsfrei als "Mercurius" bezeichnen<br />
können? Hatte nicht auch unsere Statue Ähnlichkeit mit jener Hermes-Statue, die sich damals in der<br />
Casa Sassi befand, wo sie Heemskerck um 1536 zeichnete? Waren vor <strong>des</strong>sen Restaurierung wohl doch<br />
noch fragmentarische Reste von Flügeln an seinen Füßen sichtbar, wie Visconti 1818 vermutete? 30<br />
2. Das Funddokument von 1543 einer "statua marmorea perpulchra", die Paul III. von Nicolaus de Palis<br />
für das <strong>Belvedere</strong> zu einem hohen Preis erwarb und Mercatis Bemerkung, daß der fast unversehrte<br />
Hermes-Antinous beim Hadrians-Mausoleum gefunden worden sei, in <strong>des</strong>sen westwärts gelegener<br />
Umgebung der Buffalini-Plan von 1560 (Abb.4) eine "vigna Horatii Pallini" verzeichnet, passen ob der<br />
Namensähnlichkeit (Michaelis) doch zu gut zueinander, als daß an dieser Identifizierung je Zweifel<br />
angemeldet worden wären. Und dennoch ist klar, daß hier nur Mercatis Bericht gegen denjenigen Fulvios,<br />
bzw. seines späteren Herausgebers steht, der bereits einen sehr viel früheren Fund von zwei Antinous-<br />
Statuen bei San Martino ai Monti auf dem Esquilin oberhalb der Thermen <strong>des</strong> Traian überlieferte (Abb.5).<br />
Wie aber hätte Fulvio eine attributlose Statue - wenn denn die unsere in dieser Zeit bereits bekannt<br />
gewesen sei - identifizieren können, da sie doch recht wenig mit der typischen Antinous-Physiognomie zu<br />
schaffen hat? Dagegen aber sind auch nach 1540 keine Einwände erhoben worden, bis auf<br />
Winckelmann. Er vergleicht sie - zumin<strong>des</strong>t im Florentiner Entwurf seiner » Geschichte « - nun gerade<br />
auch mit Hermes-Statuen:<br />
"Aber man findet sehr viel Statuen die diesem Antinoo sehr wohl gleichen, in der Villa Mattei s[in]d auch<br />
Statuen die für [...] nach diesen copiert scheinen. [...] Im Palazzo bey der Sapienza und San Eustachio ist<br />
ein Mercurio so diesem Antinoo g[an]z ähnlich vom Gesicht." 31