des vatikanischen Belvedere "Antinous"? - Walter Peter Gerlach ...
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<strong>Peter</strong> <strong>Gerlach</strong><br />
Antinous und läßt ihn an so hervorragender Stelle im <strong>Belvedere</strong> aufstellen? 3<br />
Meine These lautet: Man wußte im 16.Jh. sehr wohl, daß diese Statue einen attributlosen Hermes-Typus<br />
darstellte, der nach den literarischen Quellen unter den bekannten antiken Darstellungen mehrfach<br />
aufzufinden sein konnte. 4 Dennoch hat man sie Antinous benannt und als solchen in die <strong>Belvedere</strong>-<br />
Sammlung aufgenommen. Nicht aber der historische Antinous war gemeint, wie die Mehrzahl<br />
zeitgenössischer Texte der Guiden-Literatur nahezulegen scheint, den man im Einklang mit der<br />
frühchristlichen Literatur nur als ein prominentes Beispiel eines heidnisch-falschen Heiligen, als einen<br />
"Antinous infelix" 5 , diskret zur Kenntnis nahm, sondern man erkannte in ihm den divinisierten,<br />
vielgestaltigen, mystischen Retter <strong>des</strong> Hadrian, wie man ihn von Münzbildern kannte, den man ob seines<br />
Wesens als SYNTHRONOS - somit der Gleichsetzung mit dem arkadischen, hermetischen Urgott - dort<br />
an seinem angemessenen Platz zwischen Tigris-Arno und Kleopatra, hinter dem Nil, gegenüber vom<br />
Tiber und Apoll zur Linken, Laokoon in der Mitte und Venus Felix zur Rechten sah. 6<br />
Er wurde dort jedoch keineswegs als Christus-gleiche Gestalt oder etwa als eine seiner Präfigurationen<br />
ante legem, aufgefaßt - Opfer-Tod und anschließende Aufnahme in den Götterhimmel hätten dafür<br />
geltend gemacht werden können. Diese gelegentlichen Spekulationen in der Literatur um 1900 haben<br />
sich erledigt. 7<br />
Hier galt er vielmehr als eine Erscheinungsweise eines präbabylonischen, dem 3.Weltalter zugerechneten<br />
Weisen, <strong>des</strong> ägyptischen Hermes Trismegistos, dem - Moses vergleichbar - göttliche Offenbarung<br />
unmittelbar zuteil geworden war. Vergleichsweise in dieser allegorisch-heilsgeschichtlichen Qualität<br />
wurde ein Merkur wenig später in einer Kupferstich-Illustration von Giulio Bonasone zu Achille Bocchis »<br />
Symbolicarum Questionum ...« vorgestellt (Abb.2). Und dieser Vergleich erscheint mir plausibler als die<br />
Analogie zu dem von Raphael 1518 entworfenen Jonas-Chigi mit einem Antinous-Kopf, mit der eine<br />
Christus-Präfiguration nahegelegt ist. Aus Bocchis Interesse an orientalischer Religionsmystik, das sich in<br />
seiner vorwiegenden Verarbeitung der von Filippo Fasanini übersetzten Lehre <strong>des</strong> Horapoll deutlich<br />
macht, und weiteren Arbeiten zur Rekonstruktion der nicht-christlichen Spuren der Uroffenbarung in den<br />
östlichen religiös-literarischen Überlieferungen an der von ihm gegründeten und betriebenen Academia<br />
Bocchiana in Bologna, die unter dem Protektorat Pauls III. stand 8 , erhalten wir einen ersten Hinweis auf<br />
die Richtung, in der wir das gedankliche und personelle Umfeld zu suchen haben, das für eine<br />
heilsgeschichtlich begründete Deutung <strong>des</strong> Hermes-Andros als Antinous verantwortlich benannt werden<br />
kann.<br />
Einhellig akzeptiert blieb weder die historische, noch gar diese allegorische Deutung der Statue in<strong>des</strong>sen<br />
auch im 16.Jh. nicht. Auf der frühesten Wiedergabe in einem Stich, dem von Cavalieri, der um 1560 zu<br />
datieren ist, wird in der Legende noch die Alternative "Milo alijs Antinous" erwogen. Stephan Pighius<br />
dachte an einen "Genius Princeps" oder Antinous; im Codex Ciacconius der Biblioteca Angelica vom<br />
Ende <strong>des</strong> 16. Jhds. wird Antinous einerseits in einem jugendlichen Satyr und, mit verhülltem Kopf,<br />
ebenso in der Hestia Giustiniani erkannt. 9<br />
Daraus resultieren nun eine Reihe von Problemen, die nur zu einem geringen Teil und nur vorläufig<br />
beantwortet werden können:<br />
Wie ist eine solche Hermes-Antinous-Deutung in die Vorstellung vom "viridarium" als locus amoenus,<br />
dorico more 10 , dem "Mons Parnassus" Julius II. 11 einzuordnen ?<br />
Sehr wohl könnte es die Arkadien-Vorstellung sein, die mit dem "Viridarium" zu Zeiten Paul III. (1534 -<br />
1549) immer noch verbunden wurde, in der die antiken Statuen ihre neue Heimat fanden. Zwar ließ<br />
Daltrop - darin Michaelis folgend - diese als dominierende Vorstellung mit der Aufstellung <strong>des</strong> Torso<br />
enden, der ja nicht jüngst gefunden, sondern als min<strong>des</strong>tens schon ein Säkulum bekannt, der Sammlung<br />
zugeführt wurde. 12 Doch könnte die neue Torso-Vanitas Symbolik für die Hinfälligkeit früherer Größe sehr<br />
wohl in dem jugendlichen Idealbild eines weisen Hermes-Antinous ihr utopisches Gegenbild gefunden<br />
haben (was noch im 18.Jh. bei Descartes nachklingt, wenn er die Statuen <strong>des</strong> <strong>Belvedere</strong> als "die<br />
Aposteln der Schönheit" apostrophierte).<br />
Wie können wir uns seine Eingliederung in die geschichts-teleologische Ikonographie der Renovatio-