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des vatikanischen Belvedere "Antinous"? - Walter Peter Gerlach ...

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Antinous vom <strong>Belvedere</strong><br />

Ligorios Bezugspunkt sind in<strong>des</strong>sen nicht die statuarischen Überlieferungen, denn diese tragen keine<br />

Bei- oder Inschriften. Für ihn - dem man zu lange den Vorwurf nachtrug, <strong>des</strong> Griechischen überhaupt<br />

nicht und <strong>des</strong> Lateinischen nur in beschränktem Maße mächtig zu sein - ein Vorwurf der in letzter Zeit<br />

offensichtlich gründlich revidiert werden konnte - waren die Münzbilder und -legenden mit ihren<br />

Inschriften auch im Zusammenhang seiner Erörterungen <strong>des</strong> Hermes-Antinous wichtigster Anhalt. Sie<br />

dienten ihm als Beleg für seine topographischen und religionsgeschichtlichen Erläuterungen, die er zu<br />

seinen Zitaten nach antiken Autoren - u.a. Pausanias und Stephanus Byzantinus - abzeichnete. Nachdem<br />

damit angedeutet ist, welchen Zusammenhang zwischen Hermes und Antinous man in der Mitte <strong>des</strong><br />

16.Jhds. aus antiken Quellen zusammenstellen konnte, gilt es nun mehr der Frage nachzugehen, welche<br />

religionshistorischen Rang man dem Divinisierten zubilligte, <strong>des</strong>sen Andenken man bisher mit den<br />

Kirchenvätern auf das Heftigste bekämpft und diffamiert hatte.<br />

1532 erschien in Basel ein Sammelband, in dem u.a. die Schrift <strong>des</strong> Pymander » De Potestate et<br />

Sapientia Dei « aufgenommen wurde. Im Vorwort konnte der Herausgeber, Michael Isingrin, konstatieren,<br />

daß die Lehren <strong>des</strong> Hermes Trismegistos als "Theologische Lehre ... seit kurzem auch von christlichen<br />

Theologen ob ihrer überraschenden Einsicht überaus bewundert wird ..." 56 . Auf fol.2 folgt in der Praefatio<br />

<strong>des</strong> Marsilio Ficino, der 1463 den Text <strong>des</strong> Hermes Trismegistos übersetzt hatte, findet sich eine kurze<br />

genealogische Erläuterung: "Zu jener Zeit, als Moses geboren war, tat sich der Astrologe Atlas hervor,<br />

der Bruder <strong>des</strong> Naturkundigen Prometheus, Großvater mütterlicherseits <strong>des</strong> älteren Mercurius. Dessen<br />

Enkel war Mercurius Trismegistos. Augustinus schreibt, Cicero und Laktanz bestätigen das: es gäbe fünf<br />

Mercurii nacheinander. Der fünfte von diesen war derjenige, den die Ägypter Theut und die Griechen<br />

Trismegistos nannten. Mercurius Trismegistos, der Dreifach-Hohepriester Merkur wird der erste<br />

Begründer der Theologie genannt... Von ihm wurde eine Stadt gegründet, die auch heute noch<br />

Hermopolis, die Stadt <strong>des</strong> Merkurius, heißt". 57 Das aber ist genau jene Stadt, die zu den ersten Kultorten<br />

<strong>des</strong> Antinous zählte, und das wußte man auch von Münzlegenden her. Neben der Überlieferung eines<br />

prominenten paganen "Heiligen" ventilierte man im 16.Jh. ebenso die Verbindung zu einem<br />

geheimnisvollen Weisen, der als der ägyptische Mercurius, als Thot, nun in jener Schrift <strong>des</strong> Pymander<br />

greifbar wurde, von dem sowohl Jamblichus und Natale Conti, als auch Cartari, unter Verweis auf Plato<br />

und Cicero, bereits berichteten. 58 Dieser Rekonstruktionsversuch steht neben einem anderen auf der<br />

Suche nach Spuren einer Uroffenbarung. Pighius hatte sich in einem 1568 veröffentlichten Büchlein<br />

»Themis Dea« um eine andere Spur bemüht: die orphische Theologie. Ebenfalls ging es um eine<br />

vormosaische theologische Tradition, von der noch Hesiod und Homer zehrten, die vor allem bei Plato<br />

sichtbar war. In einem Gespräch zwischen dem Cardinal Carpi, Morillon und Pighius wird im Bemühen<br />

um die Deutung einer Göttinnen-Herme der Sammlung Carpi die seit Pico de Mirandolas »De hominis<br />

dignitate« und Francesco Giorgios »De harmonia mundi totius« verbreitete Vorstellung rekapituliert, daß<br />

den poetischen Überlieferungen ein mystisch-allegorischer Sinn unterlag, den es vor allem auch in den<br />

bildnerischen Erzeugnissen zu entschlüsseln galt. Dort lesen wir: "Motu divinae rationis, qui Mercurius<br />

est...". 59<br />

Damit eröffnet sich eine dritte Möglichkeit vom Opfertod <strong>des</strong> Antinous-Jonas über den Seelengeleiter<br />

Antinous-Hermes zum beredten Vermittler göttlichen Willens an die Menschen zu gelangen und der fand<br />

in der antiken Mythologie sein historisches Pendant im weisen Hermes-Trismegistos, einem<br />

Zeitgenossen <strong>des</strong> Moses. Dieser hatte wie jener göttliche Uroffenbarung empfangen und an die paganen<br />

Völker vermittelt. Bei ihnen wurde dieses Wissen in<strong>des</strong>sen späterhin korrumpiert. Das aber minderte<br />

nichts am göttlichen Ursprung dieses geheimnisvollen Wissens und dem in ihm aufgehobenen<br />

Wahrheitsgehalt, den es zu ergründen galt, wie es 1570 Hieronymus Lauretus in »Silva allegoricus«<br />

beschrieb. 60 Mit den Kräften, die Merkur zugesprochen worden sind, seien jene göttlichen gemeint, die<br />

Gott in die Seele <strong>des</strong> Menschen einströmen ließ: Merkur heißt alle Ratio und Weisheit, die nach<br />

göttlichem Willen in unsere Seele einströmt, faßte Conti den verborgenen Sinngehalt der antiken Merkur-<br />

Gestalt zusammen. 61 Auf Grund <strong>des</strong> systematischen Interesses von Philosophen und Theologen <strong>des</strong><br />

16.Jhds. die Spuren der göttlichen Offenbarung auch in den Gestalten der paganen Antike<br />

wahrzunehmen, die sie als Zeugen für allgegenwärtige Hinweise auf die christliche Trinität und die zeitige<br />

Erscheinung <strong>des</strong> christlichen Erlösers zu erfassen trachteten 62 , hat der Hermes-Antinous seinen<br />

berechtigten Platz im Ensemble <strong>des</strong> <strong>Belvedere</strong> gefunden. Er wäre damit bisher die einzige unter den<br />

Statuen, für die sich wahrscheinlich machen ließ, daß sie aus diesem primär theologischen Grunde als

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