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Armutsbericht 2006 - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen

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einer Erklärung des ›Lohnabstandsgebots‹<br />

mit den Irrtümern <strong>der</strong> Missbrauchsdebatte<br />

um ›Hartz IV‹ auseinan<strong>der</strong> und bestimmen<br />

die Bruttoschwellen des Ar<strong>bei</strong>tsentgelts,<br />

die nach geltendem Recht erreicht werden<br />

müssen, damit ein Ar<strong>bei</strong>tnehmer/eine<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerin nicht mehr auf öffentliche<br />

Hilfeleistungen angewiesen ist. Sie analysieren<br />

schließlich, welche bislang politisch<br />

kaum zur Kenntnis genommenen Rückwirkungen<br />

die Leistungen aus dem Regelkreis<br />

des SGB II auf die Kombi- und<br />

Mindestlohn-Debatten haben.<br />

Paul M. Schrö<strong>der</strong>, Leiter des Bremer Instituts<br />

für Ar<strong>bei</strong>tsmarktforschung und Jugendberufshilfe,<br />

erhebt und kommentiert die<br />

harten Zahlen und Daten über die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Armut in <strong>Bremen</strong> und Bremerhaven<br />

und legt da<strong>bei</strong> beson<strong>der</strong>es Augenmerk<br />

auf die Hilfebedürftigen, die in unterschiedlichsten<br />

Formen Erwerbsar<strong>bei</strong>t leisten.<br />

Susanne Gieffers, Journalistin, setzt sich<br />

mit <strong>der</strong> materiellen, sozialen und psychischen<br />

Situation von Ar<strong>bei</strong>tnehmerinnen und<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmern auseinan<strong>der</strong>, <strong>bei</strong> denen es<br />

trotz Ar<strong>bei</strong>t nicht zu einem armutsfesten<br />

Einkommen reicht. Ihre Kurzreportagen<br />

geben einen Einblick in den Alltag dieser<br />

Familien. Sie machen erfahrbar, was Armut<br />

bedeutet und beschließen unseren diesjährigen<br />

Bericht.<br />

Von <strong>der</strong> Versicherungsleistung<br />

zur Fürsorgeleistung<br />

Das seit Mitte dieses Jahres bestehende,<br />

durch die Hartz-IV-Gesetzgebung vereinheitlichte<br />

Fürsorgeniveau fixiert für alle Gesellschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland<br />

gleichermaßen, ab welcher Einkommenshöhe<br />

<strong>bei</strong> alleinlebenden Frauen und Männern,<br />

Lebensgemeinschaften, Ehepaaren, Alleinerziehenden<br />

o<strong>der</strong> Familien Hilfebedürftigkeit und<br />

damit Anspruch auf Leistungen im Sinne des<br />

Gesetzes besteht. Das SGB II, das ein Vorliegen<br />

von Hilfebedürftigkeit und die Höhe <strong>der</strong><br />

öffentlichen Zuwendungen regelt, ist damit<br />

jedoch kein Gesetz, das sich explizit mit den<br />

Gründen für Armut o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Lage <strong>der</strong> Armutsbevölkerung<br />

auseinan<strong>der</strong>setzt. Das Gesetz<br />

legt lediglich ein Einkommensniveau fest, das<br />

unter den gegebenen Bedingungen in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Deutschland erzielt werden muss,<br />

um – nach Festlegung des Gesetzgebers –<br />

ohne öffentliche Hilfen leben zu können. Faktisch<br />

definiert also das SGB II – ähnlich wie<br />

die EU – mit dem einheitlichen Fürsorgeniveau<br />

eine national gültige ›Armuts‹schwelle, sofern<br />

man dem Argument folgt, dass von ›Armut‹ in<br />

dem Augenblick zu sprechen ist, in dem<br />

die/<strong>der</strong> Einzelne o<strong>der</strong> ganze Familien nicht in<br />

<strong>der</strong> Lage sind, ihre Existenz selbständig aus<br />

eigenem Einkommen zu bestreiten.<br />

Zwei Aspekte sind für die Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

<strong>Bremen</strong> an <strong>der</strong> Fixierung des<br />

Fürsorgeniveaus im SGB II von Bedeutung:<br />

Die Bundesregierung hat sich <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Festlegung<br />

des im SGB II geregelten Bedarfsniveaus<br />

nicht den Werten angeschlossen,<br />

die die EU für die von ihr ermittelte, relative<br />

Armutsschwelle zugrunde legt. Gemessen<br />

am EU-Standard ist das in Deutschland festgelegte<br />

Bedarfsniveau also bereits im Ausgangspunkt<br />

nicht armutsfest. Verlängert<br />

man diesen Befund auf die Leistungsbemessung<br />

und -zuwendung, dann wird deutlich,<br />

dass deutsche Leistungsbezieher/innen<br />

nicht das sozio-ökonomische Existenzminimum<br />

erreichen. Ihre Konsumtionskraft<br />

fällt unter das Niveau, das das EU-<br />

Parlament mit seinem Beschluss zum Nettoäquivalenzeinkommen<br />

vorgegeben hat.<br />

Die Folgen für die praktische Bewältigung<br />

des Alltags <strong>der</strong> Hilfebedürftigen sollen an<br />

dieser Stelle nicht näher erläutert werden.<br />

Deutlich ist aber ohne Zweifel so viel: Alle<br />

interessierten Kommentare und populistischen<br />

Unterstellungen, die von einer geradezu<br />

›verschwen<strong>der</strong>ischen‹ Ausstattung<br />

<strong>der</strong> Hilfesysteme ausgehen, sind falsch.<br />

Im Gegenteil, man kann an dem Umstand,<br />

dass die Bundesregierung das von <strong>der</strong><br />

EU empfohlene Hilfeniveau unterschreitet,<br />

ablesen, dass <strong>der</strong> politische Wille besteht,<br />

die Kosten zur Finanzierung <strong>der</strong> Armen<br />

möglichst gering zu halten und möglichst<br />

hohen Druck auf die Menschen auszuüben.<br />

Die Leistung, die im Falle festgestellter Hilfebedürftigkeit<br />

gezahlt wird, ist das sogenannte<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II (Alg II). Dieser<br />

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