Armutsbericht 2006 - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen
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Hilfebedürftig trotz Ar<strong>bei</strong>t<br />
2. Das gesetzliche Lohnabstandsgebot<br />
Mit dem gesetzlichen Lohnabstandsgebot,<br />
geregelt in § 28 Abs. 4 SGB XII (Sozialhilfe),<br />
haben die öffentlichen Angriffe auf das Sicherungsniveau<br />
wenig zu tun. Keiner <strong>der</strong> Agitatoren<br />
gegen einen vermeintlich grassierenden<br />
›Missbrauch‹ nimmt auch nur ansatzweise<br />
Bezug auf die bestehende Regelung. Nicht<br />
das gesetzliche Lohnabstandsgebot, son<strong>der</strong>n<br />
eine Art ›individuell gefühlte Lohnabstandsnorm‹<br />
prägen die öffentlichen Auseinan<strong>der</strong>setzungen.<br />
Durch das bereits aus dem alten<br />
Bundessozialhilfegesetz bekannte Abstandsgebot<br />
soll gewährleistet werden, dass die Leistungen<br />
<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Allgemeinheit finanzierten<br />
Sozialhilfe unterhalb des überwiegend aus<br />
Erwerbseinkünften stammenden Einkommens<br />
von Ar<strong>bei</strong>tnehmerhaushalten liegen. Als Referenz-Haushalt<br />
greift das SGB XII (wie schon<br />
das Bundessozialhilfegesetz) auf ein Ehepaar<br />
mit drei Kin<strong>der</strong>n zurück.<br />
Mit dem Übergang zum SGB XII im Jahre<br />
2005 wurde das Lohnabstandsgebot des bisherigen<br />
Bundessozialhilfegesetzes weitgehend<br />
übernommen. Geän<strong>der</strong>t haben sich seither<br />
allerdings <strong>der</strong> formalrechtliche wie auch <strong>der</strong><br />
materielle Hintergrund für das ›neue‹ alte<br />
Lohnabstandsgebot des SGB XII:<br />
Geregelt ist das Abstandsgebot im SGB XII.<br />
Hier aber finden sich per Definition keine<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Wer als<br />
Hilfebedürftiger erwerbsfähig ist, wird<br />
automatisch dem Rechtskreis des SGB II<br />
(Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende) zugeordnet.<br />
Das Abstandsgebot des SGB XII<br />
zielt demnach auf den Rechtskreis des<br />
SGB II, greift aber <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Konkretisierung<br />
<strong>der</strong> Beträge auf Bedarfsgrößen beziehungsweise<br />
Sachverhalte des SGB XII zurück.<br />
Die für das Abstandsgebot heranzuziehenden<br />
Regelsätze des SGB XII 8 (Sozialhilfe)<br />
stimmen mit den Regelleistungen des<br />
SGB II überein 9 . Die Regelsatz-Summe für<br />
ein Ehepaar mit drei Kin<strong>der</strong>n nach SGB XII<br />
kann aber nur für den Fall mit <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Summe <strong>der</strong> Regelleistungen<br />
nach SGB II identisch sein, wenn unterstellt<br />
wird, dass auch die über 14-jährigen Kin<strong>der</strong><br />
des Sozialhilfe-Haushalts nicht erwerbsfähig<br />
im Sinne des SGB II sind. Wären sie erwerbsfähig,<br />
so fiele die gesamte Bedarfsgemeinschaft<br />
in den Rechtskreis des<br />
SGB II. Dies hat eventuell Auswirkungen auf<br />
die Höhe <strong>der</strong> im Rahmen des Lohnabstandsgebots<br />
anzusetzenden Kin<strong>der</strong>regelsätze<br />
(vgl. weiter unten).<br />
Ob die Durchschnittsbeträge für Unterkunft<br />
und Heizung für den Personenkreis des<br />
SGB XII denen des SGB-II-Personenkreises<br />
entsprechen, kann zurzeit nicht verifiziert<br />
werden – eine Übereinstimmung wäre allerdings<br />
überraschend.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> unterschiedlichen Klientelstruktur<br />
<strong>der</strong> <strong>bei</strong>den Rechtskreise wäre auch<br />
eine Übereinstimmung <strong>bei</strong> den Durchschnittsbeträgen<br />
für einmalige Bedarfe (das<br />
sind: Erstausstattung <strong>der</strong> Wohnung einschließlich<br />
Haushaltsgeräten, Erstausstattung<br />
für Bekleidung einschließlich <strong>bei</strong> Schwangerschaft<br />
und Geburt sowie mehrtägige<br />
Klassenfahrten im Rahmen <strong>der</strong> schulrechtlichen<br />
Bestimmungen) erstaunlich.<br />
Schließlich dürfte <strong>der</strong> durchschnittlich<br />
abzusetzende Betrag nach § 82 Abs. 3<br />
SGB XII deutlich unterhalb des durchschnittlichen<br />
Erwerbstätigenfreibetrages nach<br />
§§ 30, 11 Abs.2 SGB II liegen, eben weil<br />
es sich <strong>bei</strong>m SGB-XII-Klientel um nicht<br />
erwerbsfähige Personen handelt.<br />
8 Vgl. Regelsatzverordnung nach §§ 40, 28 SGB XII.<br />
9 Da die Sozialhilfe nach wie vor für den Haushaltsvorstand<br />
100 Prozent des Eckregelsatzes und für dessen Partner/in<br />
80 Prozent vorsieht, während das SGB II in diesen Fällen einen<br />
gleich hohen Bedarf (jeweils 90 Prozent) gewährt, ergibt sich<br />
aufgrund von Rundungsvorschriften in <strong>der</strong> Summe für <strong>bei</strong>de<br />
Partner eine Differenz von 1 Euro (622 Euro nach SGB II und<br />
621 Euro nach SGB XII).