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Armutsbericht 2006 - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen

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26<br />

Hilfebedürftig trotz Ar<strong>bei</strong>t<br />

2. Das gesetzliche Lohnabstandsgebot<br />

Mit dem gesetzlichen Lohnabstandsgebot,<br />

geregelt in § 28 Abs. 4 SGB XII (Sozialhilfe),<br />

haben die öffentlichen Angriffe auf das Sicherungsniveau<br />

wenig zu tun. Keiner <strong>der</strong> Agitatoren<br />

gegen einen vermeintlich grassierenden<br />

›Missbrauch‹ nimmt auch nur ansatzweise<br />

Bezug auf die bestehende Regelung. Nicht<br />

das gesetzliche Lohnabstandsgebot, son<strong>der</strong>n<br />

eine Art ›individuell gefühlte Lohnabstandsnorm‹<br />

prägen die öffentlichen Auseinan<strong>der</strong>setzungen.<br />

Durch das bereits aus dem alten<br />

Bundessozialhilfegesetz bekannte Abstandsgebot<br />

soll gewährleistet werden, dass die Leistungen<br />

<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Allgemeinheit finanzierten<br />

Sozialhilfe unterhalb des überwiegend aus<br />

Erwerbseinkünften stammenden Einkommens<br />

von Ar<strong>bei</strong>tnehmerhaushalten liegen. Als Referenz-Haushalt<br />

greift das SGB XII (wie schon<br />

das Bundessozialhilfegesetz) auf ein Ehepaar<br />

mit drei Kin<strong>der</strong>n zurück.<br />

Mit dem Übergang zum SGB XII im Jahre<br />

2005 wurde das Lohnabstandsgebot des bisherigen<br />

Bundessozialhilfegesetzes weitgehend<br />

übernommen. Geän<strong>der</strong>t haben sich seither<br />

allerdings <strong>der</strong> formalrechtliche wie auch <strong>der</strong><br />

materielle Hintergrund für das ›neue‹ alte<br />

Lohnabstandsgebot des SGB XII:<br />

Geregelt ist das Abstandsgebot im SGB XII.<br />

Hier aber finden sich per Definition keine<br />

erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Wer als<br />

Hilfebedürftiger erwerbsfähig ist, wird<br />

automatisch dem Rechtskreis des SGB II<br />

(Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende) zugeordnet.<br />

Das Abstandsgebot des SGB XII<br />

zielt demnach auf den Rechtskreis des<br />

SGB II, greift aber <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Konkretisierung<br />

<strong>der</strong> Beträge auf Bedarfsgrößen beziehungsweise<br />

Sachverhalte des SGB XII zurück.<br />

Die für das Abstandsgebot heranzuziehenden<br />

Regelsätze des SGB XII 8 (Sozialhilfe)<br />

stimmen mit den Regelleistungen des<br />

SGB II überein 9 . Die Regelsatz-Summe für<br />

ein Ehepaar mit drei Kin<strong>der</strong>n nach SGB XII<br />

kann aber nur für den Fall mit <strong>der</strong> entsprechenden<br />

Summe <strong>der</strong> Regelleistungen<br />

nach SGB II identisch sein, wenn unterstellt<br />

wird, dass auch die über 14-jährigen Kin<strong>der</strong><br />

des Sozialhilfe-Haushalts nicht erwerbsfähig<br />

im Sinne des SGB II sind. Wären sie erwerbsfähig,<br />

so fiele die gesamte Bedarfsgemeinschaft<br />

in den Rechtskreis des<br />

SGB II. Dies hat eventuell Auswirkungen auf<br />

die Höhe <strong>der</strong> im Rahmen des Lohnabstandsgebots<br />

anzusetzenden Kin<strong>der</strong>regelsätze<br />

(vgl. weiter unten).<br />

Ob die Durchschnittsbeträge für Unterkunft<br />

und Heizung für den Personenkreis des<br />

SGB XII denen des SGB-II-Personenkreises<br />

entsprechen, kann zurzeit nicht verifiziert<br />

werden – eine Übereinstimmung wäre allerdings<br />

überraschend.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> unterschiedlichen Klientelstruktur<br />

<strong>der</strong> <strong>bei</strong>den Rechtskreise wäre auch<br />

eine Übereinstimmung <strong>bei</strong> den Durchschnittsbeträgen<br />

für einmalige Bedarfe (das<br />

sind: Erstausstattung <strong>der</strong> Wohnung einschließlich<br />

Haushaltsgeräten, Erstausstattung<br />

für Bekleidung einschließlich <strong>bei</strong> Schwangerschaft<br />

und Geburt sowie mehrtägige<br />

Klassenfahrten im Rahmen <strong>der</strong> schulrechtlichen<br />

Bestimmungen) erstaunlich.<br />

Schließlich dürfte <strong>der</strong> durchschnittlich<br />

abzusetzende Betrag nach § 82 Abs. 3<br />

SGB XII deutlich unterhalb des durchschnittlichen<br />

Erwerbstätigenfreibetrages nach<br />

§§ 30, 11 Abs.2 SGB II liegen, eben weil<br />

es sich <strong>bei</strong>m SGB-XII-Klientel um nicht<br />

erwerbsfähige Personen handelt.<br />

8 Vgl. Regelsatzverordnung nach §§ 40, 28 SGB XII.<br />

9 Da die Sozialhilfe nach wie vor für den Haushaltsvorstand<br />

100 Prozent des Eckregelsatzes und für dessen Partner/in<br />

80 Prozent vorsieht, während das SGB II in diesen Fällen einen<br />

gleich hohen Bedarf (jeweils 90 Prozent) gewährt, ergibt sich<br />

aufgrund von Rundungsvorschriften in <strong>der</strong> Summe für <strong>bei</strong>de<br />

Partner eine Differenz von 1 Euro (622 Euro nach SGB II und<br />

621 Euro nach SGB XII).

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