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NeueChorszene 08 - Ausgabe 2/2008

Zeitschrift des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf e.V. Konzertchor der Landeshauptstadt Düsseldorf

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Konzertchor der Landeshauptstadt Düsseldorf

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größere Komposition. In seinem bisherigen<br />

Werk, das ein Klavierkonzert,<br />

Kammer- und Chormusik sowie Liedkompositionen<br />

umfasst, hatte er um<br />

einen neuen musikalischen Ausdruck<br />

gerungen. Bei dem deutschen Requiem<br />

greift er auf die Ergebnisse dieser<br />

Arbeit genial zurück. Zudem verarbeitet<br />

er seine Kenntnisse über den protestantischen<br />

Choral ebenso wie die durch<br />

intensive Studien erworbenen Erfahrungen<br />

mit barocken Traditionen - vornehmlich<br />

am Beispiel Johann Sebastian<br />

Bachs - z. B. über den Kontrapunkt,<br />

die Variation und die Fuge. Gebunden<br />

an die Aussagen und den dramaturgischen<br />

Aufbau des Textes ergibt sich<br />

eine vielfältige musikalische Form von<br />

satzübergreifender Stimmigkeit. Ganz<br />

neue, moderne rhythmische Raffinessen<br />

(z. B. „Synkopensäulen“ = viele<br />

Instrumente spielen den gleichen Ton,<br />

aber in einem anderen Rhythmus) und<br />

moderne, zeitgemäße Harmonik (z.B.<br />

„enharmonische Verwechslungen“ ermöglichen<br />

schnellen Tonartenwechsel)<br />

werden verbunden mit handwerklicher<br />

Tradition der alten Meister in Kompositionsformen<br />

und Tonartensymbolik.<br />

Wie in der textlichen Anlage herrscht<br />

auch in dem musikalischen Konzept<br />

eine ausgeklügelte architektonische<br />

Struktur: Anfangs- und Schlusssatz<br />

stehen in der gleichen pastoralen Tonart<br />

F-Dur. Der zentrale vierte Satz mit<br />

der freundlichen Tonart Es-Dur wird<br />

umrahmt auf der einen Seite von den<br />

dunkleren Tonarten b-moll (zweiter<br />

Satz) und d-moll (dritter Satz) und auf<br />

der anderen Seite von den helleren<br />

Tonarten G-Dur (fünfter Satz) und C-<br />

Dur (sechster Satz).<br />

Dies musste von den Zeitgenossen<br />

18 NC 2 / <strong>08</strong><br />

Brahms’ als das Modernste empfunden<br />

werden, was es damals gab.<br />

Ein „Geheimnis“ im deutschen<br />

Requiem<br />

Dem jungen Dirigenten Siegfried<br />

Ochs gegenüber hat Brahms eine Bemerkung<br />

gemacht, die dieser so deutete,<br />

als sei das Werk in einem bekannten<br />

protestantischen Choral verwurzelt.<br />

Siegfried Ochs berichtet davon im Vorwort<br />

der von ihm herausgegebenen<br />

Eulenberg-Taschenpartitur des deutschen<br />

Requiems. Dort schreibt er, dass<br />

Brahms wörtlich dazu gesagt habe:<br />

„Tja, wenn’s keiner hört, schadet’s nicht<br />

viel. In den ersten Takten und im zweiten<br />

Stück können Sie’s finden. Es ist ein<br />

bekannter Choral.“ Ochs fand heraus,<br />

dass Brahms den Choral „Wer nur den<br />

lieben Gott lässt walten“ gemeint haben<br />

muss. Er belegt dies mit dem Notenbeispiel<br />

des Anfangs und mit der Anlehnung<br />

des Themas im zweiten Satz bei<br />

der Stelle: „Denn alles Fleisch es ist wie<br />

Gras“ an die Choralmelodie. Seither ergoss<br />

sich eine wahre Flut von Zuschreibungen<br />

auf diese und andere Choralmelodien<br />

im deutschen Requiem in die<br />

musikwissenschaftliche Literatur, die<br />

alle mit einiger Fantasie plausibel sind.<br />

Zum Handwerkszeug Brahms’ gehörte<br />

es eben, die Choräle in altmeisterlicher<br />

Weise als musikalisches Material zu<br />

verwenden.<br />

Der evangelische Theologe Pastor<br />

Peter Kreyssig 5) , hat den Brahmsschen<br />

Hinweis auf ein „Geheimnis“ für<br />

eine interessante Theorie zum inhaltlichen<br />

Aufbau des deutschen Requiems<br />

und zur dementsprechenden Zusammenstellung<br />

der biblischen Texte durch

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