kostumkunde für sammler

64 I. Das historische Kostüm.
Schöße um so länger waren und andere Absonderlichkeiten machen
den Eindruck des gährend in gewaltsamer Bildung Begriffenen,
bis sich das Kleid schließlich gegen 1800 bei der Form beruhigte,
in welcher es ungefähr heut noch getragen wird.
Gleichzeitig begann dasjenige Kleidungsstück sich zu entwickeln,
das unserem heutigen Gehrock entspricht, das also den Frack überleben
sollte, nachdem dieser aus der Alltagstracht verschwand.
Schon nach der Mitte des Jahrhunderts war aus England ein gerade
geschnittener lockerer Rock gekommen, aus dessen englischem
Namen ,,riding-coat" das französische ,,redingote" wurde. Seit
1780 wurde dieser sehr allgemein, er war von der Halsöffnung bis
zur Taille zum Verknöpfen, hatte einen breiten übergeschlagenen
Schulterkragen oder einen schmäleren Schulterüberschlag nebst
Brustüberschlag bis zum Taillenschluß; rechts und links hatte er
eine horizontal sitzende Tasche mit Klappe. Die Überschläge
wuchsen wie beim Frack in den tollen Jahren der französischen
Revolution, die auch in Modedingen sich besonders ausschweifend
gebärdete, zu gewaltigen Stoffklappen an, die ganze Brust bedeckend,
mit weitem Ausschnitt; darüber lagen die ebenfalls ungeheuerlichen
Überschläge einer oder zweier Westen. In dieser Form,
aber streng in der Ausstattung ist dies Kleidungsstück in die Uniformierung
der konsularischen Beamtenschaft übergegangen und
dürfte noch in manchen Exemplaren vorhanden sein. In den exzentrischsten
Ausgestaltungen war es 1795—98 neben dem abenteuerlich
aufgeputzten Frack das Renommierkleid der revolutionären
Stutzer (Incroyables). Dieser Redingote ist nicht zu verwechseln
mit dem ebenfalls — seit 1792 — aus England stammenden
zweiten Oberrock mit Taillenschluß, langen Schößen und vier bis
acht übereinanderliegenden Schulterkragen (carrick).
Die Weste ist kurz, mit gerader Unterkante, ein- oder zweireihig
geknöpft und macht die Wandlungen des Rockes am Kragen
und Überschlägen getreu mit. Sie ist gern aus gestreiften Stoffen.
Die letzte Zutat, die dem Kostüm den jetzigen Typus sicherte,
ist das lange Beinkleid (pantalon). Es kam von unten her, aus
der Matrosentracht und galt als Protest gegen das ancien régime.
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