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Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig ...

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Digitale Bibliothek <strong>Braunschweig</strong><br />

BEITRÄGI!: ZUR KENNTNIS DES DICHTERS LEISEWITZ 97<br />

Berichte darin überein, <strong>das</strong>s die Bühnenwirkung schon damals gering war.<br />

Wer den "Julius" vorher gelesen hat, ist enttäuscht; wer ihn nicht gelesen<br />

hat, bezeugt kühle Achtung. Nirgend aber hat <strong>das</strong> StUck fortreissend gewirkt,<br />

ja, überall werden die Darsteller getadelt, obgleich <strong>das</strong> Stück in Hamburg<br />

und Mannheim mit den ersten Kräften besetzt war, und dabei beschäftigt man<br />

sich wiederholt mit der Darstellung <strong>des</strong> Guido. Von der Wirkung der Hauptperson,<br />

<strong>des</strong> Julius, ist nirgend die Rede.<br />

Woher kommt ein so geringer Erfolg einer Bühnenaufführung ? Gerade bei<br />

der Parallele mit dem gleichzeitigen grossen Erfolge der "Zwillinge", die sich<br />

überall von selbst ergeben hat, können wir uns der Einsicht nicht verschliessen :<br />

es fehlt dem "Julius" an Theaterblut, dem Dichter an dramatischer Gestaltungskraft.<br />

Das lehrt uns ja auch heute noch ein kritischer Blick in <strong>das</strong> Stück, wenn<br />

wir bei ihm auch nicht den höchsten Massstab, den uns unsere Klassiker geliefert<br />

haben, anlegen dürfen, wenn wir auch nicht jeden aus der springenden<br />

Arbeitsweise <strong>des</strong> Dichters entstehenden kleinen Widerspruch hervorsuchen<br />

wollen. Gewiss ist der Plan <strong>des</strong> Ganzen sorgfältig erwogen und aufgebaut,<br />

aber <strong>das</strong> ist mehr Sache <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>, als der Phantasie, und wir finden die<br />

Hauptteile dieses Baus auch mehr mit dem Verstande heraus, als <strong>das</strong>s sie klar<br />

vor unsre Phantasie treten. Die Exposition zunächst lässt im I. Akt alle Hauptpersonen<br />

(ausser Blanka) Uber die Bühne gehen und charakterisiert ihr Verhältnis<br />

zueinander: Julius tritt auf mit seiner Liebe, Guido mit seinem Ehrgeiz,<br />

der Vater bezeichnet diesen Gegensatz noch einmal genau und will dann<br />

Julius' Liebe durch Cäcilia von ihrem Gegenstande abziehen lassen, dann<br />

werde Guido "von selber aufhören." Das ist alles ganz klar ausgedacht und<br />

berechnet, aber es ist nicht in lebendige Handlung umgesetzt.<br />

Wer von den beiden Brüdern, so fragen wir, hat <strong>das</strong> ältere Recht auf<br />

Blanka? Guido hat ihr "zuerst" vor einer grossen Versammlung seine Liebe<br />

angetragen; liebte sie damals schon Julius? Dann hat Guido kein Recht an<br />

sie. Der Vater zwingt nun Blanka, Nonne zu werden, nach einer Äusserung<br />

Guidos, um <strong>des</strong> Zwistes der Brüder willen, nach einer Bemerkung <strong>des</strong> alten<br />

Fürsten, weil sie zu tief unter Julius' Stande war, und weil die Leidenschaft<br />

<strong>für</strong> sie in ihm jeden Trieb zu dem, was gross und wichtig ist, erstickte. Trotzdem<br />

sie Nonne ist und trqtzdem sie unter seinem Stande ist, nennt Guido sie<br />

noch bei "königlichen Mahlen" und Turnieren seine Geliebte, und als er die<br />

Mauern von Kandia ersteigt, ruft er ihren Namen, und <strong>das</strong> ganze Heer ruft<br />

ihn nach. Ist <strong>das</strong> Trotz gegen den Willen <strong>des</strong> Vaters? Dann hätte dieser<br />

trotzige Guido lieber ihre Einschliessung in ein Kloster hindern sollen. Ist<br />

diese Einschliessung erst nach seiner Abreise geschehen? Dann war es sehr<br />

unvorsichtig von dem Vater, Guido mitten aus seiner Siegeslaufbahn zurück-<br />

Braunschw. <strong>Jahrbuch</strong> IV. 7<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042092

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