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Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig ...

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Digitale Bibliothek <strong>Braunschweig</strong><br />

86 M. NIEBOUR<br />

Ganzen nicht mehr verändert haben. Von Shakespeareschem Geiste, wie er<br />

die Stücke der rheinischen Stürmer und Dränger durchweht, hat der "Julius<br />

von Tarent" mit seinen ruhig und konsequent philosophierenden Personen,<br />

seiner sorgfältig aufgebauten Handlung, seiner Armutan fortreissenden Effekten,<br />

seinem Mangel an tragischer Stimmung im Grunde recht wenig. - Wann<br />

freilich diese Beeinflussung <strong>des</strong> Stückes durch Shakespeare stattgefunden hat,<br />

<strong>das</strong> lässt sich schwerlich fixieren. Gewiss ist der Dichter schon durch Lessing<br />

auf Shakespeare hingewiesen, gewiss hat er einzelne dieser Entlehnungen schon<br />

mit Unzer gemein, wahrscheinlich gehörte er auch in den ersten Göttinger<br />

Jahren dem Bürgersehen Shakespeare-Club 1 ) an. Dennoch scheint die Entlehnung<br />

von kleinen Zügen darauf hinzuweisen, <strong>das</strong>s er auch bei der Ausarbeitung<br />

der Szenen den Shakespeare immer zur Hand hatte. Es mag <strong>das</strong><br />

etwa so gewesen sein wie 5-6 Jahre später, als er an seiner Komödie "Der<br />

Sylvesterabend" arbeitete. Damals las er täglich in Shakespeares Lustspielen,<br />

oft nur eine Szene, mit der ausgesprochenen Absicht, sich daran "gehörig zu<br />

echauffieren", sich "in eine theatralische Laune zu setzen." So las er in der<br />

ersten Hälfte <strong>des</strong> Jahres 1780 sieben Lustspiele Shakespeares durch (drei hat<br />

er vorweg ausgeschlossen, weil er sie noch zu gut kennt, also wohl kurz zuvor<br />

gelesen hat) und blätterte auch im Hamlet, der ihm offenbar am bekanntesten<br />

ist (noch 12./4. 1787 findet sich im Tagebuch ein langes englisches Citat aus<br />

Hamlet). Die Lustspiele gefallen ihm meist "vortrefflich", "ausserordentlich",<br />

(nur "Love's labours lost" findet er "unausstehlich"), er spricht sogar einmal vom<br />

"Propheten Shakespeare" ; doch klingen all diese Urteile recht kalt und verstan<strong>des</strong>mässig<br />

(während er gleichzeitig <strong>für</strong> Cicero, Sternes Tristram Shandy,<br />

Wielands überon warme Worte der Bewunderung hat I), einmal, als er<br />

zwischendurch ein französisches Lustspiel gelesen hat, entschlüpft ihm sogar<br />

die Äusserung, er finde <strong>das</strong> französische Theater "selbst (!) unnatürlicher als<br />

<strong>das</strong> englische", und als i. J. 1780 die Arbeit an seiner Komödie zurücktritt,<br />

da verschwindet auch Shakespeare aus seiner Lektüre. - So wirkt die Berührung<br />

mit Shakespeare auch nicht umstürzend in Leisewitz, sie scheint auch<br />

den Grundplan seines ,,Julius" nicht mehr verändert zu haben. Der Dichter<br />

bleibt, was er von Anfang an war: ein Schüler Lessings, und die Analyse <strong>des</strong><br />

Stückes hat mannigfache Anhaltspunkte da<strong>für</strong> ergeben, <strong>das</strong>s die Arbeit daran<br />

sich ober mehrere Jahre hingezogen und <strong>das</strong>s i. J. 1774 nur eine überarbeitende,<br />

ausschmückende Abschrift stattgefunden hat 2 ).<br />

Danach wären die Anfänge <strong>des</strong> ,,Julius von Tarent" allerdings bedeutend<br />

früher zu setzen, als es sonst geschieht, und wir haben uns daher besonders<br />

1) Bürger nennt sich im Stammbuch schon am 2. März 1771 Leisewiu' "aufrichtigen<br />

und zärtlichen Freund." ') vgl. S. 73.<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042092

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