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Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig ...

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Digitale Bibliothek <strong>Braunschweig</strong><br />

80 M. NIEBOUR<br />

Noch weniger scheint ein solcher umgestaltender Einfluss stattgefunden zu<br />

haben von der andern Seite der Göttinger Lyrik her, durch welche diese sich<br />

mit der Poesie der rheinischen Stürmer und Dränger berührt. Wenn auch<br />

ein Grundzug der Göttinger jene weiche Hingabe an <strong>das</strong> Gefühl ist, so finden<br />

sie doch auch oft stürmische Töne zur Verfechtung dieses Gefühls, sie eifern<br />

mit leidenschaftlichem Pathos gegen alles Vorurteil, gegen Zwang und Unnatur.<br />

Während Miller die Nonne beweint, besingen Hölty und Fritz Stolberg<br />

gern einen Ausbruch oder eine Entführung aus dem Kloster. Während<br />

Miller und Hölty sich schwärmerisch in die Minnepoesie der Vorzeit versenken,<br />

holen sich die Stolberge, Hahn und Voss von dort Vorbilder echter,<br />

deutscher Heldentugend und Männersitte, stürmen gegen moderne Schwächlichkeit<br />

und (besonders Hahn) gegen den entartenden französischen Einfluss.<br />

Wenn Bürger den vielbesungenen schlichten Landmann vorführt, so zeigt er<br />

ihn unterdrückt von seinem "durchlauchtigsten Tyrannen", und der Bauer,<br />

<strong>des</strong>sen Fluren von dem jagenden Gewaltherren zertreten werden, ist ein beliebtes<br />

Motiv; auch der Tyrann, der <strong>des</strong> Volkes Gut verprasst, kehrt oft in<br />

glühenden Farben wieder. Dass Leisewitz i. J. 1774 unter solchen Einflüssen<br />

stand, ist gewiss. Seine beiden, doch wohl i. J. 1774 entstandenen kleinen<br />

Dialoge 1) sind ganz aus diesem Geiste geboren, zwei Stammbuchverse aus<br />

dem Juli und September 1774 2 ) atmen ihn deutlich; aber in den ,,Julius<br />

von Tarent" sind nur noch versprengte Tropfen davon geraten.<br />

So deklamiert Julius gelegentlich mit allen Hyperbeln <strong>des</strong> Geniestyls gegen<br />

die Regel Augustins, welche die Regel der Natur unterdrücken will (11, I);<br />

Blanka soll sein werden, "wenn der Priester statt <strong>des</strong> Segens den Bannfluch<br />

über uns bis ins tausendste Glied ausspräche 3 )." Er findet auch einmal ein<br />

schönes stürmisches Bild (11, 5): "Kennen Sie den allmächtigen Hauch im<br />

Lenze, so reich an Kraft, <strong>das</strong>s es scheint, er werde die Gränzen der Schöpfung<br />

verrücken, und <strong>das</strong> Leblose zum Leben erwecken? Ein solcher Hauch<br />

hat mein ganzes Wesen durchdrungen." Auch Guido sagt einmal (11, 4) im<br />

feurigsten Geniestyl: "Mitten in euren Umarmungen soll plötzlich mein Bild<br />

') Zuerst bezeugt durch Hölty am 2. Mai 177" gedruckt im Göttinger Musenalmanach<br />

<strong>für</strong> 177,. ') F. L. H. von Walthausen schreibt am 26. Juli 1774: "Freund las uns<br />

Golddurst, Stolz und Schlösser hassen und Kleinigkeiten Fürsten überlassen", Christian<br />

R udolf Boie am 3. September 1774:<br />

"Gut seyn, gut seyn, ist viel gethan,<br />

Erobern ist nur wenig,<br />

Der König sey der bessre Mann,<br />

Sonst sey der Bessre König."<br />

8) Auch die Verwendung biblischer Wendungen hat er mit den Stürmern und Drängern<br />

gemein, doch ist <strong>das</strong> damals überhaupt Mode und findet sich sehr häufig in seinen <strong>Braunschweig</strong>er<br />

Tagebüchern.<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042092

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