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Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig ...

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Digitale Bibliothek <strong>Braunschweig</strong><br />

M. NIEBOUI\<br />

Leonora ist von jeher eine eifrige Beterin gewesen, und so sucht sie auch<br />

jetzt Trost im Gebet (v, 2). Auch Blanka finden wir zur Stunde der Andacht<br />

(111, 6); auch sie kann sagen, sie habe schon "<strong>das</strong> Entzücken der Andacht" gefühlt,<br />

sie glaubte sich stark und die Erde schon unter ihren Füssen.<br />

Beide aber fühlen dabei ihre irdische Liebe als ein Unrecht und geloben<br />

im Augenblick <strong>des</strong> Affektes die strengste Busse. "Gut, ich will auch büssen",<br />

sagt Leonora, "mehr als eine Heilige <strong>des</strong> Himmels. Am Tage will ich lieben,<br />

und <strong>des</strong> Nachts wachen, beten, seufzen, weinen, knien; so büssen, bis der<br />

Teufel selbst sagt: es ist zu viel;" und Blanka gelobt (IIJ, 7): "Solche Seufzer<br />

sollen diese Mauren nie gehört haben, Augustin soll gestehn, seine Regel sei<br />

Weichlichkeit, Heilige, durch mich mit der Liebe versöhnt, sollen <strong>für</strong> Mitleiden,<br />

und Märtyrer <strong>für</strong> Beschämung <strong>das</strong> Gesicht verwenden."<br />

Aber trotz so leidenschaftlicher Vorsätze fühlen beide ihre Ohnmacht, sich<br />

von ihrer Liebe loszureissen, sie zweifeln beide, <strong>das</strong>s die Heiligen selbst <strong>das</strong><br />

gekonnt haben. Leonora meint (v, I): "Aber gegen seine liebsten Wünsche<br />

mit völliger Unterwerfung zu bitten: Nicht mein, sondern dein Wille geschehe!<br />

ich glaube, <strong>das</strong> ist kein Gebet, <strong>das</strong> sprechen die Lippen allein. - Dennoch<br />

sollen's die Heiligen gekonnt haben." - "Ich beneide keine Heilige", sagt<br />

Blanka (IIJ, 7), "gönn' ihr ihren Weihrauch, ihren Glanz, und ihre Palmen ...... ;<br />

seyn Sie versichert, Aebtissin, keine von diesen Weibern hat wie ich geliebt.<br />

Sonst hätten wir von ihr nur Eine Legende; - sie starb vor Quaalen der Liebe."<br />

So ringen beide in genau demselben Widerstreit, den bei Leisewitz Julius<br />

deutlich ausspricht (11, 5): ,,0 <strong>des</strong> entzückenden Streites der Religion und<br />

Liebe um ihre Seele! Beyde vermischten sich so in ihren Empfindungen, <strong>das</strong>s<br />

keine zur andern sagen konnte: Diese Thräne ist mein, und diese ist dein."<br />

Eine ganz ähnliche Stelle findet sich in einem etwa gleichzeitigen Gedichte<br />

Unzers "Liebe im Tode", ein Gespräch. Oktober 1772. Dort sagt der Jüngling<br />

von der sterbenden Geliebten:<br />

"Schon ward ihr sanftes Auge trübe,<br />

Doch sah ich noch darin den Streit,<br />

Den mächt'gen Streit der ird'schen Liebe<br />

Mit der kommenden Ewigkeit.<br />

Und ohne diese zauberische Liebe<br />

Hätte keine bedauernde Thräne<br />

Dieses schöne<br />

Brechende Auge entweiht."<br />

Beide Heidinnen, Leonora wie Blanka, finden sodann denselben Ausweg<br />

aus diesem Konflikt. "Ich habe einen Freund, einen mächtigen, sichern Freund,<br />

der noch keinen Unglücklichen verlassen hat. ... Tod heisst er", sind Leonoras<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042092

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