06.10.2013 Aufrufe

Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig ...

Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig ...

Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Digitale Bibliothek <strong>Braunschweig</strong><br />

BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DES DICHTERS LEISEWITZ 73<br />

Familie: Vater, Mutter, Stiefmutter, Oheim, Tante, Bruder haben literarische<br />

Interessen gepflegt und selbst poetische Produktionen veröffentlicht. Gegentiber<br />

Leisewitz war Unzer jedenfalls der Lebhaftere,· Stürmischere (er war<br />

1767 wegen Freigeisterei von der Schule zu IIfeld verwiesen), er war auch<br />

jedenfalls der leichter und sorgloser Produzierende (er hat noch mehrere<br />

btihnengerechte, aber an Idealgehalt arme Stücke geschrieben). So mag er<br />

den fünf Jahre jüngeren Freund zum dramatischen Dichten angeregt, er mag<br />

den schüchternen, zaudernden Leisewitz vorwärts getrieben haben; - bereichert<br />

und vertieft hat er ihn wohl kaum, und es ist ja bezeichnend, <strong>das</strong>s<br />

gerade die Motive, die Leisewitz nur mit Unzer gemein hat (der Konflikt<br />

mit der Kirche, die Gestalt der Cäcilia), recht kahl und farblos geblieben<br />

sind. In andern Dingen wuchs Leisewitz' Werk bald weit über Unzer hinaus;<br />

- an Feinheit <strong>des</strong> Stils und der Charakterzeichnung, besonders aber an sittlichem<br />

Ernst kann sich dieser nicht entfernt mit ihm messen.<br />

Wichtig wird diese Berührung mit Unzer besonders <strong>für</strong> die Chronologie<br />

<strong>des</strong> "Julius von Tarent". Unzer promovierte in Göttingen am I. Juli 1771,<br />

bald darauf muss er die Universität verlassen haben. Er hatte mit seinem<br />

jüngeren Bruder Ludw.August ein Stipendium der Grafen von Stolberg-Wernigerode<br />

genossen, <strong>das</strong> zuletzt zu Ostern 1771 ausbezahlt wurde'). Bald nach<br />

jener Promotion finden wir ihn in Hamburg, dann in Altona. Sein Verkehr<br />

mit Leisewitz ist offenbar abgebrochen, was bei <strong>des</strong>sen ausgeprägter Schreibfaulheit<br />

kein Wunder war. Auch von den i. J. 1774 auf Leisewitz mächtig<br />

einwirkenden Einflüssen derGöttinger Lyrik findet sich in "Diego und Leonore"<br />

keine Spur. Jener Gedankenaustausch muss also zur Zeit <strong>des</strong> persönlichen<br />

Verkehrs stattgefunden haben, denn "Diego und Leonore" erschien erst 177 5,<br />

und die Vollendung <strong>des</strong> ,,Julius v. Tarent" fällt in der Hauptsache in <strong>das</strong><br />

Jahr 1774, seine Veröffentlichung in <strong>das</strong> Jahr 1776. Leisewitz muss sich<br />

also schon im Jahre 1771 (oder wenig später) mit seinem "Julius von Tarent"<br />

getragen haben.<br />

Danach würde sich die Entstehungsgeschichte <strong>des</strong> "Julius von Tarent" etwa<br />

folgendermassen gestalten: Leisewitz wählt gleich am Anfang seines Göttinger<br />

Aufenthalts unter dem Einflusse von Lessings "Hamburgischer Dramaturgie"<br />

bei Gelegenheit seiner historischen Studien seinen Stoff, er ges taltet ihn um<br />

1771 im Wetteifer mit Unzer und beeinflusst von "Miss Sara Sampson",<br />

I 772 oder 73 gewinnt dann "Emilia Galotti" bestimmenden Einfluss, besonders<br />

auf die letzten Akte, vieIIeicht auch Shakespeare 2 ). Dann liess der<br />

Dichter sein Werk anscheinend eine Zeitlang liegen, wenigstens hat er sicher<br />

') Nach freundlicher Mitteilung <strong>des</strong> Herrn Archivrats Dr E. Jacobs in Wernigerode.<br />

') vgl. S. 84.<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042092

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!