Untitled - Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe
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Produktionen aus den Jahrzehnten zuvor verwehrt geblieben war. Bekannte<br />
Drehbuchautoren und Dramatiker begannen so <strong>für</strong> den Trickfilm zu schreiben, zum<br />
Beispiel Viktor Slavkin, ein äußerst erfolgreicher Bühnenschriftsteller („Взрослая<br />
дочь молодого человека“, „Die erwachsene Tochter des jungen Mannes“), oder<br />
Gennadi Shpalikov, der mit dem Drehbuch und den Liedtexten des Spielfilms „Я<br />
шагаю по Москве“ („Ich laufe durch Moskau“) bekannt geworden war (er arbeitete<br />
bis zum Skandal um „Стеклянная гармоника“ („Die Glasharmonika“, Abb. 107) mit<br />
Khrzhanovskij zusammen – danach wurde ihm verboten, weiter Drehbücher <strong>für</strong><br />
Trickfilme zu schreiben) 19 . Sie brachten frischen Wind in die verstaubten<br />
Drehbuchabteilungen und schrieben auch über Zeitgenössisches, Satirisches und<br />
politisch Brisantes – was bis dahin undenkbar gewesen war.<br />
Der zweite Punkt, der <strong>für</strong> das Genre insgesamt erheblich belebend wirkte, ist<br />
die Erweiterung seiner graphischen Quellen. Mit dem Beginn der sechziger Jahre<br />
kommt es zu einem entscheidenden Umbruch im sowjetischen Trickfilm. Einflüsse<br />
aus dem weltweiten Trickfilmgeschehen, daß sich bereits weitgehend aus Disneys<br />
Hypnose 20 gelöst hatte, und aus anderen sozialistischen Ländern, die ideologisch<br />
weniger streng und deshalb ästhetisch fortschrittlicher waren, führten zu einem fast<br />
vollständigen Umbau des graphischen Systems. Den Anstoß dazu gab Fjodor<br />
Khitruks Film „История одного преступления“ („Geschichte eines Verbrechens“,<br />
Abb. 46 – 47) von 1962, aber auch andere Regisseure, durch die Bank Veteranen des<br />
Genres, schüttelten nach fast drei Jahrzehnten die Fesseln des Sozialistischen<br />
Realismus ab und begannen in Formen zu arbeiten, die dem Genre angemessener<br />
waren. Die Brumberg-Schwestern drehten 1961 die gewandte und originelle<br />
Miniatur „Большие неприятности“ („Große Unannehmlichkeiten“, Abb. 9 – 12) mit<br />
deutlichem satirischen Unterton, Lev Atamanov das zeitgenössische Märchen<br />
„Ключ“ („Der Schlüssel“), Karanovich und Jutkevich den grotesken Puppentrickfilm<br />
„Баня“ („Banja“, Abb. 5 – 8), nach dem gleichnamigen Theaterstück von Vladimir<br />
19 Cf. hierzu den Abschnitt über Khrzhanovskij im vierten Kapitel.<br />
20 Zu Disneys Einfluß cf. das folgende Kapitel.<br />
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