Untitled - Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe
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wird und die Umrisse der Sowjetunion hat. In diesem Land der Riesen finden die<br />
beiden dann nichts als Hüttenwerke und Kohlegruben vor – ohne Zweifel ein<br />
hervorragendes Thema <strong>für</strong> einen Kinderfilm, in seiner Wirksamkeit noch gesteigert<br />
vom immer wiederkehrenden Refrain des Begleittextes: „Нужен уголь и метал!“<br />
(„Wir brauchen Kohle und Metall!“). Natürlich schicken sich die beiden am Ende an,<br />
in der Schwerindustrie zu arbeiten, wenn sie groß sind – gute sowjetische Jungs<br />
eben. Daß einem solchen Film wenig Erfolg beim Publikum beschieden war, versteht<br />
sich von selbst – unserer These vom Korsett, das dem Trickfilm während dieser Jahre<br />
übergestülpt wurde, dient er aber zur treffenden Illustration.<br />
Zu einer Zeit, als in Amerika die UPA und in Kanada Norman McLaren schon<br />
lange gegen die Disney-Ästhetik zum Sturm geblasen hatten, drehte Lamis Bredis<br />
„Скорая помощь“ („Erste Hilfe“, 1949). Мистер Удав, Mister Schlange, kommt auf<br />
einem mit Blumen dekorierten Panzer ins Land der Hasen und Igel gefahren und<br />
verspricht jedem Hasen sieben neue Felle. Voraussetzung ist, daß die Hasen ihre<br />
alten Felle erstmal abgeben. Gegen den Rat der Igel sind die Hasen auch gleich Feuer<br />
und Flamme und steigen aus ihren Fellen (eine herrlich surreale Szene). Der<br />
kapitalistische Mister Schlange aber schützt Lieferschwierigkeiten vor, hält die Hasen<br />
hin und wartet geduldig den Wintereinbruch ab, um dann gnädig jedem frierenden<br />
Hasen ein neues Fell zu einem Wucherpreis abzutreten. So ist das, wenn man<br />
Kapitalisten vertraut!<br />
Der Film kam nicht in den Verleih, wohl weil man seine Handlung dann doch<br />
zu unsinnig fand 42 , und er illustriert aufs beste die kritiklose Übernahme der<br />
Disney’schen Animationsprinzipien, wie sie während dieser Zeit gang und gäbe war.<br />
Es ist also aus heutiger Sicht nicht nur die Geschichte, die, gelinde gesagt, ziemlich<br />
gewagt erscheinen muß, die Ästhetik des Films ist auch im Vergleich mit den oben<br />
erwähnten Einflüßen, die inzwischen den Trickfilm im Rest der Welt wieder von<br />
Disneys Einfluß befreit hatten, hoffnungslos veraltet. Der Film eignet sich aus diesem<br />
42<br />
Diese Vermutung äußert G. Borodin in seinem Artikel „Скорая помощь“, Киноведческие Записки<br />
№ 52, p. 295 passim.<br />
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