Untitled - Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe
Untitled - Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe
Untitled - Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Jurij Norshtejn<br />
Über Jurij Norshtejn, geboren 1941, zu schreiben, sollte ein leichtes Unterfangen sein,<br />
ist er doch der am weitesten bekannte und am meisten rezipierte russische<br />
Trickfilmer. Dennoch entzieht er sich immer wieder ganz bewußt einer kritischen<br />
Analyse und zieht sich gern in einen Kokon zurück, den er aus Versatzstücken einer<br />
Theorie seines Schaffens um sich webt – was die Beschäftigung mit seinen Filmen<br />
nicht eben erleichtert.<br />
Sein Werk ist auf der einen Seite ungeheuer vielschichtig, auf der anderen aber<br />
auch sehr auf ein idealistisches Künstlerbild verengt – von allen sowjetischen<br />
Trickfilmkünstlern ist er derjenige, der dem Typus des „Undergroundkünstlers“ am<br />
nächsten kommt; allein sein wallender Bart und sein nonchalantes Auftreten bei<br />
offiziellen Anlässen tragen viel dazu bei.<br />
Unbestritten ist dabei, daß Norshtejn von allen sowjetischen Autoren am<br />
meisten Einfluß auf die Entwicklung des internationalen Trickfilms genommen hat,<br />
wovon nicht zuletzt die ihm 1984 auf dem Los Angeles Olympic Arts Festival<br />
verliehene Auszeichung zeugt, wo „Сказка Сказок“ („Das Märchen aller Märchen“,<br />
1979, Abb. 101) zum besten Trickfilm aller Zeiten gekürt wurde. Der Film ist<br />
ausgesprochen vielschichtig und basiert auf einem System von Assoziationen, das<br />
Bendazzi wie folgt umreißt: „Images flow in a 27-minute, all-consuming fantasy:<br />
memories of childhood and war, Pushkin’s drawings, references to Picasso, a tango<br />
in the outskirts of the city [der berühmte Schlager „Утомленные сольнцем“ dient<br />
hier als background music, T.L.], Bach’s Well-tempered Clavichord and Mozart’s Concert<br />
№5 in F minor.“ 65<br />
Norshtejn hat nie abgestritten, daß dieser Film ein sehr persönliches Monument<br />
ist, der sich nur schwer dem Betrachter erschließt. „Фильм […] самый для меня<br />
65 Giannalberto Bendazzi, Cartoons. One Hundred Years of Cinema Animation, London/Bloomington:<br />
John Libbey/Indiana University Press, 1994, p. 373.<br />
45