Storys aus dem Deutschen Alltag 1989 - 2008 - Storyal
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November 2006<br />
Demokratie ist auch Utopie<br />
Die Staatsform der Demokratie wurde vor 2500 Jahren<br />
in Griechenland institutionalisiert (Attische Demokratie).<br />
Das Grundprinzip: Jeder kann mitreden,<br />
jeder hat eine Stimme. Dieses Prinzip ist die grösste<br />
Stärke, gleichzeitig aber auch die grösste Schwäche<br />
der Demokratie. Demokratie ist Pluralismus: Alles<br />
ist möglich, unendliche Toleranz, das Recht auf freie<br />
Meinungsäusserung: Lasst alle Blumen blühen. Pluralismus<br />
ist für mich der entscheidende<br />
Wert, das Beste an der Demokratie!<br />
Der Pluralismus als Regierungsform<br />
aber ist untauglich. Jeder hat eine<br />
Stimme bedeutet hier: Über Lösungsvorschläge<br />
wird auf <strong>dem</strong> Jahrmarkt<br />
verhandelt und jeder Schwätzer hat<br />
das Recht, zu Gesetzesvorhaben und<br />
Reformvorschlägen seine Meinung öffentlich<br />
kund zu tun. Talk Shows sind<br />
ein gefundenes Fressen für die Medien.<br />
Mit den neuen Medien mutierte<br />
die Demokratie zur Plappergesellschaft.<br />
Der Ahnungslose hat genau so<br />
viel Einfluss, wie der hoch spezialisierte Fachmann.<br />
Mehr noch, denn hierbei gilt ein weiteres Prinzip:<br />
Wer die beste Show bietet, der hat am meisten Recht<br />
und wird zum Volkstribun gewählt. Mit fatalen Folgen:<br />
Die Regierenden sind zwar gute Redner und<br />
Sch<strong>aus</strong>pieler, aber damit sind ihre Talente erschöpft.<br />
Kein Fachwissen trübt ihr Urteilsvermögen, keine<br />
Ahnung vom wahren Leben des ‚Mannes auf der<br />
Strasse‘. Ihr Ego gaukelt ihnen Rang und staatsmännische<br />
Bedeutung vor. Mit Erfolgen wird getrommelt,<br />
geht etwas schief, ist es niemand gewesen. Den<br />
Rat qualifizierter Fachleute schlagen sie in den Wind<br />
und Naturwissenschaftler sind für sie ‚Techniker‘ die<br />
man braucht, damit Strom <strong>aus</strong> der Steckdose kommt.<br />
Der Staat, die Regierung und die Parteien werden<br />
von solchen Leuten getragen: Politiker.<br />
Unfähigkeit und Entscheidungsschwäche hängen<br />
wie ein Damoklesschwert über allen Demokratien.<br />
Die <strong>dem</strong>okratische Regierungsform wurde zur par-<br />
lamentarischen Demokratie, zur Karikatur von<br />
Demokratie, zur Perversion von Demokratie. Es<br />
wird endlos geplappert, aber nicht im öffentlichen<br />
Interesse gehandelt, sondern unter der Decke gekungelt.<br />
Längst sind <strong>dem</strong>okratische Regierungen zu<br />
Quatschbuden raffgieriger, heilsgewisser, ahnungsund/oder<br />
skrupelloser Selbstdarsteller verkommen.<br />
Ihre Namen sind täglich in den Schlagzeilen zu finden.<br />
Diese hoch technisierte Zivilisation<br />
wird nicht regiert und gesteuert,<br />
sondern ist längst zum Selbstläufer<br />
geworden. Mit unabsehbaren Folgen.<br />
Dank Demokratie.<br />
Gerade haben wir wieder gewählt:<br />
Hinterher staunen alle über das Wahlergebnis:<br />
Dieses Ergebnis haben wir<br />
doch gerade nicht gewollt! Demokratie<br />
ist nicht der Weisheit letzter<br />
Schluss, erst recht nicht die parlamentarische<br />
Demokratie. ‚Freie Wahlen‘<br />
sind nichts anderes als ein gut funktionierender<br />
Zufallsgenerator. Die<br />
Einigung auf den kleinsten, gemeinsamen Nenner<br />
ist das Ergebnis <strong>dem</strong>okratischer Wahlen und es ist<br />
offensichtlich: Je mehr Demokratie, umso weniger<br />
neue Ideen. Die Demokratie wirkt bewahrend und<br />
ist reformfeindlich. Sie schützt auch nicht vor Radikalen,<br />
Fundamentalisten und Diktatoren. Hitler ist<br />
<strong>dem</strong>okratisch an die Macht gekommen, so wie die<br />
Hamas und die Hisbollah!<br />
Die parlamentarische Demokratie hat mit Demokratie<br />
nicht mehr viel zu tun. Am deutlichsten wird<br />
das nach jeder Wahl <strong>dem</strong>onstriert: Es stehen genau<br />
die gleichen Figuren wie vor der Wahl auf der Bühne,<br />
im Höchstfall sind sie etwas anders sortiert. Die<br />
Perversion der parlamentarischen Demokratie ist<br />
in den USA zu besichtigen. Ausgerechnet hier, wo<br />
ständig von Freiheit und Demokratie geredet wird,<br />
ist die Demokratie zur Show verkommen. Das Amt<br />
des Präsidenten wird meistbietend versteigert. Wie<br />
anders ist sonst zu erklären, dass die Bewerber um<br />
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