Storys aus dem Deutschen Alltag 1989 - 2008 - Storyal
Storys aus dem Deutschen Alltag 1989 - 2008 - Storyal
Storys aus dem Deutschen Alltag 1989 - 2008 - Storyal
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Goldgräberstimmung<br />
dauern, bis sich die ersten stabilen, mittelständischen<br />
Betriebe in Sachsen-Anhalt etabliert haben.<br />
Herr Dr. Mahn, Diplom-Designer, ehemaliger<br />
SED-Genosse und Entwicklungskader der Burg<br />
Giebichenstein, ist Gründungsmitglied des Instituts<br />
CA&D. Er lechzt nach Geld und Anerkennung. Gerade<br />
hat er sich scheiden lassen und eine neue, junge<br />
Frau geheiratet, Kerstin, ein pralles Mädchen, deren<br />
Diplomarbeit ich betreut habe: Plauener Spitze mit<br />
DECOS. Er will sich besonders bei CA&D engagieren,<br />
weil er dort am ehesten die Möglichkeit sieht,<br />
Geld zu verdienen. Dr. Mahn ist einer der wenigen<br />
Leute, die ungefähr begriffen haben, wie dieses Institut<br />
funktionieren wird. Die anderen acht bis zehn<br />
Gründungsmitglieder (darunter Rolf Frick, Paul<br />
Jung und Kaleb Utecht) sehen nicht durch, was wir<br />
mit CA&D jetzt für ein schönes Spielzeug zur Verfügung<br />
haben. Aber sie unterschreiben und damit wird<br />
das An-Institut CA&D 1990 kurz vor Weihnachten<br />
gegründet. Als Geschäftsführer halte ich die Fäden<br />
in der Hand.<br />
Gleich zu Anfang geht es bei CA&D um zwei Aktivitäten:<br />
H&V und das Medienzentrum. Dr. Mahn<br />
und ich sind die beiden Leute, die dafür Zeit investieren<br />
können und wirklich handeln. Mit H&V ist<br />
der Betrieb der bereits laufenden Vaster Systeme zu<br />
organisieren. Beim Medienzentrum ist auch bereits<br />
eine Kooperation mit H&V vereinbart. Aber hier<br />
geht es vorerst nur um den Standort: Wo kann man<br />
60 bis 80 Hightech-Computer-Arbeitsplätze an der<br />
Burg Giebichenstein installieren?<br />
Das Institut CA&D ist noch nicht gegründet, da<br />
sitze ich mit Dr. Mahn am 27. November 1990 <strong>dem</strong><br />
Chef der Sektion Kunst gegenüber, Genosse Prof.<br />
Rex. Die Sektion Kunst hat ihren Sitz in der alten<br />
Burg und dazu hatte ich die genau passende Idee:<br />
Die alte Burg Giebichenstein residierte hoch oben<br />
auf <strong>dem</strong> Felsen über der Saale. Fünfzig Meter tiefer<br />
liegt der quadratische Burghof, umgeben von spitz<br />
gedeckten Gebäuden, im Hof ein Rosengarten. In<br />
den alten Häusern befinden sich die Werkstätten der<br />
Keramik, Malerei, Bildhauerei, Glas usw. Über diesen<br />
Gebäuden aber liegen drei Stockwerke hohe Dachstühle,<br />
die nicht <strong>aus</strong>gebaut sind. Meine Vision, von<br />
der auch H&V begeistert ist: Altes Holz und neue<br />
Technik <strong>aus</strong> Silicon - In diesen <strong>aus</strong>gebauten Dachstühlen<br />
wären mühelos hunderte Computerarbeitsplätze<br />
unterzubringen. Unsere Frage an Prof. Rex:<br />
Ist die Sektion Kunst einverstanden damit, dass wir<br />
uns bemühen, die ungenutzten Dachstühle <strong>aus</strong>zubauen?<br />
Schon während meinen Erläuterungen sehe<br />
ich, wie Prof. Rex unruhig auf seinem Stuhl hin und<br />
her rutscht. Dann habe ich die entscheidende Frage<br />
gestellt und die Antwort ist ganz klar. ‚Hier in die<br />
alte Burg kommt nichts hinein, was mit Kunst nichts<br />
zu tun hat. Computer wären das Letzte, was uns hier<br />
fehlt! Mit einem Wort: Nur über meine Leiche haben<br />
Sie Zugriff auf unsere Gebäude!‘ Das ist eindeutig.<br />
Jede weitere Diskussion ist zwecklos. Ich kann mir<br />
aber trotz<strong>dem</strong> nicht verkneifen zum Abschied noch<br />
zu sagen: ‚Auch wenn Sie Ihr Leben in die Schanze<br />
werfen, sie werden damit nicht verhindern, dass<br />
auch die Kunst von den Computern eingeholt wird!‘<br />
Jetzt ist es aber noch nicht so weit und diese schöne<br />
Variante muss zu den Akten gelegt werden: Das Medienzentrum<br />
wird nicht unter den spitzen Dächern<br />
der alten Burg Giebichenstein entstehen. Ein paar<br />
Wochen später stellt sich her<strong>aus</strong>, dass Genosse Prof.<br />
Rex als Stasi-Mitarbeiter an der Hochschule gewirkt<br />
hat. Ihm wird fristlos gekündigt.<br />
Unsere Vorhaben erhalten im Frühjahr 1991 einen<br />
schweren Schlag. Einer der beiden Aktivisten wird<br />
<strong>aus</strong> der Kurve getragen: Dr. Mahn wird als IM der<br />
Stasi enttarnt. Ich habe vor der Gründung des Instituts<br />
CA&D mit Dr. Mahn an einem Tisch gesessen.<br />
Ich wusste, wir beide sind das richtige Gespann, wir<br />
können einiges gemeinsam bewegen. Genau darüber<br />
reden wir und ich frage ihn ganz direkt: ‚Kl<strong>aus</strong>,<br />
schau mir in die Augen und sage mir, ob Du bei<br />
der Stasi warst?!‘ Er versichert mir hoch und heilig,<br />
nie mit der Stasi etwas zu tun gehabt zu haben. Das<br />
ist unwahrscheinlich, denn er war einer der wenigen<br />
Entwicklungskader der Burg Giebichenstein. Das<br />
waren zu DDR-Zeiten Leute, die man gezielt für<br />
Führungsaufgaben über mehrere Jahre qualifiziert<br />
und aufgebaut hat. Ich glaube Kl<strong>aus</strong>-Dieter Mahn<br />
und jetzt im Mai sitzt er mir wieder gegenüber, und<br />
er behauptet auch jetzt, nie IM gewesen zu sein!<br />
Vor allen Dingen hat er ganz bestimmt nieman<strong>dem</strong><br />
geschadet! Seit ein paar Monaten ist er aber schon<br />
nicht mehr Angestellter der Burg Giebichenstein,<br />
sondern hat sich von H&V als Repräsentant von<br />
H&V in Halle anstellen lassen. Das war eigentlich<br />
sehr verdächtig, aber ich habe es seiner Geldgier zugerechnet.<br />
Wir trennen uns mit einem klar von mir<br />
formulierten Differenzstandpunkt: Dr. Mahn ist an<br />
19