Storys aus dem Deutschen Alltag 1989 - 2008 - Storyal
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Goldgräberstimmung<br />
Aktivitäten, die das Institut CA&D und das Medienzentrum<br />
betreffen, nicht mehr beteiligt.<br />
Im Juli 1991 wird Prof. Dr. Frick Kulturminister<br />
in der Regierung von Sachsen-Anhalt. Ich werde<br />
sein Nachfolger an der Burg Giebichenstein. Jetzt<br />
bin ich auch hier wieder der Chef, ohne dass ich es<br />
gewollt habe. Als Leiter des Wissenschaftsbereichs<br />
Medientechnik muss ich dafür sorgen, dass alle mir<br />
unterstellten Mitarbeiter in die Lehre eingebunden<br />
sind, sonst sitzen sie auf von der Streichung akut<br />
gefährdeten Stellen. Ich bin der Einzige, der sich<br />
um das Medienzentrum und um CA&D kümmern<br />
kann. Vom Rektor habe ich jede Unterstützung, sie<br />
beschränkt sich aber darauf, dass Prof. Jung alles ungesehen<br />
unterschreibt, was ich ihm vorlege. Das gilt<br />
auch für den Kultusminister Prof. Dr. Frick. Auch<br />
er will sich in seiner Amtszeit ein Denkmal setzen,<br />
besitzt aber für Details weder Interesse noch Zeit.<br />
Auch er unterschreibt alles, was ich ihm in Sachen<br />
Medienzentrum auf den Schreibtisch lege.<br />
Im Frühsommer 1991 erhält die Burg Giebichenstein<br />
nach Verhandlungen mit der MLU das Nutzungsrecht<br />
für die Villa Neuwerk 1. Wir beginnen<br />
sofort mit Dacharbeiten. Das Gebäude hat zwei<br />
Winter ohne Heizung hinter sich, das Dach ist undicht,<br />
der Bau in einem desolaten Zustand. Ich weiss<br />
jetzt durch die Verhandlungen mit der MLU auch,<br />
wie wir zu Geld kommen, um diese Villa als Medienzentrum<br />
<strong>aus</strong>zubauen: Wir müssen eine HU Bau auf<br />
die Beine stellen (H<strong>aus</strong>haltsunterlage Bau) und bei<br />
der Landesregierung die Bestätigung und damit die<br />
Finanzierung erwirken. Unter normalen Umständen<br />
ist es völlig illusorisch, kurzfristig eine HU-Bau zu<br />
erarbeiten und bestätigt zu erhalten. In unserem Fall<br />
funktioniert das nur, weil die HU-Bau beim Kultusminister<br />
von Sachsen-Anhalt einzureichen ist und<br />
weil dieser Minister Rolf Frick heisst. Auch das würde<br />
heute nicht mehr für eine Bestätigung <strong>aus</strong>reichen.<br />
Entscheidend sind die Aufbruchsstimmung und die<br />
wirren politischen Verhältnisse kurz nach der Wende.<br />
Die HU Bau entsteht 1991 und sie wird 1992 von<br />
der Landesregierung akzeptiert. Damit ist am Ende<br />
des Jahres 1992 klar: An der Burg Giebichenstein<br />
wird in den nächsten zwei bis drei Jahren ein Medienzentrum<br />
entstehen, von <strong>dem</strong> <strong>aus</strong>ser <strong>dem</strong> Rektor,<br />
<strong>dem</strong> Kanzler und mir kaum jemand an der Hochschule<br />
etwas ahnt.<br />
In den Jahren 1991 und 1992 können wir tatsächlich<br />
mit den Vaster Systemen von H&V vielen Studenten,<br />
zeigen, wie Graphic Design am Computer funktioniert.<br />
Ich bin sicher, zu dieser Zeit steht in keinem<br />
der neuen Bundesländer so ein hochgerüstetes Grafiksystem<br />
inklusive grossformatigem Farbdrucker.<br />
Durch den Rektor wurde das Institut CA&D von<br />
der Hochschule offiziell beauftragt, die Kooperationsbeziehungen<br />
mit H&V wahrzunehmen und abzuwickeln.<br />
H&V will den Start des Instituts CA&D<br />
wirtschaftlich unterstützen und gibt uns einige Aufträge,<br />
deren ordentliche Abwicklung mir grosse<br />
Mühe macht: Kaum ein Designer der Hochschule<br />
will für Geld arbeiten! Völlig unbegreiflich. Aber wir<br />
realisieren die Aufträge qualitätsgerecht und H&V<br />
bezahlt auch vertragsgerecht mit erstaunlichen<br />
Marktpreisen zwischen 15.000 und 45.000 DM. Bei<br />
CA&D können Designer wirklich Geld verdienen!<br />
Ich erzähle Hühnel begeistert von DECOS und zeige<br />
ihm einige der wirklich guten Grafiken, die man<br />
mit <strong>dem</strong> Vaster System nicht herstellen kann! Hühnel<br />
riecht ein Geschäft. Er will DECOS auf <strong>dem</strong> Vaster<br />
System zum Laufen bringen. Ich verkaufe ihm<br />
im Auftrag der Hochschule via CA&D DECOS 2.2<br />
für 18.000 DM - Die Grafis-Version <strong>aus</strong> Weißenfels.<br />
Ihm geht es um die Rechte an diesem System, um<br />
den Quelltext. Er hat zu wenig Fachwissen, um zu<br />
erkennen, dass er zwar die Rechte an <strong>dem</strong> Quelltext<br />
besitzt, damit aber überhaupt nichts anfangen kann.<br />
Noch ist nicht entschieden, ob und wie die Burg<br />
Giebichenstein DECOS auf das Betriebssystem<br />
Windows portieren kann. Das ist nur ein finanzielles<br />
Problem. DECOS 3.3 läuft 1994. Den Quelltext von<br />
DECOS 2.2 brauchen wir dafür nicht.<br />
Zum ersten Mal wird H&V auffällig, als die Kriminalpolizei<br />
im August 1991 nach Hühnel fragt. Es<br />
gibt mehrere Betrugsfälle an dieser Hallenser Sparkasse.<br />
Es ist nur eine Routinekontrolle. Noch fliegt<br />
die Sache nicht auf. Auch der erste Konflikt mit<br />
H&V bahnt sich an: Rechnungen gehen ein, Hühnel<br />
fordert im Sommer 1991 von mir Nutzungsgebühren<br />
für die Vaster Systeme. Das lehne ich sofort<br />
und konsequent mit <strong>dem</strong> Hinweis auf unsere Vertragsbeziehungen<br />
ab, die so etwas nicht vorsehen.<br />
Da er seine Rechnungen nicht zurück zieht, stelle<br />
ich im Gegenzug H&V unseren Aufwand für die<br />
Ausbildung der Studenten an den Vaster Systemen<br />
in Rechnung. So entsteht im November 1991 nach<br />
Abzug der Nutzungsgebühren eine Forderung des<br />
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