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Storys aus dem Deutschen Alltag 1989 - 2008 - Storyal

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Die Treuhand verkauft die DDR<br />

dann auch für die anderen DDR-Autos. Sie werden<br />

zu Spottpreisen verkauft und massenweise nach Polen<br />

und in den Ostblock transferiert. Bereits im ersten<br />

Halbjahr 1990 will niemand mehr Produkte der<br />

DDR-Industrie kaufen. Alle warten auf das Westgeld,<br />

denn das Auto muss jetzt von VW, die Waschmaschine<br />

von Quelle, der Fernseher von Sony und<br />

die HiFi-Anlage müssen von Grundig sein. Das ist<br />

vor der Treuhand das Aus für die DDR-Wirtschaft,<br />

soweit es die Konsumgüter betrifft. Die Produktion<br />

ist nicht mehr absetzbar. Der inländische Markt für<br />

DDR-Produkte ist zusammengebrochen. Hervorragende<br />

Fernsehgeräte, HiFi-Anlagen und Waschmaschinen<br />

werden bis zu 80 Prozent im Preis gesenkt,<br />

damit wenigstens die Lager geräumt werden<br />

können. Parallel dazu werden die Exportkunden der<br />

DDR im Osten durch die politischen Umbrüche<br />

zahlungsunfähig: Die Sowjetunion bricht durch die<br />

von Gorbatschow propagierte Glasnost (Offenheit)<br />

<strong>aus</strong>einander. Nach der Währungsunion entsteht<br />

aber umgekehrt ein ungeheurer Bedarf an Waren<br />

aller Art <strong>aus</strong> Westdeutschland. Ein nie gekannter<br />

Wirtschaftsboom setzt in Westdeutschland ein. Die<br />

bundesdeutsche Wirtschaft verdient sich in den<br />

nächsten zehn Jahren dumm und dämlich, während<br />

die Wirtschaft in der ehemaligen DDR schon in den<br />

Jahren 1990 und 1991 komplett zusammenbricht.<br />

Die wiedervereinigten <strong>Deutschen</strong> wollen keine Produkte<br />

<strong>aus</strong> <strong>dem</strong> ‚Beitrittsgebiet‘ - der ehemaligen DDR<br />

- mehr kaufen. Die Exportkunden im Ostblock sind<br />

nicht in der Lage, in D-Mark zu bezahlen. Die Erzeugnisse<br />

<strong>aus</strong> Ostdeutschland entsprechen weder<br />

<strong>dem</strong> Stand der Technik, noch sind sie hinsichtlich<br />

der Herstellungskosten konkurrenzfähig. Wie aber<br />

soll die Effektivität der DDR-Wirtschaft an das<br />

Westniveau angeglichen werden? Gibt es dafür überhaupt<br />

einen politischen Willen? Die Produktionsreserven<br />

der Bundesrepublik reichen <strong>aus</strong>, um mühelos<br />

die Neuen Länder mit zu versorgen. Die Bundesrepublik<br />

hat für diese Probleme nur die einfachste<br />

aller kapitalistischen Lösungen: Privatisierung der<br />

DDR-Wirtschaft. Privatisierung hört sich gut an, bedeutet<br />

in der Realität aber Verkauf der volkseigenen<br />

(d.h. staatlichen) Wirtschaft der DDR. Wo aber sind<br />

die Käufer? Es gibt nur einen potentiellen Käufer:<br />

Westdeutschland kauft die ehemalige DDR auf.<br />

Die <strong>dem</strong>okratisch legitimierte DDR-Volkskammer,<br />

gesteuert <strong>aus</strong> Bonn, beschliesst am 17. Juni 1990 das<br />

Treuhandgesetz mit <strong>dem</strong> Auftrag zur Privatisierung<br />

des volkseigenen Vermögens. Kaum ein Abgeordneter<br />

ahnt die Konsequenzen dieses Gesetzes. Die<br />

Privatisierung des ‚Volkseigentums‘ der DDR ist<br />

das unrühmlichste Kapitel der deutschen Widervereinigung.<br />

Um den Verkauf der Wirtschaft und des<br />

Grund und Bodens der DDR zu organisieren, wird<br />

die Treuhandanstalt gegründet, kurz ‚Treuhand‘ genannt.<br />

Ihre Leiterin ist Birgit Breuel.<br />

Die Treuhand ‚verkauft‘ die DDR bis Ende 1994<br />

vorwiegend an die westdeutsche Industrie, an Kapitalisten,<br />

Grundbesitzer und Spekulanten. Es handelt<br />

sich hier um eine in der Geschichte beispiellose Umverteilung<br />

von Steuermitteln, Grundbesitz und Industrieanlagen<br />

zu Gunsten der vermögenden, westdeutschen<br />

Oberschicht. Damit beispielsweise eine<br />

westdeutsche Klebstofffirma (AHA) ihren ostdeutschen<br />

Konkurrenten (Duosan) übernimmt, muss sie<br />

nicht etwa etwas für die Grundstücke, die baulichen<br />

und die technologischen Anlagen bezahlen! Nein,<br />

die Bundesrepublik versüsst ihr dieses ‚Geschäft‘<br />

mit Millionen in bar, die beispielsweise als Entschädigung<br />

für die Beseitigung von Altlasten deklariert<br />

werden. Die westdeutsche Firma bekommt den ostdeutschen<br />

Konkurrenten geschenkt und damit sie<br />

dieses Geschenk annimmt, legt die Bundesrepublik<br />

noch einige Dutzend Millionen obendrauf. Beim<br />

Chemiekomplex BUNA sind es (in Worten) neun<br />

Milliarden DM! Nach diesem Prinzip privatisiert die<br />

Treuhand die DDR.<br />

Die Privatisierung der DDR ist nichts anderes, als<br />

die Erpressung des deutschen Staates durch die<br />

westdeutsche Wirtschaft und den deutschen Geldadel.<br />

Die Bundesrepublik ist auf die deutsche Widervereinigung<br />

so schlecht vorbereitet, dass sie jetzt<br />

nur eine Option besitzt: Verkauf der DDR um jeden<br />

Preis, auch um <strong>dem</strong> Preis von Schulden in Milliardenhöhe!<br />

Das westdeutsche Kapital nutzt natürlich<br />

die Zwangslage der Bundesrepublik <strong>aus</strong>. Die Preise<br />

werden nicht nur in den Keller getrieben, sondern<br />

weit in den negativen Bereich. So entstehen in den<br />

ersten Jahren der Wiedervereinigung Schulden von<br />

rund 350 Milliarden DM! Nie vorher hat es eine<br />

Privatisierung von Steuermitteln in einem solchen<br />

Umfang gegeben. Die Schulden wurden im Erblastentilgungsfond<br />

versenkt und kein Politiker möchte<br />

jemals wieder an dieses unrühmliche Kapitel der<br />

deutschen Wiedervereinigung erinnert werden.<br />

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