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Storys aus dem Deutschen Alltag 1989 - 2008 - Storyal

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Juli 1995<br />

Das Ostgefühl<br />

DER SPIEGEL 27/95 hat analysiert, wie das zusammenwächst,<br />

was nicht zusammengehört. Ein<br />

interessantes Material, das mit statistischen Daten<br />

unterlegt ist. Es ist faszinierend, wie stark sich die<br />

Meinungen in relativ kurzer Zeit verschieben. Aber<br />

das ist ja bei oder kurz vor Wahlen noch deutlicher<br />

zu sehen. Wir sind auf die Gegenwart programmiert,<br />

Vergangenheit verschwimmt sehr schnell und Zukunft<br />

ist erst interessant, wenn sie da ist.<br />

Mir ist beispielsweise aufgefallen, dass es mich überhaupt<br />

nicht mehr bewegt, ob Egon Krenz wegen<br />

Wahlfälschung angeklagt oder verurteilt wird. Er soll<br />

jetzt angeklagt werden. 1990 wäre das ein riesiges<br />

Thema gewesen. Ich glaube nicht, dass es heute einen<br />

Ossi noch interessiert. Die einen bestreiten die<br />

Wahlfälschung immer noch und den meisten anderen<br />

ist es (wie mir) einfach egal.<br />

Es ist doch völlig klar, dass die Wahlen gefälscht<br />

wurden. Zu DDR-Zeiten hat jeder gewusst, was<br />

von diesen ‚Wahlen‘ zu halten war. Von vorn herein<br />

stand fest, dass 99 Prozent ‚für die DDR‘ stimmen<br />

werden. Ich habe damals immer gesagt, ich kämpfe<br />

für mindestens 102 Prozent. Das zeigt, was wir davon<br />

hielten.<br />

Die SPIEGEL-Analyse kommt zu <strong>dem</strong> Ergebnis,<br />

das wir alle kennen: Ja, es gibt Ossi‘s und es gibt<br />

Wessi‘s. Deutliche Unterschiede in der materiellen<br />

und psychischen Befindlichkeit.<br />

Generell sind die Ossi‘s durch ihre Vergangenheit in<br />

der DDR benachteiligt: Fünf Jahre nach der Währungsunion<br />

verfügen die Menschen im Osten offiziell<br />

über 70 Prozent des Westeinkommens, de facto<br />

sind es höchstens zwei Drittel. Und das natürlich<br />

auch nur, wenn sie Arbeit haben. Die Arbeitslosigkeit<br />

liegt im Osten bei mindestens 25 Prozent. Verständlich,<br />

dass diese entscheidenden Zahlen auf das<br />

‚Ostgefühl‘ durchschlagen.<br />

ABER und das ABER kann man nicht gross genug<br />

schreiben: ABER ich bin davon überzeugt, wir haben<br />

ein riesenhaftes Glück bei der ganzen Sache gehabt:<br />

Ich behaupte glatt, dass es bereits fünf Jahre<br />

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