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Storys aus dem Deutschen Alltag 1989 - 2008 - Storyal

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Die Irrtümer der Marxisten<br />

tätig. Aber sie dauerten keine 70 Jahre. Es ist kein<br />

vernünftiger Grund erkennbar, warum die sozialistischen<br />

Staaten nach den Anfangswirren der Revolution<br />

nicht hätten <strong>dem</strong>okratisch organisiert werden<br />

können. Im Gegenteil, das hätte der sozialistischen<br />

Idee eine wesentlich grössere Akzeptanz bei der Bevölkerung<br />

verschafft. Wahrscheinlich aber ist keine<br />

Diktatur <strong>aus</strong> sich selbst her<strong>aus</strong> in der Lage, sich zu<br />

<strong>dem</strong>okratisieren. Die offene Diktatur in der DDR<br />

hatte die Entmündigung eines ganzen Volkes zur<br />

Folge: Ständige Präsenz massiver Gewalt, intellektuelle<br />

Bevormundung, flächendeckende Bespitzelung<br />

bis hin zu schein<strong>dem</strong>okratischen Spielchen und den<br />

peinlichen Wahlfälschungen. Die fatalsten Folgen<br />

aber hatte die Diktatur in der zentralisierten Wirtschaft<br />

(s.u. Politische Ökonomie). Mit intelligenteren<br />

Menschen an der Spitze des Staates wären diese gravierenden<br />

Irrtümer vermeidbar gewesen.<br />

Die Kaderpolitik<br />

Ausser Lenin (er war Jurist) waren alle Partei- und<br />

Staatschefs der sozialistischen Länder keine aka<strong>dem</strong>isch<br />

gebildeten Leute. Diese Tatsache hatte System.<br />

Die proletarische Herkunft (Honecker, der Dachdecker<br />

...) war Gütesiegel und Vor<strong>aus</strong>setzung für eine<br />

Parteikarriere. Die ‚führende Rolle der ruhmreichen<br />

Sowjetunion‘ im Verbund der Sozialistischen Staaten<br />

wurde durch Vasallentreue abgesichert. Die entscheidende<br />

Qualifikation, die ein Staatschef mitzubringen<br />

hatte, war die uneingeschränkte Gefolgschaft zu<br />

Stalin oder seinen Nachfolgern. In keiner Phase der<br />

Entwicklungsgeschichte des sozialistischen Lagers<br />

waren von den Staatsführern Eigeninitiative, selbstständiges<br />

Denken und Problemlösungen gefragt. Im<br />

Gegenteil. Die Staaten des Warschauer Vertrages<br />

waren nach militärischen Prinzipien organisiert. Die<br />

<strong>aus</strong> Moskau kommenden Befehle waren durchzusetzen.<br />

Ohne Nachfrage und ohne eigenes Nachdenken.<br />

Diese Kaderpolitik, die unter <strong>dem</strong> Stichwort ‚Parteidisziplin<br />

und Diktatur des Proletariats‘ bis in die<br />

kleinste Parteigruppe durchgesetzt wurde, hatte<br />

entscheidende Konsequenzen: Alle sozialistischen<br />

Staaten waren intelligenzfeindlich. Ein unbegreiflicher<br />

Schwachsinn, denn gleichzeitig wurde die<br />

‚Wissenschaftliche Weltanschauung‘ propagiert. Die<br />

Parteiführer (bis hinunter zu den einfachen Genossen)<br />

haben den Dialektischen Materialismus nie<br />

begriffen. Das machte nichts, denn sie durften ihn<br />

sowieso nicht anwenden! Der Dialektische Materialismus<br />

bedeutet im Kern das Gegenteil von Parteidisziplin<br />

und Diktatur. Beispiel: Negation der Negation.<br />

Bereits Stalin hatte sich gegen den Dialektischen<br />

Materialismus und für die Gewalt in jeder Form<br />

entschieden. Bis zum Untergang des ‚Sozialistischen<br />

Lagers‘ wurde auf Zentralisierung gesetzt und jede<br />

Eigeninitiative wurde als ‚Abweichung‘ diffamiert.<br />

Die Leute mit <strong>dem</strong> wenigsten Verstand hatten das<br />

Sagen, weil sie die Macht der Sowjetunion hinter<br />

sich hatten.<br />

Diese Kaderpolitik hat einen wesentlichen Anteil am<br />

Untergang des ‚Sozialistischen Lagers‘ und sie war<br />

in keiner Phase zwingend erforderlich. Sabang, 28.<br />

März 2006<br />

Die Wissenschaftliche Weltanschauung<br />

In DDR-Lehrbüchern des Jahres 1975 ist nachzulesen:<br />

Durch die Vereinigung von Dialektik und<br />

Materialismus ist der Historische und Dialektischen<br />

Materialismus die erste und einzig konsequente wissenschaftliche<br />

Weltanschauung. Ihre historisch neue<br />

Qualität ergibt sich nicht nur dar<strong>aus</strong>, dass in Ihr,<br />

im Verhältnis zum vor<strong>aus</strong>gegangenen dialektischen<br />

Denken, neue theoretische Prinzipien fixiert sind,<br />

sonder auch vor allem dar<strong>aus</strong>, dass sie theoretischer<br />

Ausdruck und theoretisches Mittel im Klassenkampf<br />

des Proletariats und seiner revolutionären Parteien<br />

ist, in diesem Kampf her<strong>aus</strong>gebildet und weiterentwickelt<br />

wird.*)<br />

Die Wissenschaftlichkeit gründete sich auf den behaupteten<br />

objektiven, naturgesetzlichen Charakter der<br />

Dialektischen Gesetze und das Entwicklungs‘gesetz‘<br />

des Historischen Materialismus. Davon wurden<br />

(teilweise vernünftige) Grundsätze abgeleitete, die<br />

auch als Losungen an die Häuserwände geschrieben<br />

wurden: Im Mittelpunkt steht der Mensch. Widersprüche<br />

sind die Triebkräfte jeder Entwicklung. Die<br />

Praxis ist das Kriterium der Wahrheit. Das Sein bestimmt<br />

das Bewusstsein. Übt Kritik und Selbstkritik.<br />

Wir sind die Sieger der Geschichte. Wer das nicht<br />

‚glaubte‘ wurde auf die Klassiker des Marxismus-Leninismus<br />

verwiesen, die das alles längst ‚umfassend<br />

bewiesen und als gesetzmässig erkannt‘ hatten.<br />

Der Dialektische Materialismus enthält tatsächlich<br />

Elemente einer Weltanschauung, mit der sich Naturwissenschaftler<br />

über weite Strecken identifizie-<br />

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