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Storys aus dem Deutschen Alltag 1989 - 2008 - Storyal

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März 1995<br />

Auch dieser Staat hat keine Moral<br />

Noch gibt es eine Zeitschrift mit <strong>dem</strong> Namen<br />

‚HORCH UND GUCK‘. So hiess die ‚Firma‘ im<br />

Volksmund der DDR, das Ministerium für Staatssicherheit,<br />

MfS. In der Ausgabe Nr. 3 / 1994 wird eine<br />

Beratung des Bundestages vom 23.06.1994 zum Abschlussbericht<br />

des KoKo-Untersuchungs<strong>aus</strong>schusses<br />

(Kommerzielle Koordinierung) protokolliert.<br />

Der Untersuchungs<strong>aus</strong>schuss sollte die Geschäfte<br />

des ‚DDR-Devisenbeschaffers‘ Alexander Schalck-<br />

Golodkowski aufhellen. Seine Geschäfte konnten<br />

nur funktionierten, weil Regierung und Wirtschaft<br />

der Bundesrepublik stark involviert waren und daran<br />

hervorragend verdienten. Gleichzeitig hat damit<br />

die Bundesrepublik die Zustände in der DDR über<br />

Jahre (Jahrzehnte?) stabilisiert. Der von der CDU<br />

geführte Untersuchungs<strong>aus</strong>schuss hat sich deshalb<br />

auch auf Schalks DDR-Aktivitäten konzentriert und<br />

alle Versuche abgeblockt, die West-Aspekte zu untersuchen.<br />

Im Endeffekt hat Frau Köppe (Bündnis 90)<br />

als Mitglied dieses Ausschusses einen Minderheitsbericht<br />

erstellt. Der wurde von der Bundesregierung<br />

als geheim eingestuft und darf 30 Jahre nicht veröffentlicht<br />

werden. Frau Köppe hat resigniert und<br />

darauf verzichtet, sich wieder als Bundestagsabgeordnete<br />

wählen zu lassen.<br />

Ein Staat hat keine Moral. Es zählt nur, was nützt.<br />

Kann man das so verallgemeinern? Gibt es überhaupt<br />

den ‚Staat‘ an sich, es handeln doch immer<br />

Menschen. In vielen Fällen handeln sie aber mit <strong>dem</strong><br />

Mandat des Staates. Und in diesen Fällen sieht man<br />

immer wieder faszinierende Parallelen zwischen der<br />

DDR und dieser Bundesrepublik. Natürlich hat die<br />

Bundesrepublik kein Interesse an der Aufdeckung<br />

ihrer Geschäfte mit der DDR. Denn sie waren (und<br />

sind) nur der Rendite verpflichtet, schmutzig und<br />

tagtägliche Praxis. Geld stinkt nicht. Aber es sollen<br />

möglichst wenige wissen, wie es stinkt. Der Staat hat<br />

die Macht, also nutzt er sie. Die DDR hat das gleiche<br />

getan. Dass dabei für den berühmten ‚Mann auf<br />

der Strasse‘ (auch wenn er noch so dumm ist) klar<br />

erkennbar ist, dass hier mit zweierlei Mass gemessen<br />

wird, spielt keine Rolle. Der schöne Schein muss gewahrt<br />

werden.<br />

Ein weiteres Beispiel für ‚zweierlei Mass‘: Der Alt<br />

Nazi Lehnigk-Emden hat unstrittig 1943 in Italien<br />

15 Frauen und Kinder ermordet. Er wurde erst jetzt<br />

in Deutschland ‚entdeckt‘. Der Bundesgerichtshof,<br />

das höchstes Organ der Bundesrepublik, hat ihm<br />

Straffreiheit verschafft, weil die Tat nach der Auffassung<br />

des BHG verjährt ist (SPIEGEL 10/1995,<br />

S. 24). Der ehemalige Minister für Staatssicherheit,<br />

Mielke, wurde rechtskräftig zu acht (?) Jahren Gefängnis<br />

verurteilt. In einem Prozess mit schwachen<br />

Indizien wegen eines angeblich in Auftrag gegebenen<br />

Doppelmordes im Jahr 1928.<br />

Was ist das anderes als zweierlei Mass? Und niemand<br />

sollte mir Sympathien für Mielke unterstellen! Leider<br />

ist das, was dieser Herr mit seinen Genossen in der<br />

DDR angerichtet hat, in keinem Land der Welt strafbar!<br />

Das muss man sich erst einmal auf der Zunge<br />

zergehen lassen: Auf dieser Welt gibt es keine Gesetze,<br />

die Staatsterrorismus oder den Terrorismus<br />

eines Staatschefs unter Strafe stellen. Warum gibt<br />

es das wohl nicht ? Mehr als dreimal darf geraten<br />

werden.<br />

Es gibt auf dieser Strecke noch viele Parallelbeispiele.<br />

Man muss sie nur sehen wollen. Auch das Kapitel<br />

‚Juden‘ ist offensichtlich voll von Lügen, Heuchelei<br />

und Charakterlosigkeit. Auf der einen Seite offizielle<br />

Unterstützung der deutschen Juden und des Staates<br />

Israel durch die Bundesrepublik und auf der anderen<br />

Seite Nazifreundlichkeit, Leugnen oder Verdrängen<br />

des Holoc<strong>aus</strong>t bis hin zu direktem Antisemitismus.<br />

Gestern hat es die Bezirksversammlung in Steglitz<br />

zum wiederholten Male abgelehnt, dass in Steglitz<br />

ein Mahnmal (Spiegelwand) für die im 2. Weltkrieg<br />

umgebrachten Steglitzer Juden errichtet wird. In der<br />

Zeitung finde ich heute nichts dazu !! Aber ich bin<br />

sicher, alle werden beteuern, dass das mit Antisemitismus<br />

nichts zu tun hat.<br />

Aber wehe, einer hält ein Schild hoch auf <strong>dem</strong> steht:<br />

‚Israel, nein Danke!‘ Eine Strafanzeige ist ihm sicher.<br />

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