31.10.2013 Aufrufe

Storys aus dem Deutschen Alltag 1989 - 2008 - Storyal

Storys aus dem Deutschen Alltag 1989 - 2008 - Storyal

Storys aus dem Deutschen Alltag 1989 - 2008 - Storyal

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Parallelen und Unterschiede<br />

menschen) und weil sie nicht frei in ihren<br />

Entscheidungen sind.<br />

• Die Macht ist anonym. Wenn man sich beschwert<br />

bekommt man die Antwort, die<br />

ich seit 40 Jahren höre: Ich war es nicht.<br />

Ich kann nichts dafür. Ich kann es nicht<br />

ändern.<br />

• Offiziell war auch die DDR wie die Bundesrepublik<br />

eine repräsentative Demokratie.<br />

Ist es wirklich nicht vorstellbar, dass<br />

die Demokratie a la Bundesrepublik unter<br />

<strong>dem</strong> Einfluss rechter oder linker radikaler<br />

Parteien in ähnlicher Weise zu pervertieren<br />

ist?<br />

So wie es erstaunliche und beängstigende Parallelen<br />

gibt, sind aber auch ganz wesentliche Unterschiede<br />

zwischen der Bundesrepublik und der DDR <strong>aus</strong>zumachen:<br />

• Der Pluralismus ist das absolut beste an<br />

dieser Gesellschaft. Es ist für intellektuelle<br />

Menschen eine wirkliche Wohltat, dass sie<br />

nicht gezwungen sind, ständig nur <strong>dem</strong> gerade<br />

Mächtigen nach <strong>dem</strong> Munde zu reden.<br />

Diese Welt ist pluralistisch und komplex,<br />

keiner hat ein Abonnement auf die Wahrheit<br />

und schon gar nicht auf Unfehlbarkeit<br />

(<strong>aus</strong>ser <strong>dem</strong> Papst...). Es gehört Grösse<br />

dazu, diese Tatsache zur Staatsphilosophie<br />

zu machen.<br />

• Im Gegensatz zur DDR besitzt die BRD<br />

keine gesellschaftliche Vision, sie setzt sich<br />

keine moralischen oder ethischen Ziele, sie<br />

besitzt auch keine. Die ehemals christlichen<br />

Werte sind zur Farce verkommen. Die DDR<br />

verfolgte offiziell eine „historische Mission“<br />

die Menschheit zu neuen, besseren Ufern<br />

zu führen. Dass die obersten Genossen sich<br />

schon sehr früh von diesen Idealen verabschiedet<br />

haben, zeigt nur wieder die Konvergenz.<br />

• Der Begriff „Freiheit“ war für mich in der<br />

DDR immer hohl. Ich hatte den Eindruck,<br />

er ist generell gehaltlos. Und genau das<br />

stimmt nicht. In der Bundesrepublik gibt<br />

es an einigen Stellen wirklich Freiheit. Beispielsweise<br />

kann man sich mit Geld wirklich<br />

alles kaufen. Geld und Freiheit sind deshalb<br />

identisch. Aber auch die „Freiheit von Forschung<br />

und Lehre“ an einer Universität ist<br />

wirklich reale Freiheit. Einem berufenen<br />

Professor kann lebenslang keiner mehr vorschreiben,<br />

was er zu tun und zu lassen hat<br />

und wann bzw. ob er zur Arbeit erscheint.<br />

Ob diese Freiheit der Bundesrepublik nutzt<br />

...? Das steht auf einem anderen Blatt. Ich<br />

habe da so meine Zweifel.<br />

• Geld war in der DDR nichts wert, hier ist es<br />

alles. Was Geld eigentlich ist, erkennt man<br />

erst mit einer konvertierbaren Währung. In<br />

der DDR habe ich mehrfach gesagt, auch<br />

wenn ich 500.000 ‚Mark der DDR‘ hätte,<br />

wie sollte ich sie <strong>aus</strong>geben? Ich konnte<br />

mir keinen Hubschrauber, kein Grundstück<br />

und nicht einmal sofort ein Auto kaufen.<br />

Auch auf Reisen konnte ich nur mit Mühe<br />

gehen, dann aber fast umsonst! Das ist jetzt<br />

komplett anders.<br />

• Es gibt grosse soziale und tatsächlich auch<br />

Klassenunterschiede, die es in der DDR<br />

nicht gab. Mehr oder weniger waren alle<br />

gleich reich oder arm. Die Nivellierung ging<br />

bis dahin, dass ich entsetzt darüber war, als<br />

ich nach der Wende sah, in welchem Stil<br />

unsere grossen Führer in Wandlitz gelebt<br />

haben: Nicht besser, als ein Kleinbürger<br />

in Recklingh<strong>aus</strong>en an seinem Feierabend:<br />

Im Plüschsessel mit Schrankwand vor <strong>dem</strong><br />

Fernseher mit „Widschohrekohrdahr“. Erstaunlich<br />

ist auch, nach welch‘ kurzer Zeit<br />

es auch in Neufünfland Obdachlose und<br />

Millionäre gab und gibt.<br />

• Die Kriminalitätsrate ist heute wesentlich<br />

grösser als in der DDR. Das hat sicher<br />

zwei Gründe. Erstens ist das soziale Gefälle<br />

grösser, deshalb ist auch die Not vieler<br />

Menschen so gross, dass sie fast zwangsläufig<br />

kriminell werden. Ausser<strong>dem</strong> kann sich<br />

im Gegensatz zu DDR-Zeiten ein richtiger<br />

Coup wirklich lohnen. Wo war in der DDR<br />

wirklich was zu holen und wo sollte man<br />

seine Beute verjubeln?! Schwer, wenn man<br />

31

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!