Die Brücke zum Erfolg - Mikado
Die Brücke zum Erfolg - Mikado
Die Brücke zum Erfolg - Mikado
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Holzwelten Chinesische Holzbaukunst<br />
Chinese Academy of Cultural Heritage, Beijing<br />
Konstruktion hält Erdbeben und<br />
Stürmen stand<br />
Trotz der in China häufig auftretenden<br />
Erdbeben und orkanartigen Stürme<br />
sind die oft über 1000 Jahre alten<br />
öffentlichen Bauwerke des Landes<br />
heute größtenteils noch erhalten. Ihre<br />
Widerstandsfähigkeit verdanken sie<br />
<strong>zum</strong> einen ihrem Baumaterial: dem<br />
Holz der weißen Zeder, das etwa so<br />
viel Zug aushält wie Stahl und sechsmal<br />
so viel Druck wie Beton. Zum<br />
anderen reduzieren die ohne Nägel<br />
zusammengefügten Konsolen und<br />
Platten die von Erdbeben verursachten<br />
Schwingungen durch Reibung<br />
der beweglichen und ineinander verzahnten<br />
Holzverbindungen. Während<br />
die in der europäischen Baukunst üblichen<br />
Dreiecksverbände sofort bersten<br />
würden, wirken die viel komplexeren<br />
chinesischen Konstruktionen<br />
als „Stoßdämpfer“ und federn die Horizontalbewegungen<br />
ab. Darüber hinaus<br />
erhöhen die kurzen Sparren die<br />
Schwingfähigkeit des Dachs.<br />
Dem Wind bieten die weit ausladenden<br />
Dächer der Gebäude zwar eine<br />
große Angriffsfläche, doch aufgrund<br />
ihres hohen Eigengewichts halten sie<br />
auch starken Stürmen stand. Während<br />
europäische Ziegeldächer ein<br />
Eigengewicht von rund 100 kg/m 2<br />
aufweisen, wiegen die chinesischen<br />
zwischen 280 und 400 kg/m 2 . <strong>Die</strong><br />
Ziegel liegen dabei nicht auf Dachlatten,<br />
sondern in einem Mörtelbett<br />
auf komplett mit Brettern verschalten<br />
Sparren.<br />
Mix aus Geomantik, Intuition<br />
und Erfahrung<br />
Auch die Gesamtkomposition der Palast-<br />
und Tempelanlagen war streng<br />
geregelt. <strong>Die</strong> Gebäude standen in einem<br />
gemauerten Hof, dessen Längsachse<br />
in Nord-Süd-Richtung verlief,<br />
das Hauptgebäude in der Mitte mit<br />
der Eingangsfront nach Süden. <strong>Die</strong>se<br />
Ordnung basiert auf geomantischen<br />
Vorstellungen über günstige<br />
und ungünstige Himmelsrichtungen,<br />
ist aber auch ein Abbild des hierarchischen<br />
Gesellschafts- und Weltbildes.<br />
Das weit auskragende Dach<br />
schützt vor Regen und im Sommer<br />
vor starker Sonneneinstrahlung. Seine<br />
Form entwickelte sich aber nicht<br />
▴▴Tragsystem<br />
der östlichen<br />
Haupthalle<br />
des Buddhaglanz-Tempels,<br />
Wutai,<br />
Provinz Shanxi<br />
(Tang-<br />
Dynastie, 857)<br />
Buchtipp<br />
aus funktionalen Überlegungen, sondern<br />
aus Intuition und Erfahrung.<br />
<strong>Die</strong>se Vorgehensweise ist typisch für<br />
die chinesische Kultur. Ähnliches findet<br />
sich z. B. auch in ihrer Medizin,<br />
wo sich die Wirkung der Akupunktur<br />
mit unseren Methoden bis heute<br />
nicht erklären lässt. Und so verhält<br />
es sich auch mit der Holzbaukunst.<br />
Auf wundersame Weise erreichte sie<br />
schon sehr früh eine Qualität, die Statiker<br />
nur staunen lässt und in Europa<br />
bis heute unerreicht blieb.<br />
<br />
Christine Ryll, München ▪<br />
Winfried Nerdinger (Hrsg.)<br />
<strong>Die</strong> Kunst der Holzkonstruktion<br />
Chinesische Architekturmodelle<br />
Jovis Verlag, Berlin<br />
November 2009 ı 176 Seiten<br />
170 farbige Abbildungen<br />
23 x 30 cm ı 42 Euro<br />
ISBN 978-3-86859-049-4<br />
82<br />
mikado 5.2010