Bundesverfassung - CH
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8 <strong>Bundesverfassung</strong><br />
tische Erwãgungen nahe, nicht sofort zu einer Revision zu schreiten,<br />
aucb wenn sich einzelne Mãngel der Verfassung zeigten. Man wollte es<br />
vermeiden, durch eine verfrühte Revision denjenigen Kreisen Gelegenheit<br />
zu Angriffen auf das 1848 Errungene zu bieten, die sich damals in Opposition<br />
befunden hatten.<br />
Den Anlass für eine Revisionsbewegung gab der Abschluss von<br />
Staatsvertrãgen mit Frankreich im Jahre 1864, durch welche die franzõsischen<br />
Israeliten bessergestellt wurden als die schweizerischen. Es sollte<br />
nun die freie Niederlassung nicht bloss den Schweizern christlicber Konfessi.on,<br />
sondern allen Schweizerbürgern gewãhrt werden. Ne ben · diesem<br />
Revisionspunkte wurden 8 weitere Punkte aufgestellt, die sich auf die<br />
verschiedensten Gegenstãnde bezogen. Der ganzen Bewegung feblten daher<br />
Einheit und Grosszügigkeit, und so lãsst es sich verstehen, dass das Ergebnis<br />
der Abstimmung vom 14 .. Januar 1866 vorwiegend ein negatives<br />
. war. Angenommen wurde einzig die Ãnderung, woriach in Art. 41 und 48<br />
die einschrãnkende Klausel «christlicher Konfession» wegfiel.<br />
Die Verwerfung der meisten Revisionsvorlagen war nicht geeignet<br />
zu weitern Ãnderungen der Verfassung zu ermuntern. Schon nacb wenigen<br />
Jahren traten aber Ereignisse ein, die den- Gedanken einer Revision fõrderten.<br />
In den meisten Kantonen wurden die politischen Rechte des Volkes<br />
erweitert, so vor allem im Jahre 1869 in Zürich (Gesetzesinitiative, obligatorisches<br />
Gesetzesreferendum, Volkswahl der Regierung) und in Bern (obligatorisches<br />
Gesetzesreferendum). Diese Bewegung legte es nahe, auch im<br />
Bunde zu einer Ausdehnung der Volksrechte zu schreiten. In anderer<br />
Hinsicht erhielten die Einheitsbestrebungen in den Nacbbarlãndern -. die<br />
Gründung des Norddeutschen Bundes und dann des Deutschen Reiches<br />
und die Stiftung des Kõnigreichs Italien - grosse Bedeutung. Es liess<br />
sich nicht verkennen, dass ein engerer Zusammenschluss auch für<br />
die Schweiz zur Notwendigkeit wurde, wollte sie gegenüber ihren Nachbarn<br />
nicht in eine nachteilige Stellung geraten. Der deutsch-franzõsische<br />
Krieg von 1870/71 zeigte dies besonders deutlich mit Rücksicht auf die<br />
militãrischen Verhãltnisse. Die Unzulanglichkeit des Systems kantonaler<br />
Kontingente wurde augenfãllig.<br />
Nachdem der Bundesrat noch im Sommer 1870 bloss eine Partialrevision<br />
für notwendig erachtet hatte, gelangte die Kommission des National- und<br />
Standerates bald zu weitergehenden Vorschlãgen, sodass sich die Vornahme<br />
einer Totalrevision aufdrãngte. Der Entwurf der beid_en Rãte<br />
wurde am 5. Mãrz 1872 fertiggestellt. Er bedeutete einen entschiedenen<br />
Sieg der zentralistischen Bestrebungen. Das Militãrwesen sollte Bundessache<br />
werden, und die Vereinheitlichung sowohl des Zivil- als des Strafrechts,<br />
beides mit Einschluss des Prozesses, wurde vorgesehen. Als neue<br />
Volksrechte enthielt der Entwurf das fakultative Gesetzesreferendum und<br />
die Gesetzesinitiative. Die Vorlage wurde in der Abstimmung vom 12. Mai<br />
1872 knapp verworfen, indem sich 261,071 gegen 255,609 Stimmberechtigte