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Drittes Kapitel:<br />

KÖNIG KONG UND DIE WEISSE FRAU<br />

Sie hatten gesagt, sie solle wieder an die Arbeit gehen, also<br />

hatte sie das getan. Hatte die Bestellungen ausdrucken lassen<br />

und war nun dabei, sie nach Lagerplätzen zu sortieren. Aber<br />

das war nicht so einfach. Erstens ging ihr die ganze Geschichte<br />

von heute morgen nicht aus dem Sinn, das Blut und die ganze<br />

sabotierte Firma. Eine Bombe reinwerfen, das war immer ihr<br />

Wochenendtraum gewesen, und nun sollte dieser Rohwald das<br />

gemacht haben. Huschte nackt und wild durch die Schatten<br />

und jagte den Laden in die Luft. Im Fernsehen hätte sie gelacht,<br />

hätte ihn angefeuert, los jetzt, Junge, mach doch!<br />

Sie schob die Streifen zusammen. Schon wieder ein Zahlendreher.<br />

Ich hätte nicht so viel von dem Bourbon trinken<br />

sollen, dachte sie, aber auf den Schreck. Scheiß auf den<br />

Schreck, jetzt muss ich schon wieder aufs Klo!<br />

Sie stemmte sich aus dem Sessel. Im Regal waren ein paar<br />

Monteure dabei, den Kran wieder zurechtzubiegen, und an<br />

der Tür für Damen hing immer noch ein Zettel, das konnte<br />

sie schon von weitem sehen.<br />

Hm. Es pressierte sie ganz schön, aber rüber zu den Bürotoiletten<br />

wollte sie dann doch nicht. Nicht wieder diese Diättussies<br />

und ihr Blick auf die dunkelblauen Hosen. Sie schlug<br />

den Weg zur angrenzenden Halle ein. Die war sowieso seit<br />

Jahren verrußt, und bei dem Chaos heute machte ihr kleiner<br />

Fleck auch nix mehr aus.<br />

In der Halle war niemand, also suchte sie sich eine kleine Nische<br />

zwischen zwei Stapeln leerer Collies und öffnete die Hosen.<br />

Harry war baff. Eben noch hatte er gelangweilt über die<br />

nächsten Schritte nachgedacht, und nun das, keine zwei<br />

Meter von ihm entfernt.<br />

Oh Frau, dachte er, du bist zu spät geboren worden. Eine<br />

Glatze hättest du tragen sollen, dein vieles Fleisch mit Lehm<br />

beschmieren, und du hättest das Zeug zu einer Fruchtbarkeitsgöttin<br />

gehabt! Stammesmutter wärest du gewesen, heiliges<br />

Tor zu den Göttern in unzähligen Mannbarkeitsritualen!<br />

Was für ein Leben hättest du führen können, die Welt zwischen<br />

deinen Brüsten!<br />

Er schubste sie auf den Bauch, warf sich über sie, presste<br />

sich gegen die herrlichen Kissen. Sie quiekte und rollte sich<br />

auf den Rücken. Und ihre Hand hielt ihn fest am Arsch, und<br />

sie hatte seinen Schwanz kaum zur richtigen Stelle gebogen,<br />

da spritzte es auch schon über ihr Fell.<br />

»Na, du hattest es aber eilig«, sagte sie und versuchte, ihn<br />

zu küssen. Er aber schlug sich ins eigene Gesicht und floh.<br />

Die Männer in Schwarz standen zwischen den Regalen und<br />

hatten Ärger. Hinter ihnen die Schubladen, schief und verschachtelt,<br />

seit Harry an einem seiner ersten Tage den Stapler<br />

hineingefahren hatte. Vor ihnen eine Kette von Vorwürfen.<br />

Der Abteilungsleiter machte den Meister fertig, der Meister die<br />

Wachmänner, und die starrten feindselig zurück. Sie waren<br />

es doch nicht gewesen, die diesen Mann eingestellt hatten.<br />

Ihnen hatte er doch nicht erzählt, dass er das alles schon<br />

packen werde und überhaupt schon viel so Jobs gemacht<br />

hätte. Und seine guten Zeugnisse, sie hatten sich doch nicht<br />

überzeugen lassen von ihnen. Das war der da gewesen. Der<br />

Abteilungsleiter. Der.<br />

Aus dem Gang kam die Dicke gestolpert, verschmiert und<br />

fleckig; rückte ihre Brille zurecht. »Da hinten ist er«, sagte<br />

sie. »Er ist über mich hergefallen.«<br />

Die Männer sahen sich an.<br />

Die Männer sahen die Frau an.<br />

Die Männer sahen sich an und lachten. Jetzt war er komplett<br />

verrückt geworden. Das war doch kein Mensch mehr,<br />

der so etwas tat, mit dieser Frau.<br />

Die Männer sahen der Frau hinterher, wie sie mit nassem<br />

Gesicht davoneierte.<br />

»Ach Scheiße«, sagte der Meister. »Wir sollten die Polizei<br />

rufen. Meinen Sie nicht?«<br />

Der Abteilungsleiter nickte. Das fiel in seinen Verantwortungsbereich.<br />

Aber vorher gab es noch etwas anderes zu tun. Wo war sie<br />

wohl hingegangen? Bestimmt nach hinten, in die andere<br />

Halle, und dann hinaus auf den Hof, um in die Sonne zu gelangen.<br />

Richtig: Da stand sie, seine Komissioniererin. Er<br />

stoppte, lief dann im gleichen Tempo weiter und griff nach<br />

ihrem Arm: »Bitte entschuldigen Sie unser Verhalten, Frau<br />

… äh. Wir wollten uns nicht über Sie lustig machen, das sage<br />

ich mit aller Entschiedenheit. Aber Sie müssen schon verstehen,<br />

all die Ausfälle, dieser Wahnsinnige, der sich hier irgendwo<br />

versteckt. Da ist man gereizt und weiß nicht mehr,<br />

was man tut, nicht wahr. Das verstehen Sie doch: Wir wollten<br />

nicht erniedrigen …«<br />

Er hielt noch immer ihren Ellenbogen und dirigierte sie<br />

behutsam zurück ins Lager, sie, die in acht Jahren Betriebszugehörigkeit<br />

nicht einmal krank gewesen war. Die immer<br />

niedrigere Lohnerhöhungen erbeten hatte, als er zu zahlen<br />

bereit gewesen war.<br />

»So, und jetzt gehen Sie hinüber in mein Büro und lassen<br />

sich von Frau Sörensen etwas zum Waschen geben und vielleicht<br />

einen sauberen Kittel oder so, und dann sehen wir mal<br />

weiter.«<br />

Er schob sie vorwärts und beobachtete, wie sie den Gang<br />

hinunterwackelte. Mein Gott, hier hatte dieser unfähige Rohwald<br />

sie einmal mit dem Stapler eingeklemmt, fast hineinge-<br />

No. 4 • Januar 2010 andromeda extended magazine www.sfcd.eu • p. 52

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