Konflikte und Gewalt 5 - Jugendinformationszentrum
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<strong>Gewalt</strong>prävention im Sport<br />
arten mit Schlag- (<strong>und</strong> Tritt-)Techniken der <strong>Gewalt</strong>prävention<br />
zu. Diese Angebote zielen in erster Linie auf<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche ab, die potenziell Täter werden<br />
könnten. Zugleich sollen sie Selbstbe hauptung fördern,<br />
um für einen größtmöglichen Opferschutz zu sorgen.<br />
Häufig sind diese Angebote stark auf den Kampfsport<br />
fixiert, so dass sich die Frage nach dem Transfer in den<br />
Lebensalltag der Kinder <strong>und</strong> Jugend lichen stellt. Unklar<br />
bleibt, inwiefern das Kampfsport-Training für kontextuelle<br />
Situationen Lösungen herbeiführen kann. Zudem<br />
besteht das Risiko in der Ausbildung eines „harten“<br />
Menschen- bzw. Männerbildes.<br />
Qualitätskriterien für kampfsportbezogene<br />
<strong>Gewalt</strong>präventionsangebote<br />
Nach welchen Kriterien lassen sich Kampfsport-Angebote<br />
bewerten?<br />
Ist der Bedarf <strong>und</strong> die Zielrichtung auf Seiten der<br />
Schule bzw. Jugendeinrichtung abgeklärt, besteht der<br />
erste Schritt in der Überprüfung verschiedener<br />
Angebote auf ihre Ausrichtung <strong>und</strong> Passgenauigkeit<br />
hin. Schwierig wird die Entscheidung vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong>, dass sich die kampfsportbezogenen<br />
Präventionsmaßnahmen durch eine ausgeprägte<br />
Heterogenität hinsichtlich des verfolgten Anspruchs,<br />
der Klarheit <strong>und</strong> Richtung des Ziels, der Zielgruppe,<br />
der inhaltlichen Umsetzung sowie Dauer auszeichnen.<br />
Deshalb sollte als Gr<strong>und</strong>lage ein Konzept der jeweiligen<br />
Anbieter vorliegen. Zur allgemeinen<br />
Beurteilung sei auf die vom Fachkreis <strong>Gewalt</strong>prävention<br />
entwickelte Checkliste verwiesen. Diese ist im<br />
Reader „<strong>Konflikte</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> 3“ auf der Internetseite<br />
www.gewaltpraevention-hamburg.de nachzulesen.<br />
Inhaltlich soll das Konzept spezifisch auf die jeweilige<br />
Zielgruppe ausgerichtet sowie in Bezug auf eine<br />
entsprechende pädagogische <strong>und</strong> methodisch-didaktischen<br />
Orientierung ausgelegt sein. Zudem gilt für den<br />
Sport allgemein <strong>und</strong> den Kampfsport im Beson deren<br />
die gr<strong>und</strong>sätzliche Annahme, dass nicht das Sporttreiben<br />
allein positiv wirkt, sondern ein solches Angebot einer<br />
besonderen pädagogischen Inszenie rung <strong>und</strong> einer besonderen<br />
pädagogischen Qualifi kation derjenigen<br />
Person bedarf, die diese Inszenierung vornimmt. Dieser<br />
Aspekt sei hier etwas ausführlicher dargestellt:<br />
Die gestiegene Beziehungsproblematik bei Kindern<br />
<strong>und</strong> Jugendlichen verweist auf die außerordentliche<br />
Bedeutung der Trainerinnen <strong>und</strong> Trainer sowie ihrer<br />
Einstellungen <strong>und</strong> Fähigkeiten. Die Lehrperson sollte<br />
den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen als authentisches Vorbild<br />
begegnen, der sie ihr Vertrauen schenken <strong>und</strong> Orientierung<br />
für ihr eigenes Handeln abgewinnen können.<br />
Hieraus erwächst der Anspruch nach einer fachlichen<br />
<strong>und</strong> persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema<br />
<strong>Gewalt</strong>, nach einer guten Traineraus- <strong>und</strong> -fortbildung<br />
(<strong>und</strong> gegebenenfalls Zusatzqualifika tionen), entwicklungspsychologischen<br />
Kenntnissen sowie regelmäßiger<br />
Supervision <strong>und</strong> Selbstreflexion. Insbesondere in<br />
Kampfsport-bezogenen Angeboten kommen für die<br />
Trainerinnen <strong>und</strong> Trainer spezielle Aspekte hinzu wie:<br />
eine kritische Reflexion bzgl. Männer- <strong>und</strong> Frauenbildern,<br />
ein Bewusstsein hinsichtlich der Bedeutung der<br />
eigenen Rolle, Authen tizität <strong>und</strong> Echtheit im Umgang<br />
mit eigenen Fehlern <strong>und</strong> Schwächen, selbstkritische<br />
Reflexionsfähigkeit im Hinblick auf das Selbstbild sowie<br />
eigene Macht- <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>bestrebungen.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich sollte ein kampfsportliches <strong>Gewalt</strong>prä<br />
ventionsangebot im Sinne einer pädagogischen<br />
Inszenierung spielerisch gestaltet sein, den partnerschaftlichen<br />
Dialog fördern, die Spannung von Wagnis<br />
<strong>und</strong> Risiko in kontrolliertem Maß ermöglichen, einen<br />
schützenden Rahmen setzen <strong>und</strong> ein ausgewogenes<br />
Verhältnis zwischen sportivem Training <strong>und</strong> pädagogischen<br />
Inhalten aufweisen.<br />
Sobald ein bewegungsbezogenes Angebot die mögliche<br />
körperliche Verletzungsgefahr sowie psychische<br />
Belastbarkeit erhöht, wird es umso bedeutsamer, folgende<br />
Gesichtspunkte zu beachten:<br />
• Keine negativen Überraschungssituationen oder<br />
Nähe zu realen <strong>Gewalt</strong>situationen mit gefährlichen<br />
Anteilen, die Angst verursachen können<br />
• Keine schädigenden Trefferwirkungen, sondern<br />
Sicher stellung der körperlichen <strong>und</strong> psychischen<br />
Unversehrtheit<br />
• Kein auf Autorität <strong>und</strong> Gehorsam beruhendes,<br />
sondern ein pädagogisches, auf individuelle Förderung<br />
ausgelegtes Unterrichtskonzept<br />
• Kein kampfsportlicher Drill, sondern eine besondere<br />
Qualifikation <strong>und</strong> Sensibilität der Lehrperson<br />
hinsichtlich der Macht-Ohnmacht-Thematik beim<br />
Kämpfen<br />
• Keine Abwertung der teilnehmenden Kinder <strong>und</strong><br />
Jugendlichen, sondern eine ressourcenorientierte,<br />
wert schätzende Haltung der Lehrperson den<br />
Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen gegenüber sowie Bewusstheit<br />
hinsichtlich der eigenen Vorbild funktion.<br />
Nach dem aktuellen Forschungsstand kann ein ausschließlich<br />
aus Kampfsport bestehendes Konzept keine<br />
(positiven) Wirkungen zeigen, vielmehr ist als unbedingte<br />
Voraussetzung eine multiple Vernetzung mit anderen<br />
(pädagogischen) Maßnahmen anzusehen. Kampfsport-Angebote<br />
laufen andernfalls Gefahr einer ausschließlich<br />
individuellen Fokussierung. Zu fordern ist<br />
die Berücksichtigung von Selbstreflexion <strong>und</strong> kognitiver<br />
Verarbeitung sowie die Einbeziehung des Kontextes<br />
von <strong>Gewalt</strong>entstehung als Voraussetzung für die Möglich<br />
keit eines Transfers in die alltägliche Lebenswelt.<br />
Kontakt:<br />
Fachbereich Bewegungswissenschaft der Universität<br />
Hamburg (siehe Adressen)<br />
E-Mail sigrid.happ@uni-hamburg.de<br />
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